Lärm und Stille (2)

Lärmschulden

Der Autor Ulrich Peltzer
Mit ihrem Kollegen Ulrich Peltzer sinniert Kathrin Röggla über Lärmschulden. © picture-alliance/ dpa / Uwe Anspach
Kathrin Röggla im Gespräch mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer · 03.03.2015
"Lärmkrieg" heißt ein Theaterstück der österreichischen Autorin Kathrin Röggla. In den Originaltönen dieser Woche befasst sie sich nicht nur mit Lärm, sondern auch dem Gegenteil: der Stille. Heute in einem Gespräch mit dem Schriftsteller Ulrich Peltzer.
Herr Peltzer, was sind Lärmschulden?
Die Schulden, die ein Lärmverursacher anhäuft und die in irgendeiner Weise zu begleichen sind, finanziell, moralisch, durch Gesten, keine Ahnung. Aber es ist natürlich … Lärmschulden ist kein Begriff aus dem Gesetz…
Naja, man könnte sagen, Lärmschulden sind das Gegenteil oder die Entsprechung von den Stilleguthaben, die sich manche aufhäufen in dieser Gesellschaft,…
Wer häuft ein Stilleguthaben auf?
in den hübschen Vororten, wo es schön leise ist, die darauf beruhen…
So funktioniert doch sozusagen das zivile Leben, dass, wenn man es sich leisten kann, man ausschließt, was stört. Also Lärm beispielsweise – oder Gestank, schlechte Straßen etc. etc. Das sind ja sozusagen Austauschprozesse. Man erkauft sich sozusagen die Stille mit der Konsequenz, dass der Lärm sich woanders ballt. Im Grunde genommen haben nicht nur die Verursacher von Lärm Lärmschulden, eigentlich haben die, die auf Stille-Inseln wohnen, dadurch dass Städte segregiert sind, immer stärker segregieren, könnte man auch sagen, dass diejenigen, die in einer Stille oder einer geräuscharmen Umgebung wohnen, Schulden haben, die bei den anderen zu begleichen wären. Wenn wir Lärm als Emission betrachten wie Abgase…
Man könnte sich vor Augen halten, man hat die immaterielle Produktion, ein Haus, oder auf der Alm sitzt einer, der tippt in seinen Laptop seine Daten rein. Diese immaterielle Produktion beruht aber auf jeder Menge industrieller Produktion.
Natürlich. Es ist eine Illusion zu glauben, die immaterielle Arbeit oder die Arbeit am Laptop … das wäre umweltschonend in Bezug auf Lärm, ist natürlich eine Illusion … weil - bis man anfangen kann, am Computer zu arbeiten, hat es eine Kurve gegeben, eine Kurve von Lärm, nicht nur den Lärm, der bei der regulären Förderung von Rohstoffen entsteht, sondern auch bei dem Kriegslärm, der beispielsweise die Förderung von seltenen Erden befördert, die man braucht bei der Herstellung für Computer und Handys. Es gibt noch eine ganz andere Produktion von Lärm, wie gesagt Kriegslärm, Lärm, den Söldnergruppen verursachen, wenn sie Produktionsstädten sichern. Es gibt eine ganze Menge von Lärm, Lärmkreise sozuagen.
Danke für das Gespräch.

Die Autorin Kathrin Röggla wurde 1971 in Salzburg geboren. Sie studierte Germanistik und Publizistik in Salzburg und Berlin. Im Jahr 1992 entstanden die ersten Bücher sowie Kurzprosa. Seit 1998 verfasst und produziert sie auch Radioarbeiten – Hörspiele, akustische Installationen, Netzradio. Seit 2002 schreibt sie Theatertexte. Für die Reihe "Originalton" schreibt sie in dieser Woche über Lärm und Stille.

© dpa / picture alliance / Fredrik von Erichsen
"Originalton" heißt ein täglicher Bestandteil unserer Sendung "Lesart". Wir bitten Schriftsteller jeweils für eine Woche um einen kurzen Text. Er soll kleine Formen erproben und mit den Möglichkeiten des Radios spielen.
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