Kurz und kritisch

Von Ernst Rommeney · 05.02.2012
Welche Rolle wird Europa künftig spielen? Und: Sollte es überhaupt Großmächte geben? Um diese Fragen drehen sich zwei der Bücher, die wir Ihnen heute vorstellen wollen. Dazu empfehlen wir Ihnen eine Neuerscheinung mit 27 Biographien prominenter Theologen.
Eberhard Sandschneider: Der erfolgreiche Abstieg Europas. Heute Macht abgeben, um morgen zu gewinnen

Der Abstieg des Westens sei nicht zu verhindern. Er habe schon vor zwanzig Jahren begonnen, gleich nachdem Europa und Nordamerika im Kalten Krieg gesiegt hätten, stellt Eberhard Sandschneider fest. Nun müsse der alte Kontinent diesen Abstieg akzeptieren und erfolgreich gestalten, indem er bevölkerungsreichen Ländern wie China, Indien und Brasilien, die politisch und wirtschaftlich zur Macht strebten, Platz mache.

Die neue multipolare Welt habe statt Demokratie und globaler Ordnung Kriege, Krisen und Konflikte gebracht. Dahinter trat eine Fülle widerstreitender Lebensmodelle zu Tage. Die Europäer, so empfiehlt der Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, sollten sich nach außen wie innen pragmatisch und flexibel verhalten.

Sie könnten ja stolz sein auf ihre Werte, täten aber besser daran, ihre Interessen ohne missionarischen Eifer zu vertreten, sich von Hochmut oder Feindbildern zu verabschieden, dafür aber eine strategische Geopolitik zu formulieren.

Dass sich Europa als handlungsfähig erweist, dass seine Politik transparent ist, auch ein Scheitern verkraften kann, ist für Eberhard Sandschneider wichtiger, als an einer Verfassung oder gar an einer europäischen Identität zu arbeiten. Von mehr Bürgerbeteiligung verspricht er sich wenig, denn die EU werde immer ein Projekt politischer Eliten bleiben. Und auf deren Umdenken werde es künftig ankommen.

Erschienen im Carl Hanser Verlag München


Leopold Kohr: Das Ende der Großen. Zurück zum menschlichen Maß

Leopold Kohr würde sogar noch weiter gehen. Die Idee des 20. Jahrhundert, Länder vereinigen zu wollen, hielt er für falsch. Großmächte hätte er am liebsten aufgelöst. Nur einem Netzwerk kleiner Staaten - wie einst im Mittelalter – gelänge es, Konflikte räumlich und zeitlich zu begrenzen.

Seine Theorie der Kleinheit trug er erstmals 1941 vor. Da lehrte der Jurist - aus Österreich in die USA emigriert - Nationalökonomie und politische Philosophie. Aber noch 1978 beantwortete er in einem Vorwort für sein Buch über das Ende des Großen die Frage, ob sich sein Konzept jemals durchsetzen werde, mit einem klaren "Nein".

Jeder Versuch, die Ursachen von Kriegen, Grausamkeit oder Elend zu erklären, bleibe unvollkommen, wenn er nicht über Aspekte wie Rasse, Kultur, Ideologie und Ökonomie hinausgehe. Denn den Ausschlag gab stets eine kritische Größe, die, als sie überschritten wurde, Kontrolle und Gegengewicht ausschaltet habe.

Ideologien, so der Träger des Alternativen Nobelpreises 1983, würden erst durch uneingeschränkte Macht gefährlich und Menschen durch ungebremsten Größenwahn. Umgekehrt sei Tugendhaftigkeit nicht edel, sondern nur das Unvermögen, Schaden anzurichten.

Für ihn gilt ganz allgemein, Menschen sollten sich in überschaubaren, in kleinen sozialen Einheiten organisieren. Dort lösten sie ihre Probleme leichter, hätten sich selbst und andere besser unter Kontrolle. Seine Theorie von Kleinheit und Größe wurde jetzt neuaufgelegt.

Erschienen im Otto Müller Verlag Salzburg


Alf Christophersen: Sternstunden der Theologie. Schlüsselerlebnisse christlicher Denker von Paulus bis heute

Saulus wurde zum Paulus und allen Konvertiten zum Vorbild. Augustinus fasziniert konservative Intellektuelle, Hildegard von Bingen Feministinnen, Franz von Assisi Naturfreunde, Thomas von Aquin Friedensforscher, Martin Luther Kirchenreformer, Johann Gottfried Herder Bibelforscher, Teilhard de Chardin Naturwissenschaftler, Paul Tillich religiöse Sozialisten und Johannes Paul II. deren Kritiker.

27 Biographien prominenter Theologen, darunter zwei Frauen, stellt Alf Christophersen vor und skizziert deren wissenschaftliche und seelsorgerische Leistung. Leider aber kann der Privatdozent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München die von ihm ausgewählten Sternstunden der Theologie nur Fachleuten vermitteln.

Dem Laien fällt es schwer sie zu begreifen, obschon gerade ihm diese Gesamtschau helfen würde, um zu verfolgen, wie sich aus religiösem Denken eine Wissenschaft entwickelte, die sich nach und nach mit Philosophie, Naturwissenschaften und politischem Handeln auseinandersetzte. Den christlichen Denkern gemeinsam ist nämlich nicht nur die Suche nach Gott, sondern auch der Ärger, den sie wahlweise mit Kirche und Politik bekommen haben.

Erschienen im C.H. Beck Verlag München
Buchcover: "Der erfolgreiche Abstieg Europas" von Eberhard Sandschneider
Buchcover: "Der erfolgreiche Abstieg Europas" von Eberhard Sandschneider© Carl Hanser Verlag
Buchcover: "Das Ende der Großen" von Leopold Kohr
Buchcover: "Das Ende der Großen" von Leopold Kohr© Otto Müller Verlag
Buchcover: "Sternstunden der Theologie" von Alf Christophersen
Buchcover: "Sternstunden der Theologie" von Alf Christophersen© C.H. Beck Verlag