Kurz und kritisch

Wie Monarchen an ihrer Politik scheiterten

Das Reiter-Denkmal des Preußen-Königs Friedrich-Wilhelm III. in Köln.
Das Reiter-Denkmal des Preußen-Königs Friedrich-Wilhelm III. in Köln. © picture alliance / Oliver Berg
Von Jörg Himmelreich · 06.02.2016
Für die Monarchen des 19. Jahrhunderts war Krieg ein probates Mittel der Politik. Die Bedeutung von politischen Strömungen wie Nationalismus oder Liberalismus, die zu jener Zeit virulent wurden, verstanden sie hingegen nicht, kritisieren die Historiker Michaela und Karl Vocelka und Jürgen Luh.
Ihm bleibe nichts erspart, soll Franz Josephs I. gestöhnt haben. Seine verzweifelte Klage steht symptomatisch für die fast 60-jährige Regierungszeit des österreichischen Kaisers, die über viele Kriege hinweg bis 1916 in den Ersten Weltkrieg hinein andauerte.
Zunehmend verstand er sich als fürsorglicher Landesvater und verkannte die rebellierenden Kräfte des Nationalismus im Vielvölkerstaat seiner k.u.k-Monarchie. Darin liegt die Tragik seines politischen Lebens, zu der sich die des privaten gesellte. Seine Frau Sisi wird 1898 in der Schweiz ermordet, sein Neffe Ferdinand 1914 in Sarajewo.
Der Irrglaube, Unabhängigkeitsbewegungen könnten mit Gewalt unterdrückt werden
Michaela und Karl Vocelka heben hervor, wie sehr er von seiner Jugend, von einer vergangenen Epoche mit ihrem althabsburgischen Weltbild geprägt war, von der Vielfalt der Sprachen im Reich ebenso wie vom Pomp des Wiener Hofes.
Der industriellen Revolution Englands und Deutschlands aber hinkte Österreich hinterher. Und die Armee trug zu ihren militärischen Niederlagen bei, weil sie technisch und organisatorisch veraltet war und inkompetent geführt wurde. So bestärkt die Generalität Franz Joseph in seinem Irrglauben, er könne Unabhängigkeitsbewegungen mit Gewalt unterdrücken.
Der ehemalige Professor für Österreichische Geschichte an der Universität Wien und seine Ehefrau, Historikerin vom Simon Wiesenthal Archiv, haben eine gut zu lesende Biographie zum 100. Todestag geschrieben.

Michaela und Karl Vocelka: "Franz Joseph I. Kaiser von Österreich und König von Ungarn 1830 - 1916. Eine Biographie"
C.H. Beck Verlag, München 2015
488 Seiten, 26,95 Euro

Nicht einem Monarchen, sondern den preußischen Reformern wirft er politisches Versagen vor: Die Militärs Gneisenau, Clausewitz und Scharnhorst, die Verwaltungsexperten Stein und Humboldt seien viel zu bedächtig vorgegangen, den Bürgern mehr Freiheitsrechte einzuräumen und sie am politischen Prozess zu beteiligen.
Der politisch schwache König täuschte Reformer und Bevölkerung
Der Potsdamer Historiker Jürgen Luh sieht darin einen Grund, weshalb sie scheiterten, den historisch günstigen Moment der "Franzosenzeit" zu nutzen, nachdem Preußen in Jena und Auerstedt 1806 von Napoleon besiegt worden war. Dem politisch schwachen Friedrich Wilhelm III. gelang es stattdessen, unterstützt vom Minister Hardenberg, Reformer und Bevölkerung zu täuschen.
Von der Französischen Revolution zu träumen war erlaubt
Er erlaubte seinen Untertanen, vom Geist der Französischen Revolution zu träumen, auch wenn er nie vorhatte, ihnen eine echte politische Befreiung einzuräumen. Vielmehr brauchte er ihre Unterstützung lediglich für die Revanche gegen den Franzosen, für die später erfolgreichen Befreiungskriege.
Doch auch der preußische König verkennt schließlich die Sprengkraft einer politischen Bewegung und meint den aufziehenden Liberalismus mit Gewalt unterdrücken zu können.

Jürgen Luh: "Der kurze Traum der Freiheit. Preußen nach Napoleon"
Siedler Verlag, München 2015
240 Seiten, 24,99 Euro.

Kriegsarchäologie ist ein noch junges und sehr spezielles Fachgebiet. Es wertet all jene Gegenstände aus, die auf einstigen Frontverläufen gefunden wurden. Von der Steinzeit bis zum Zweiten Weltkrieg trägt der Hamburger Museumpädagoge Thomas Brock die Erkenntnisse der Disziplin zusammen.
Der Mensch kam nicht als Krieger auf die Welt
Er schreibt nicht nur über Waffen- und Militärtechnik, über Grausamkeit und Wahnsinn von Kämpfen oder über irreführende Quellenangaben, sondern verwirft als reine Spekulation, dass der Mensch bereits als Krieger auf die Welt gekommen sei.
Denn in der Alt-Steinzeit, so sein Beleg, ließen sich Feldzüge nicht nachweisen. Und darüber hinaus habe der Historiker zur Frage nach dem kriegerischen Wesen des Menschen nichts beizutragen.

Thomas Brock: "Archäologie des Krieges. Die Schlachtfelder der deutschen Geschichte"
Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2015
240 Seiten, 49,95 Euro

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