Kurz und kritisch

Ausgemusterte Stimmen und glückliche Momente

Graffitis auf der Westseite der Berliner Mauer am 29. April 1984
Graffitis auf der Westseite der Berliner Mauer © AFP / JOEL ROBINE
Von Ute-Christine Krupp · 01.08.2015
In der Rubrik "Kurz und kritisch" stellen wir Ihnen heute zwei Neuerscheinungen vor, in denen es um unterdrückte Schriftsteller in der DDR und den Prozess der deutsch-deutschen Wiedervereinigung geht.
Das Interesse von Ines Geipel gilt dem blinden Fleck der DDR-Literatur. Sie möchte, dass germanistische Seminare und Feuilletons den verhafteten und ausgegrenzten Literaten der DDR-Zeit mehr Aufmerksamkeit schenken. 70.000 Manuskriptseiten von 100 Autoren und Autorinnen hat sie inzwischen gesammelt und archiviert.
In ihrem Essay widmet sie sich erneut dem Schicksal der Widerständigen. Geipel erläutert, wie die Zeiten der Repression in den 50er- und 60er-Jahren von subtilen und verdeckten Methoden der 70er- und 80er-Jahre abgelöst wurden – und wie sich die damit herbeigeführten Traumatisierungen in das Leben und die Texte der Autoren einschrieben. Viele von ihnen waren einer Dauergefahr ausgesetzt, landeten im Gefängnis oder erhielten Schreibverbot. Geipel interessiert sich nicht nur für Themen und Stoffe. Ihr Augenmerk gilt den Auswirkungen von Angstsymptomen. Mit Textbeispielen und Aussagen dokumentiert sie die Erfahrungen der Widerständigen, deren Texte in Kissen eingenäht, in Kartoffelkellern oder in Schließfächern am Bahnhof das DDR-System überstanden haben. Ein interessanter und differenzierter Essay über die unangepassten und ausgemusterten Stimmen der DDR-Literatur.
Ines Geipel: Kalte Bücherverbrennung – Unterdrückte Literatur in der DDR, Hanser Verlag, 40 Seiten, Buchcover e-Book
"Kalte Bücherverbrennung" von Ines Geipel© Buchcover / Hanser Verlag

Ines Geipel: Kalte Bücherverbrennung – Unterdrückte Literatur in der DDR
Hanser Verlag, München 2015
40 Seiten, nur als eBook, 2,99 Euro

Sieben Jahre lang standen Wiedervereinigung und Aufbau Ost im Mittelpunkt des Lebens von Johannes Ludewig. Er gehörte in den neunziger Jahren zu den engen Mitarbeitern um Helmut Kohl. Ludewig war dessen Berater und erlebte eine aufregende Zeit mit großen Herausforderungen.
Schnell stand fest: Es sollte keinen dritten Weg geben, keine Zwischenlösungen – das System DDR sollte abgeschafft werden! Denn für die Wirtschaft im Osten Deutschlands sah man keine Zukunft. Die Einführung der D-Mark in Ostdeutschland galt als Point of no Return.
Johannes Ludewig: Unternehmen Wiedervereinigung – Osburg Verlag, 288 Seiten, Buchcover
"Unternehmen Wiedervereinigung" von Johannes Ludewig© Buchcover / Osburg Verlag
Entscheidungen treffen, Weichen stellen. Ludewig begleitete Helmut Kohl auf Auslandsreisen, nahm an Expertengesprächen über Währung und Wirtschaft teil, an Strategiegesprächen mit politischen Vertretern oder Spitzenleuten der deutschen Wirtschaft. Themen wie Privatisierung, Sanierung, Stilllegung standen fast immer auf der Tagesordnung. Dabei wurde klar: Das alleine reichte nicht aus. Es musste auch eine Sprache gefunden werden für den Teil der Bevölkerung, für den sich vieles im Leben veränderte, manchmal fast alles.
Johannes Ludewig erzählt, wie aufwändig es war, Ostdeutschland in den Weltmarkt und die Demokratie hinein zu katapultieren. Er gewährt Einblicke in Bereiche des politischen Betriebs, die den Bürgern nicht zugänglich sind. Ein spannendes und informatives Buch über einen wichtigen Zeitabschnitt in der deutschen Geschichte. Wenig Zeit blieb damals für Bürokratie, lange Dienstwege oder Abschweifungen.
Und: Es gab glückliche Momente. Momente, die zeigten, dass sich die Vorstellungen vom Umbau Ostdeutschlands in Realität verwandelten. Einmal ließ man deshalb die Arbeit für Minuten ruhen und sang: So ein Tag, so wunderschön wie heute ...

Johannes Ludewig: Unternehmen Wiedervereinigung
Osburg Verlag, Hamburg 2015
288 Seiten, 22,00 Euro