Kulturelle Kostbarkeiten aus Japan

Von Ulrike Gondorf · 25.04.2008
Kulturgegenstände, die Japan noch nie zuvor verlassen haben, kann man zurzeit in der Bundeskunsthalle in Bonn bewundern. Skulpturen, Lack- und Seidenmalereien, Handschriften und goldenes Gerät – insgesamt 240 Objekte sind zu sehen. Die ältesten stammen aus dem achten Jahrhundert, die jüngsten wurden erst vor wenigen Jahren geschaffen.
Durch einen hölzernen Torbau betritt man die Ausstellung und spürt sofort etwas von einer fremden Welt. 10.000 Kilometer müsste man reisen bis ins japanische Kyoto und dann in einem beschwerlichen Fußmarsch den heiligen Berg besteigen, wenn man den Blick genießen wollte, der einem in der Bonner Ausstellung präsentiert wird: der Mond steht über den kunstvoll angelegten Gärten des Klosters, die Kirschbäume sind in voller Blüte. Wie ein Feuerwerk in zartem Weiß und Rosa ergießen sich die Blütenkaskaden über Wiesen und Hügel. Seit 1598 wird auf dem Heiligen Berg das Kirschblütenfest gefeiert, 800 Bäume sind damals angepflanzt worden. Hier sieht man das Motiv auf Goldgrund gemalt auf zwei großen Schiebetüren, die im Haupttempel des Daigo-ji in die Eingangshalle führen. Kuratorin Tomoe Steineck wollte von vornherein klar machen, dass es ihr in der Ausstellung nicht nur um die Präsentation von Kunstwerken geht.

"Wir haben versucht, im ersten Raum eine Begegnung zu ermöglichen, und deswegen haben wir große Gemälde mitgebracht, die den Daigo-ji als Berg darstellen, seinen Garten, die Atmosphäre, was ist das für ein Tempel, was sieht man, wenn ich durch das Tor gehe und den heiligen Berg betrete?"

Die junge Kuratorin, die selbst in der japanischen und in der deutschen Kultur aufgewachsen ist, möchte die Zusammenhänge vermitteln, in denen die Kunstobjekte stehen. Deshalb hat sie dem Besucher nicht nur viel zu sehen, sondern auf großen Wandfahnen auch einiges zu lesen gegeben.

"Religiöse Kunst kann man das als Kunst wahrnehmen, es bleibt eine Lücke, es ist die Symbolik, die es zu verstehen gilt, und da würde ich empfehlen, die Texte zu lesen, damit man mehr erfahren kann, als das Auge erfassen kann."

Der Daigo-ji ist das Zentrum des geheimen Buddhismus in Japan – was in unseren Ohren so sektiererisch klingt, ist heute die drittgrößte Religionsgemeinschaft im Land.

"Es ist geheim deswegen, weil der Lehrer zum Schüler direkt weitergeben muss, es muss viel erklärt werden, man kann nicht einfach hingehen und es lesen und hat es verstanden. Die Gläubigen verstehen es im Sinne von 'Buddha nahe sein', die Lehre ist den Worten Buddhas näher, sie haben die Weisheit besser erfasst."

Die führenden Schichten vom Kaiserhaus über das Militär bis zu den wissenschaftlichen Eliten haben sich von jeher besonders dieser Richtung des Buddhismus zugewandt, bei der das Studium der überlieferten Schriften eine besondere Bedeutung hat. Zu den kostbarsten Ausstellungsstücken gehören die mit schwungvollen Zeichen auf feinem Papier mit Tusche oder Blattgold aufgezeichneten so genannten Sutren, die heiligen Texte dieser Religion. Die ältesten stammen aus dem achten Jahrhundert. Sie wurden vom Klostergründer Shobo bereits mitgebracht, als er sich 872 auf dem heiligen Berg niederließ. Im zweiten Saal der Ausstellung steht man ihm gegenüber: eine Holz-Skulptur aus dem 16. Jahrhundert zeigt das traditionell überlieferte Bild. Mit gekreuzten Beinen sitzt er da, in tiefer Meditation versunken, ein kräftiger Mann mit kahlgeschorenem Kopf, eingehüllt in den weiten Faltenwurf seines Gewandes.

"Es gibt eine Sage, einen Gründungsmythos. Der Meister Shobu wollte die Lehre Buddhas verkünden und verbreiten und suchte nach einem heiligen Ort. Er hat eines Tages gebetet und fünffarbige Wolken über einen Berg schweben sehen, ist auf diesen Berg gepilgert, fand einen alten Mann an einer frischen Wasserquelle und dieser Mann offenbarte sich als Gott dieses Berges."

Fast 1150 Jahre währt die ununterbrochene Geschichte des Daigo-ji, heute sind es ungefähr 40 Mönche, die dort leben, arbeiten und meditieren. Wie es in einem der vielen Tempel aussieht, kann man in der Ausstellung auch erleben.

Eine von Säulen getragene hölzerne Halle nimmt den zentralen Platz ein, darin ist ein Altar aufgestellt mit Holzskulpturen der Buddhas; davor wie ein gedeckter Tisch der Ort, an dem der Priester die Zeremonie vollzieht. Dorthin lädt er die Heilsfiguren ein und bietet ihnen in schön gestalteten, vergoldeten Gefäßen Weihegaben an: Blumen, Weihrauch, Wasser aus der Quelle heiligen Berges.

"Es ist der Fall, dass alles Kultgeräte, lebendige religiöse Gerätschaften sind, die auch noch Gläubige haben."

Das gilt auch für fast alle anderen Objekte der Schau: die Seidenmalereien aus dem 13. Jahrhundert, die in glühend leuchtenden Rottönen die "Könige der Weisheit" darstellen, wilde Gestalten, die mit grimmigen Blicken und gefletschten Zähnen, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, Unglück und Dämonen abwehren sollen.

Sanft und glücksselig wirkt dagegen der goldene Bodhisattva, der als Glanzstück der Schau auch auf dem Plakat zu sehen ist. Er sitzt auf einem goldenen Thorn, der von einer Lotosblume getragen wird. Seine Augen sind geschlossen, den Kopf mit der hohen verzierten Haube stützt er in eine Hand, eine andere hält das magische Juwel, das alle irdischen Bedürfnisse befriedigt, eine dritte das Rad des Buddhas, das für Erleuchtung steht. Er hat 1000 Arme, denn die Gläubigen versprechen sich mehr Hilfe von ihm, als zwei Hände geben könnten. Sechs sind auf dem Bildwerk dargestellt, das aus dem zehnten Jahrhundert stammt.

"Es ist eine der schönsten, elegantesten, anmutigsten Figuren der japanischen Kunstgeschichte und ein ganz großer Schatz des Tempels."

Auch er hat eigentlich seinen Platz im Daigo-ji auf dem Heiligen Berg Kyotos. Dort werden die Besucher ihn jetzt ein paar Monate lang vermissen.

"Der Leihgeber meinte ganz nett, dann müssen wir Schildchen aufstellen, die sind jetzt in Deutschland auf Dienstreise."

Service: Die Ausstellung "Tempelschätze des heiligen Berges. Daigo-ji – Der Geheime Buddhismus in Japan" ist vom 25. April bis 24. August 2008 in der Bundeskunsthalle Bonn zu sehen.