Küppersbusch: Union ist angreifbar von rechts

Friedrich Küppersbusch im Gespräch mit Joachim Scholl · 27.05.2010
Der Journalist Friedrich Küppersbusch hofft, dass sich nach dem Abgang von Roland Koch keine neue Partei rechts von der Union gründen werde. Aus Nachbarländern wie Österreich oder den Niederlanden seien solche Entwicklungen bereits bekannt.
Joachim Scholl: Jetzt geht er also. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch legt sein Amt nieder, und dieser Rücktritt bewegt die Öffentlichkeit doch um einiges mehr als etwa die Nacht-und-Nebel-Zwangsverschickung des Kollegen Günther Oettinger seinerzeit. Roland Koch war und ist da ein anderes Kaliber, er hat immer polarisiert. So wie früher die Politkanthölzer Strauß, Wehner, Geissler, die man heute nostalgisch vermisst im Sinne von: Das waren noch Gestalten. Ich begrüße nun den Journalisten Friedrich Küppersbusch. Guten Morgen, Herr Küppersbusch!

Friedrich Küppersbusch: Guten Morgen, Herr Scholl, guten Morgen!

Scholl: Wenn man sich mal anschaut, wie rasend schnell am Dienstag die Kommentare und Einschätzungen zum angekündigten Rücktritt losbrachen, da gewinnt man ja den Eindruck, als ob sich ja jeder Journalist oder politische Beobachter sofort seinen Reim drauf macht. Wie ging Ihrer, Herr Küppersbusch?

Küppersbusch: Ich war sehr überrascht, weil mir sozusagen das Movens, der Antrieb, der Impetus, der Anschub im Herzen von Roland Koch gefehlt hat. Ich hatte kein Gefühl dafür, dass da eine große Verletzung ist. Ich habe noch mal ganz genau überlegt, kann aus den unseligen jüdischen Vermächtnissen, dieser Lüge, für die sich damals so ein bisschen sein Franz Josef Jung weggeschlachtet hat, damit der Chef trotzdem Ministerpräsident bleiben kann, kann da noch ganz spät was nachkommen, gibt es irgendwelche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Nürburgring-Affäre, ist der Untersuchungsausschuss - den Volker Bouffier ja übrigens an den Hacken hat, der Verdacht der Günstlingswirtschaft - ist da irgendein, also auf Deutsch gesagt, in welche Schublade mit Silberbesteck hat er gepackt und sucht jetzt noch einen ordentlichen Abgang, bevor er möglicherweise im Zuge einer Affäre zurücktreten muss. Habe ich mich offenkundig geirrt. Inzwischen finde ich die Erklärung plausibler, dass da ein bisschen Wut über den verlorenen Groschen sozusagen - wenn wir schon klassische Musik ansprechen dürfen - mit drin ist.

Scholl: Ein Jahr wollen er und seine Familie und die Kanzlerin es schon gewusst haben - interessante Vorlaufszeit, oder?

Küppersbusch: Ja, heißt auf der Vorderbühne, guckt mal, so lieb wie meine Frau habe ich sonst nur Angela Merkel. Nun wird die Frau gesagt haben, in einer ehelichen Beziehung sage ich vielleicht, na, was machen wir denn danach, worauf haben wir Lust, aber Frau Merkel muss jetzt ja mit dem so in die Welt gesetzten, sehr clever gemachten Vorwurf leben: Die hat das ein Jahr gewusst und hat ihm nichts angeboten. Wir erinnern uns an dieses "Haste noch einen Opa, schick ihn nach Europa", wie die Parteien das lange, viel zu lange gemacht haben, und wie es Frau Merkel in ihrer Vorgehensweise gegenüber Günther Oettinger noch mal unterstrichen hat. Ja, der kann ja gar kein Englisch, na, der ist ja als Europapolitiker gar nicht profiliert, und na ja, das ist jetzt ein Austragsstüberl so ein bisschen für einen Verdienten, dem man auch mit einem guten Job den Mund stopfen will, und nun ... Das hat sie ihm angeboten, dem Roland Koch, der ja schon durchaus ihr Rivale war und der auch für einen gewissen Teil politischer Klientel stand, den Merkel selber nicht erreicht. Und ja, klar, dann muss man sagen, guck mal, der Koch hat der das ein Jahr lang gesagt und sie hat ihm nichts geboten, na ja, da landet schon ein Vorwurf von Führungsschwäche auch wieder bei Frau Merkel.

Scholl: Was ist das aber nun für ein doch merkwürdig zwiespältiger Mechanismus in so zahlreichen journalistischen Reaktionen - froh darüber zu sein, dass Koch geht und zugleich der Reflex, na, der wird uns jetzt aber fehlen? Was geht denn da vor sich?

Küppersbusch: Es gibt diese makabre Statistik, wonach die Nummer zwei nach Adolf Hitler auf dem Titel des "Spiegels" lange Jahre Franz Josef Strauß war, und das war eine Zeit, als der "Spiegel" noch unmittelbar von Augstein selbst geprägt wurde, also noch nicht so eine neoliberale und manchmal auch durchaus konservative Position vertrat wie heute mitunter. Also das ist eine, ja, Hassliebe sagt man dann. Diese Medien brauchen Polarisierungsfiguren, die so etwas machen, wie Koch es gemacht hat. Eine Umfrage gegen Ausländer, wo man sagt, so was sollte die NPD machen, weil die kann man wenigstens direkt hassen, oder mitten im Wahlkampf eine Kampagne über die Kriminalität ausländischer Jugendlicher loszubrechen. Auch das wünscht man sich eigentlich in einer Partei, die nicht mehr demokratisch legitimiert ist, damit solche Positionen nicht gestärkt werden und zum gesellschaftlichen Unfrieden führen. Und ja, um sozusagen richtig geradeaus auf den gefühlten Gegner einhassen zu können, ist es natürlich schlecht, wenn der amorph ist, wenn das eine wabbelige Masse ist. Dann ist es gut, wenn er personalisiert ist. Und in der Hinsicht hat Koch gerne dem liberalen und linken Lager den Lieblingsrechten gegeben und hat er sicherlich auch manchem, der in Hamburg einen schwulen, weltoffenen, netten Kerl für die CDU wählen musste oder der im Saarland nie ganz sicher sein konnte, ob er CDU wählt und Grün kriegt, hat er manchem geholfen, CDU zu wählen, weil er sagte, na ja, so indirekt wähle ich ja auch die Partei eines Roland Koch, der sehr für Menschenrechte ist, wenn sie bitte in Tibet stattfinden.

Scholl: Roland Koch geht, wird er uns mal fehlen? Im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur ist der Journalist Friedrich Küppersbusch. Stichwort Franz Josef Strauß: Also dieses Denkmal steht ja schon längst, und drübersteht: Er war wirklich eine Marke. Die Frage ist jetzt, ob da die Anhänger von Roland Koch auch schon meißeln. Ich meine, nostalgisch wird ja immer erinnert an diesen großen, wuchtigen Figuren, so auch Herbert Wehner war so einer oder Heiner Geissler früherer Tage, als er noch richtig giftig war. Brauchen wir solche provokante Gestalten, um sie, wenn sie dann provozieren, aber genau dafür dann schön verurteilen zu können?

Küppersbusch: Ja, also ich überlege mir, was, wenn ich jetzt sozusagen zwei Schattenkabinette nebeneinanderstelle. Das eine ist dieser legendäre Andenpakt, der jetzt noch mal viel zitiert wurde, das ist so die Erbengemeinschaft Kohl, und wer an den packt, an den Andenpakt, der kriegt auf die Finger. Das ist Oettinger, der ist weg. Das ist Merz, der ist weg. Das war Pflüger, Friedbert Pflüger, der hat sich ein bisschen selbst abgeschafft. Das ist Rüttgers, der möglicherweise gerade dabei ist, sich abzuschaffen, und der vielleicht nicht unwesentlich Ursache auch für den Abgang Kochs ist, denn die Irritationen, was wird jetzt eigentlich im Bundeskabinett, kommt Rüttgers anstelle des kränkelnden Schäuble, oder wird de Maizière Schäuble und dann ist ein Platz für Koch als Innenminister frei? Wissmann ist inzwischen Lobbyist, Franz Josef Jung hat sich einmal für Koch geopfert und wurde dann noch mal für die Afghanistanpolitik ein zweites Mal abserviert. Volker Rühe hat es gar nicht in die neue Zeit geschafft. Christian Wulff muss aufpassen, nach auch persönlichen Querelen, dass er einfach Ministerpräsident in Niedersachsen bleibt. So kann man die Liste ... Das ist ein Kabinett, und dieses Kabinett ist eigentlich nicht linker und nicht rechter, es ist vielleicht ein bisschen ältlicher als das, was tatsächlich der engere Kreis um Frau Merkel ist: Pofalla, Röttgen, Grohe, Schavan, von der Leyen. Das ist ein bisschen moderner und es ist eine andere CDU. Die knochigen Typen, die Sie ansprechen, der Strauß war sicherlich urig, aber mit einem Riesenkredit für die DDR, wo er sich sozusagen auf der Brille in die Hose seine komplette Lebenspolitik widerrufen hat, ja durchaus auch äußerst kritikwürdig. Man wünscht sich die ein bisschen zurück. Da ist Nostalgie drin, in den Zwischenrufen von Herbert Wehner. Wenn ich heute Jürgen Todenhöfer sehe und er spricht klug und weise über Afghanistan, dann muss ich immer noch denken: Ja, Hodentöter! Das war ein Zwischenruf von Herbert Wehner, für den er ordentlich Strafe vom Sitzungspräsidium bekommen hat. Werner hat auch Düffeldoffel gesagt, wenn ihn was geärgert hat. Also es war teilweise auch gerade mal erste Grundschulklasse, was der so rausgehauen hat. Man soll die vielleicht nicht so früh auf ein Denkmal stellen.

Scholl: Ich meine, was ...

Küppersbusch: Koch, mit 52 Jahren Denkmal, können wir noch drüber streiten.

Scholl: Ich meine, das wäre die Frage, also was damals auch oft pure Ideologie war. Ich meine, wir erinnern uns auch an Heiner Geissler. Heute rennt er als Weltweiser und als Attac-Ehrenmitglied rum, und damals war er also, glaube ich, die Hassfigur für alle Linken mit seinem Ultrakonservatismus. Man erinnert sich, was weiß ich, Pazifismus ist für Auschwitz verantwortlich und so. Also damals pure Ideologie, rhetorisch geschickt und oft richtig gemein, wird dann so im Geschichtsprozess zum Profil, zur Kontur, also vom Sausack zum Urgestein gewissermaßen. Läuft so die Chose bei Roland Koch ähnlich?

Küppersbusch: Ich glaube, er ist dafür zu jung. Ich will jetzt auch nicht auch noch ein bisschen was reingeheimnissen, was da in den, ja, Rente mit 67, 15 Berufsjahren, die er noch vor sich hat und von denen er versprochen hat, dem Steuerzahler nicht pensions- und diätenmäßig auf der Last zu liegen. Was der da noch alles anstellen kann - ich glaube, man könnte auch eine Sekunde an Lafontaine denken, der aus Wut darüber, dass das dann der Kanzler, die Kanzlerin nicht so gemacht hat, wie er das wollte, hingeschmissen hat. Ich glaube nicht, dass Koch mit einer neuen Partei zurückkommt. Ich kann mir vorstellen, dass Frau Merkel in Not gerät, und es wird ein Retter von außen gesucht. Dass dann manche nach Koch rufen, so wie Schönbohm zum Beispiel, so vom, na ja, doch ein bisschen national-konservativ-völkischen Flügel der CDU, dass die dann nach Koch rufen und dass es seinem Nachruhm sicherlich gut tut, nicht bei der nächsten Wahl einfach zu verlieren. Man darf nicht vergessen, 99 hat er mit dieser sehr fragwürdigen, suspekten Umfrage gegen Ausländer eine Wahl gewonnen. Das ist heute in seiner Partei nicht mehr durchsetzbar. Schauen Sie sich, also von Rösler angefangen, das Kabinett an, so kann ein konservativer, weltoffener Politiker nicht mehr vorgehen. Er hat 2003 von der eminenten Schwäche von Rot-Grün damals profitiert und 2008 hat er einfach die Wahl verloren. Und dann hat der Gegner sich den Ball freundlicherweise selbst ins Netz gehauen.

Scholl: Bleiben wir noch mal bei der Parteipolitik kurz, Herr Küppersbusch. Also was wird denn der CDU fehlen durch seinen Weggang? Also heute tönt es in der "FAZ": Leute, er war gar nicht konservativ. Hallo?

Küppersbusch: Ja, wie gesagt, in Tibet war er enorm fortschrittlich. Die CDU hatte immer dieses Glück, dass sie nicht wie die SPD alle 20 Jahre eine brutalstmögliche Abspaltung, damals die Grünen, jetzt große Teile ihres Gewerkschaftsflügels hinnehmen musste, obwohl sie darin noch nie so nah war wie jetzt mit dieser Partei, die mit schwulen Ministerpräsidenten, mit unverheirateten Damen, mit einer ja durchaus moderat-sozialdemokratischen Fortführung der Agendapolitik - jetzt müssten wir streiten, was Agenda eigentlich mit Sozialdemokratie zu tun hat -, aber die so in der Mitte langtrudelte. So angreifbar von rechts war die CDU lange nicht und wir wissen ja nun leider auch, was weiß ich, denken Sie an den Minarettstreit in Köln, dass es auf einzelnen populistischen Themen möglich ist, politische Gruppierungen zu schmieden, die dann deutlich über die fünf Prozent kommen. Das ist ein Potenzial, das Koch gebunden hat, und ich bin weit davon entfernt, mir jetzt - Franz Walter sagt das zum Beispiel heute - nachgerade zu wünschen, dass sich doch jetzt mangels ja rechtskonservativer völkischer Orientierung in der CDU rechts von der CDU eine Partei gründen möge. Denn was dann verbalisiert kommt, also welche Eiterblasen dann alle ins Mikrofon rülpsen dürfen, das möchte ich nicht hören. Das können wir uns auch, haben wir uns bei Haider, bei Pim Fortuyn in unseren Nachbarländern anhören können, und nee. Ja, dann werde ich auch nostalgisch und sage, Herr Koch, kommen Sie zurück, reden Sie bitte Unsinn in der CDU, bevor es außerhalb ein Schlimmerer tut.

Scholl: Herr Küppersbusch, wenn Sie einen Satz hätten, den Sie Herrn Koch nachrufen könnten, wie lautet der?

Küppersbusch: Kam der Koch und nahm sie doch. Vielleicht gelingt es Koch innerhalb der CDU - also aus der Partei austreten wird er ja nicht -, ja, so eine kleine komfortable One-Man-Show zu werden, wie es Geissler ja auch ist, und das Potenzial zu binden. Ich habe keine Lust auf eine: Koch war der Grund, warum wir eine rechtsradikale Partei gegründet haben, die in den Parlamenten landet. Den Gefallen könnte er uns tun. Nun bin ich wahrscheinlich nicht gerade der, der ganz oben auf der Liste von Koch ist, dem er jetzt mal einen Gefallen tun möchte.

Scholl: Die Causa Roland Koch. Das war Friedrich Küppersbusch. Ich danke Ihnen!

Küppersbusch: Gerne, Herr Scholl, gerne!
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