Künstler James Bridle in Berlin

Wie man ein selbstfahrendes Auto in die Falle lockt

Ein Kreis aus Salz: Der Künstler James Bridle zeigt in der Kreuzberger Galerie Nome, wie man selbstfahrende Autos austrickst.
Ein Kreis aus Salz: Der Künstler James Bridle zeigt in der Kreuzberger Galerie Nome, wie man selbstfahrende Autos austrickst. © Deutschlandradio / Lotta Wieden
Von Lotta Wieden · 24.04.2017
Zwei Kreise auf dem Boden reichen, um ein selbstfahrendes Auto lahm zu legen. Das zeigt der Künstler James Bridle in seiner neuen Ausstellung. Eine Kritik an unserem blinden Vertrauen in Maschinen.
James Bridle pappt doppelseitiges Klebeband auf den blank geputzten Boden der Galerie, formt einen Kreis. Dann kippt er Salz darüber - viel Salz. Bis ein großer weißer Ring entstanden ist. Um diesen Ring herum klebt Bridle einen zweiten, diesmal jedoch ist die weiße Kreislinie in regelmäßigen Abständen unterbrochen - so wie eine gestrichelte Straßenmarkierung. "Autonomous trap" heißt diese Arbeit: Autonome Falle.
James Bridle: "Die Falle funktioniert, weil das selbstfahrende Auto gelernt hat, dass es über eine gestrichelte weiße Linie drüber fahren kann, aber nie über eine durchgezogene Linie - die im Straßenverkehr ja eine Art Überholverbot anzeigt. Das bedeutet: Ein selbstfahrendes Auto könnte also in diesen Doppelkreis hier hinein fahren, aber sobald es in der Mitte angekommen ist, ist es von einer durchgezogenen, weißen Linie umgeben - kann es nicht mehr hinaus."
In einem Video, das James Bridle erst kürzlich ins Netz gestellt hat, sieht man denn auch, wie sich ein scheinbar selbstfahrendes Auto auf einen solchen zweifachen Salzring zubewegt und - in der Mitte angekommen - regungslos stehen bleibt.
"Wenn ich anfange mit einer Sache, dann weil ich von etwas fasziniert bin, und meist dauert es Monate bis ich rausfinde, was genau es ist. Das war bei den selbstfahrenden Autos auch so. Die Technologien für diese Autos werden bald zu massiven Veränderungen führen: auf unsere Straßen, in unseren Städten, in unserem Leben. Aber bisher haben wir über diese Veränderungen und wie wir damit umgehen wollen kaum diskutiert."

Widerstand gegen Überwachung

James Bridle ist 36 Jahre alt, Informatiker, Linguist, Philosoph, Schriftsteller, Künstler. Ganz in schwarz gekleidet begrüßte er die ersten Gäste in der Ausstellung. Einziger Schmuck: ein Piercing am rechten Ohr. Und: dunkelrot lackierte Fingernägel. Bridles Themen sind die Überwachung und Digitalisierung unseres Alltags - und der Widerstand dagegen.
"Widerstand ist so wichtig: weil wir sonst machtlos sind. Und wenn die einzigen, die solche komplexen Technologien beherrschen, große Unternehmen sind oder Regierungen, dann wir haben keine demokratische Basis mehr dafür, wie sich Gesellschaften verändern."
In diesem Sinne sind auch Bridles Vorgänger-Arbeiten zu verstehen: Etwa wenn er die Umrisse von Überwachungsdrohnen auf Straßen und Plätze von Großstädten rund um den Globus zeichnet – einfach, um uns eine Vorstellung von deren realer Größe zu geben.
"Ich sehe meine Aufgabe als Künstler darin, zu verstehen, was um uns herum passiert. Und bei diesen neuen Technologien ist es so, dass man sie, um sie zu begreifen, tatsächlich selbst bauen können muss. Nur so kann man dann eben auch Ideen entwickeln, wie man diese Technologie ausschalten kann oder um-nutzen."

Maschinen sehen die Welt anders als wir

Um die Logik eines selbstfahrendes Autos zu verstehen und zu überlisten, hat Bridle selbst mit Autos experimentiert, hat Kameras und Sensoren eingebaut, eine eigene Software geschrieben und dabei unter anderem gelernt, wie ein Auto auf unsere Welt "schaut".
"Natürlich, Maschinen sehen nicht, sie absorbieren Daten. Und je intelligenter Software ist, desto weniger bekommen wir davon mit. In der Ausstellung hier zeige ich auch diese Fotoserie: Am Anfang hat man einen Blick durch die Frontscheiben, so wie ein Mensch die Straße sieht. Und dann lösen sich dich diese Bilder immer mehr auf, in Pixel und Rohdaten. Das sind Aufnahmen von der Software, die hab nicht ich gemacht. Das sind dann also nur noch Nullen und Einsen. Und was ich zeigen möchte: Wir befinden uns heute in der seltsamen Situation, dass wir den Alltag zunehmend mit Maschinen teilen, die die Welt ganz anders wahrnehmen als wir."
Es sind diese Perspektivwechsel, die das eigentlich Schöne und Interessante von Bridles Arbeiten ausmachen. Weil sie Fragen provozieren. Zum Beispiel diese: Wird man sich eines Tages allein dadurch strafbar machen können, dass man einen weißen Kreis um ein Auto herum zeichnet? Und wenn ja, wofür würde man angeklagt werden? Sachbeschädigung? Körperverletzung?

Info: Die Ausstellung "Failing to Distinguish Between a Tractor Trailer and the Bright White Sky" mit Werken von James Bridle ist bis zum 29. Juli 2017 in der Gallerie Nome in Berlin zu sehen.

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