Krippenwettbewerb in Krakau

Das Sakrale mit dem Weltlichen vereint

Krippen-Wettbewerb in Krakau
Krippen-Wettbewerb in Krakau © dpa / picture alliance / epa pap Bednarczyk
Von Marta Kupiec · 29.11.2015
Der Krippenwettbewerb im polnischen Krakau hat eine jahrhundertealte Tradition und ein striktes Regelwerk. Wer teilnehmen möchte, sollte ein halbes Jahr vorher mit der Bastelarbeit beginnen, fingerfertig sein und eine Menge Kleingeld zur Hand haben.
Filip Fotomajczyk schneidet aus einem alten Schuhkarton zwei ungleiche Türme. Anschließend beklebt er sie mit winzigen Streifen aus Glanzpapier. Sie sehen den Ziegelsteinen der Krakauer Marienkirche täuschend ähnlich, nur das Rot strahlt hier noch mehr. Vor dem 10 Zentimeter großen Bauwerk mit kleinen Fenstern und goldenen Kuppeln wiegt die Muttergottes Maria das kleine Jesulein in ihren Armen. Der 25-Jährige will mit seinem Werk am traditionellen Krakauer Krippenwettbewerb teilnehmen. Dort gelten besondere Kriterien:
"Eine Krippe muss der Krakauer Architektur nachempfunden sein, bunt und ebenmäßig. Auch die Heilige Familie oder legendäre Persönlichkeiten wie der Krakauer Drache oder der Tatarenreiter dürfen nicht fehlen. Wer Personen der Zeitgeschichte berücksichtigt, bekommt Bonuspunkte. Gleiches gilt für die Beleuchtung und mechanische Teile."
Fotomajczyks Krippenabenteuer hat in der Grundschule begonnen. Einen Meter groß waren seine ersten Arbeiten und stapelten sich eher im Keller als vor dem Weihnachtsbaum. Seine erste Miniatur fertigte der Philosophiestudent vor fünf Jahren zum Chopin-Jahr an. Die Heilige Familie platzierte er damals auf einem Mini-Flügel und erhielt dafür den dritten Preis.
"Bei einer Miniatur muss alles akkurat sein. Oft sitze ich über einem zwei Zentimeter großen Teil zwischen zehn und 20 Stunden lang. Letztes Jahr habe ich das Dach meiner Krippe mit 3000 Dachziegeln beklebt, die nur diei Millimeter lang waren. Das ist ein Hobby, das viel Zeit und Geld auffrisst."
Ganz abgesehen von der Geduld, die die meisten Krippenbauer aufbringen müssen. Wer am Wettbewerb teilnimmt, der seit 1937 am ersten Donnerstag im Dezember vor der Marienkirche stattfindet, muss mindestens ein halbes Jahr davor mit der Arbeit beginnen. Die Basilika und andere Architektur-Perlen Krakaus werden von den Bastlern immer phantasievoller dargestellt. Spitzen, Bonbons oder Nudeln zieren die kleinen und großen Nachbauten, die als Kulisse für die Heilige Familie dienen.
Unmengen von Bastelmaterial verbraucht
Jahr für Jahr beobachtet der Franziskaner Piotr Bielenin den Ideenreichtum der Krippenbauer, die am Tag des Wettbewerbs in einem Straßenumzug ihre Arbeiten zum Adam Mickiewicz-Denkmal in der Krakauer Innenstadt tragen.
"Es macht für mich Sinn, dass in der Krakauer Krippe das Sakrale mit dem Weltlichen vereint ist. Jesus war stets unter den Menschen. Er saß nicht nur in der Synagoge, sondern besuchte auch die Hochzeit in Kana, das Haus seiner Freunde in Bethanien oder die Kranken. Diese Krippe macht deutlich: Gott ist auch außerhalb der Kirchenmauern anwesend."
Auch die Krakauer Franziskaner bereiten jedes Jahr eine einzigartige Krippe vor. Die Idee geht auf den Heiligen Franziskus zurück, erklärt Bielenin.
"Bei uns gibt es die sogenannte 'lebendige Krippe' mit echten Menschen und Tieren. Die Heilige Familie, Schäfer, Drei Könige und natürlich Esel, Pferde oder Hühner – alle sind da. Vor einigen Jahren sind uns einige Tiere entlaufen. Die Ausbrecher wurden in der Stadtmitte gestoppt."
Viele seiner Mitbrüder bauen auch Krippen nach Krakauer Art, sagt Bielenin. Dabei werden Unmengen von Bastelmaterial verbraucht.
Stanniolrollen, Kurzwaren, Schachteln mit Perlen und ein Berg aus Pappe stapeln sich auch in der Wohnung von Dariusz Czyz. Er baut Krippen in dritter Generation und verdient sogar seinen Lebensunterhalt damit. Seine Arbeiten aus 30 Jahren finden sich in einigen Privatsammlungen in den USA, Belgien, Österreich und Deutschland.
"Letztes Jahr besuchte mich ein Österreicher aus Tirol, er kaufte mir eine Krippe ab. Mein Großvater war Experte im Krippenbau und wurde oft nach Deutschland eingeladen. Meine erste Arbeit entstand unter seiner Anleitung, als ich fünf Jahre alt war. Auch meine Mutter, meine Tante und mein Vater bauten Krippen."
Vom Großvater, der oft auf dem Siegerpodest stand, lernte Dariusz Czyz nicht nur die Arbeitstechnik. Er zeigte ihm, wie spannend die Verschmelzung der Krakauer Geschichte mit einem religiösen Symbol – der Krippe – sein kann. Eine der letzten Arbeiten von Czyz beweist es.
"In dieser Arbeit vereinte ich zwei Ereignisse: die Heiligsprechung von Johannes Paul II. und das 600-jährige Jubiläum der Jagiellonen-Universität. Sie sehen hier das berühmte Papstfenster am Bischofspalast, auch Porträts von Uni-Professoren. Die Türme der Marienkirche sind immer da."
Und natürlich darf die Heilige Familie nicht fehlen – sie hat unter dem goldenen Dach der Sigismund-Kapelle Schutz gefunden.
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