Krim-Krise

    Mögliches Ende der Eskalationsspirale

    25.03.2014
    Trotz dem G8-Ausschluss will Russland die Kontakte mit den führenden Industriestaaten weiterführen. Auf der anderen Seite soll es schärfere Sanktionen des Westens nur bei weiteren Schritten Putins geben. In der ukrainischen Führung zeigen sich indes Zerwürfnisse.
    In der Krim-Krise deutet sich ein Ausstieg Russlands und des Westens aus der Eskalationsspirale an. Nach dem Ausschluss Russlands aus der Gruppe führender Industrienationen (G8) sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin am Dienstag, Russland sei bereit, seine Kontakte mit den Staaten auf allen Ebenen weiterzuführen, auch auf höchster Ebene. Auf der anderen Seite unterstrich der britische Premier David Cameron zwar, der Westen nehme die Eingliederung der Krim nicht hin. Schärfere Sanktionen würden jedoch nur ergriffen, wenn Putin weiter gehe.
    Auf einem Treffen der G7-Staaten - USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan - in Den Haag seien die Beteiligten laut Aussagen aus Delegationskreisen darin einig gewesen, dass eine russische Intervention im Osten oder Süden der Ukraine weitere Schritte auslösen würde. Aktuell habe niemand schärfere Wirtschaftssanktionen gegen Russland gefordert. Die USA sicherten der Ukraine jedoch zu, dass sie die Angliederung der Krim an Russland nicht akzeptierten.
    Russische Truppen an der ukrainischen Grenze
    Auch aus der russischen Regierung gab es versöhnliche Gesten: Außenminister Sergej Lawrow sprach erstmals mit seinem ukrainischen Kollegen Andrij Deschtschizia - obwohl Russland die gegenwärtige Regierung der Ukraine nicht anerkennt. Laut dem ukrainischen Außenministerium habe Lawrow gesagt, Russland wolle in den östlichen und südlichen Regionen der Ukraine keine Gewalt anwenden. Außerdem seien beide Seiten übereingekommen, keine weitere Eskalation auf der Krim zuzulassen.
    Ungeachtet dessen marschieren offenbar russische Truppen an der ukrainischen Grenze auf. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen zeigte sich darüber "sehr besorgt". Er sagte: "Allen Nato-Mitgliedern können wir versichern, dass wir bereit sind für eine effektive Verteidigung." Die Pläne dafür lägen bereit. Die Pläne dafür lägen bereit. Russland sprach von einer Routine-Übung seiner Truppen.
    Rücktritt des ukrainischen Verteidigungsministers
    In der ukrainischen Führung zeigen sich sich indes Zerwürfnisse. So trat Verteidigungsminister Ihor Tenjuch am Dienstag zurück. Er hat der ukrainischen Übergangsregierung einen großen Imageschaden zugefügt, berichtet Jörg Kellermann. Tenjuch war wegen des Abzugs der Truppen von der Krim in die Kritik geraten: Er zögerte zu lange mit der Entscheidung dieser Frage und ließ sie wochenlang im Unklaren. Diejenigen, die Zweifel äußerten, nannte er Verräter. Zum neuen Als Nachfolger wählte das Parlament in Kiew den Generaloberst Michail Kowal.
    Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl forderte Kandidat Vitali Klitschko die Entlassung des Interimspräsidenten Alexander Turtschinow. Klitschko kritisierte, die Regierung arbeite ineffektiv. Zudem würden nicht alle an der Koalition beteiligten Kräfte, darunter auch seine Partei Udar, in Entscheidungen einbezogen. Die Abgeordneten der Obersten Rada lehnten daraufhin jedoch mit großer Mehrheit einen von Turtschinow angebotenen Rücktritt ab.
    "Dem Dreckskerl in den Kopf schießen"
    Für Wirbel sorgte auch ein vermutlich abgehörtes Telefonat von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, das bei YouTube veröffentlicht wurde. In dem Gespräch mit Nestor Schufritsch von der prorussischen Partei der Regionen sagte die Politikerin über Kremlchef Wladimir Putin: "Ich bin selbst bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und dem Dreckskerl in den Kopf zu schießen."
    Timoschenko bestätigte bei Twitter die Echtheit des Mitschnitts in weiten Teilen. Eine Passage, wonach sie den Einsatz von Atomwaffen gegen die russische Minderheit in der Ukraine gefordert haben soll, sei allerdings manipuliert worden. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Ex-Ministerpräsidentin der Ukraine bei der Präsidentenwahl am 25. Mai antritt. Kritiker erklärten, der Mitschnitt könnte Teil ihrer Wahlkampagne sein, um Sympathiepunkte im antirussisch geprägten Westen des Landes zu sammeln.
    Todesopfer und Foltervorwürfe
    Bei einem Polizeieinsatz in der westukrainischen Stadt Rowno wurde Alexander Jusytschko erschossen, ein führendes Mitglied der militanten Gruppe Rechter Sektor. Das Innenministerium betonte, der als "Saschko Bilyj" bekannte Aktivist habe bei einem Festnahmeversuch das Feuer eröffnet. Örtliche Medien berichteten hingegen, Einsatzkräfte hätten den überwältigten Musytschko mit gezielten Schüssen in die Brust ermordet. Der einflussreiche Rechte Sektor forderte den Rücktritt von Innenminister Arsen Awakow.
    Zudem hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch schwere Foltervorwürfe gegen prorussische Milizen auf der Krim erhoben. Moskautreue Einheiten hätten ukrainische Aktivisten verschleppt und tagelang misshandelt. "Seit Wochen dürfen irreguläre bewaffnete Einheiten auf der Halbinsel Amok laufen ohne offensichtliche legale Befugnis", erklärte HRW-Experte Hugh Williamson. Dies habe zu "Unsicherheit, mutwilligen Festnahmen, Verschleppungen sowie Folter" geführt.
    Ausschluss Russlands aus G8
    Bei einem Treffen der sieben wichtigsten westlichen Industrienationen (G7) am Rande des Atomgipfels am Montag in Den Haag hatte der Westen die Zügel gegenüber Russland noch einmal angezogen, berichtete Jörg Münchenberg am Dienstagmorgen. Die Staaten beschlossen, das G8-Format - also G7 plus Russland - bis auf Weiteres auszusetzen. Somit wird auch der für Anfang Juni geplante G8-Gipfel in Sotschi unter russischer Führung nicht stattfinden. Stattdessen soll es ein G7-Treffen in Brüssel geben.
    Den G7 gehören neben den USA, Japan, Kanada, Frankreich und Deutschland auch Italien und Großbritannien an. 1998 war die Gruppe durch die Aufnahme Russlands zur G8 geworden.
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    Mehr zur Situation nach dem G8-Ausschluss Russlands hören Sie in der Sendung "Ortszeit" ab 17:07 Uhr.