Konferenz "BigData - BigMovies"

Auf der Suche nach der Formel für den populären Film

Wo geht es hin: Die Filmindustrie hat Zugriff auf so viele Daten ihres Publikums wie noch nie
Wo geht es hin: Die Filmindustrie hat Zugriff auf so viele Daten ihres Publikums wie noch nie © dpa / picture aliance/ Ralf Hirschberger
Von Hendrik Efert · 24.09.2016
Das Filmpublikum ist - meist - ein stummer Haufen Konsumenten. Doch die Filmindustrie arbeitet daran, dies zu ändern und will wissen, wer was und warum sieht. Über die Rahmenbedingungen diskutiert die Branche auf der Konferenz "Big Data - Big Movies" in Potsdam.
Zu Beginn machte kein Geringerer als Justizminister Heiko Maas einige allgemeine Anmerkungen zum Thema Daten und Film: "Bei den Vorhersagen, welcher Plot am meisten Zuspruch findet, welche Zielgruppe ein Film hat oder auch, wann ein guter Starttermin ist – bei all dem können Daten helfen. Und sie sind wahrscheinlich auch ein Geheimrezept für den Erfolg, nach dem auch bei diesem Symposium gesucht wird."
Doch Maas beeilte sich, auch ein paar – zurecht - kritische Bemerkungen zu hinterlassen, schließlich macht ihn sein Amt auch gleichzeitig zum Verbraucherschutzminister. Er mahnte, dass deutsches und europäisches Datenschutzrecht zu beachten seien. Daten sollen bitte nicht wahllos gesammelt und vor allem anonym gespeichert werden. Außerdem sei auf verständliche Einwilligungserklärungen zu achten. So erwischt er auch oft sich selbst dabei, wie er ungelesen die Akzeptieren-Häkchen klicke. Die AGBs seien viel zu lang. Zugleich warnte er die Filmindustrie die menschliche Kreativität nicht an die Daten zu verlieren:
"Wenn datenbasiert dem Publikum immer nur vorgesetzt wird, was es schon kennt und schätzt, dann bleibt das Neue und Überraschende oft auf der Strecke und damit genau das, was Kino und Kunst einfach ausmacht." Ungeachtet dessen, dass Heiko Maas für seine kritischen Anmerkungen durchaus Zustimmung erntete, ging es dann weniger mit dem "Warum", sondern mit dem "Wie weiter". Sebastian Wernicke, Datenexperte einer Unternehmensberatung, führte noch einmal vor Augen, dass das neue Fernsehen die breite Lücke zwischen Publikum und Bildschirm längst überbrückt hat. Denn, so Wernicke, sowohl Amazon, als auch Netflix – die beiden größten Player im Video in Demand Fernsehen - sind Datensammelfirmen, die viel über ihr Publikum wissen: "In 2012 a very interessting experiment happend."
Amazon hatte 2012 seine erste eigene Serie produziert: "Alpha House". Diese basierte auf den Bewertungen tausender Amazonkunden. Ungefähr zeitgleich brachte Netflix "House of Cards" auf den Weg. Auch hier war die große Datensammlung des Unternehmens Grundlage für Form und Inhalt der Sendung. Überraschenderweise floppte Amazons "Alpha House", wohingegen House of Cards zum internationalen Hit wurde. "I think that Netflix just bet on the right kind of show."

Auf Big Data muss nicht immer richtig liegen

Das Beispiel zeigt, dass Big Data trotz unterschiedlicher Ergebnisse einen großen Einfluss auf Serien hat, denn auch Amazon hält weiter an der datengetriebenen Produktionsweise fest. Eines allerdings ist klar: Viele Firmen wollen es der Filmindustrie erleichtern, Daten ihrer Konsumenten zu sammeln, um damit bessere und vor allem lukrativere Filme zu produzieren. Deshalb war auch Google dabei. Benjamin Vogler kümmert sich dort in der Deutschlandsektion um die Zusammenarbeit mit der Entertainmentindustrie. Daten die Google erhebt, werden seiner Meinung nach von der Filmindustrie noch viel zu selten ernst genommen.
Dabei ist Google, laut Vogler in der Lage, den Filmemachern beste Informationen zu liefern. So beginnt ein Kinobesuch heutzutage meistens zunächst mit eine Google- bzw. Youtube-Suche: Es werden Trailer geschaut und sehr oft die Keywords "Kino heute" und "Kinoprogramm" bemüht.
"This is something that need to be done to learn about your audience."
Die Filmproduzenten und Kinobetreiber, sollen endlich etwas über ihr Publikum lernen, kritisiert Vogler. Der sich natürlich wünscht, dass Werbeanzeigen für Filme geschaltet werden.
Die Industrie selbst kam erst ganz am Ende zu Wort, beim großen Abschlusspanel: Jan Mojito, einer der bedeutendsten deutschen Filmproduzenten, Frank Jastfelder, Dramachef von Sky Deutschland, Sabine DeMardt von Warner Bros. Deutschland und Marvin Lange, Chef des deutschen Streaminganbieters Maxdome. Sie sollten Auskunft geben darüber, inwieweit Big Data ihren Erfolg in der Produktion von Filmen und Serien beeinflusst. Jan Mojito:
"The Key Element after 40 years in the industry are the people, who are behind the projects: actors, producers, writers, creators and so on..."

Nutzerdaten als Grundlage für Filmproduktion?

Seine neue Großproduktion "Babylon Berlin" sei eine völlig irrationale Entscheidung gewesen. Auch nach 40 Jahren in der Industrie seien weiterhin die Menschen und ihre kreativen Leistungen der wichtigste Faktor. Und da stimmten ihm ausnahmslos alle in der Runde zu. Sogar Sky-Mann Jastfelder, der Babylon Berlin koproduziert und eigentlich durch das Abo-Modell seines Senders einen wunderbaren Datensatz über seine Kunden besitzt:
"I am afraid that we are kind of a data free zone."
Eine datenfreie Zone seien sie im Drama-Department von Sky, sagt Jastfelder. Was wirklich verwundert.
Nutzerdaten für die Produktion und Vermarktung von Filmen und Serien zu nutzen, spielt in Deutschland wohl noch keine Rolle. Auch Sabine deMardt von Warner Bros. bestätigte, dass in ihren Produktionen keine data intelligence einfließe. Noch nicht einmal in ihre aktuelle Produktion: die erste deutsche Serie für Amazon von und mit Matthias Schweighöfer.
"But we touched that topic, our goal was to deal contentwise with the topic."
In der Serie wird es inhaltlich um Datenklau gehen. DeMardt freute sich, dass diese Idee nicht aus echten Daten entstanden sei. Und bei Amazon trotzdem platziert wird. Der Wunsch von Heiko Maas ein datengestütztes Geheimrezept für erfolgreiche Filme zu finden, wurde heute also nicht erfüllt.
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