König-Abdullah-Zentrum in Wien

Riads Feigenblatt

Stadtansicht von Wien
Das König Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog in Wien steht in der Kritik. © imago/blickwinkel
Von Stefan May  · 23.08.2015
Das König-Abdullah-Zentrum in Wien soll den Dialog zwischen den Religionen und gegenseitigen Respekt fördern. Doch das Projekt ist umstritten. Denn Hauptgeldgeber ist ausgerechnet Saudi-Arabien, wo man von religiöser Toleranz nicht viel hält.
Ein nobles Palais an der Wiener Ringstraße ist die Heimstätte des KAICIID. Die Abkürzung steht für "König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog". Über dem Eingang wehen die Fahnen von Saudi-Arabien, Spanien, Österreich und des Vatikans. Es handelt sich um die Gründungsstaaten des Zentrums. Sprecher Peter Kaiser nennt als Hauptziel: Respekt zu schaffen zwischen den Religionen und Kulturen durch Dialog. Und er betont die Unabhängigkeit des Zentrums.
"Keine einzige Religion und keine einzige Regierung kann uns sagen, was wir vornehmlich machen sollen. Sie müssen alle im Konsens vorgehen."
Als aber Anfang dieses Jahres der saudische Blogger Raif Badawi wegen eines Plädoyers für Religionsfreiheit in seiner Heimat zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden war, blieb das Zentrum stumm. Peter Kaiser begründet dies mit einer grundsätzlichen Entscheidung des neunköpfigen Direktoriums, in dem die fünf großen Weltreligionen – Christentum, Islam, Judentum, Buddhismus und Hinduismus - vertreten sind.
Wes Brot ich ess', des Lied ich sing
"Da wurde darauf verwiesen, dass wir als Dialogzentrum unsere Arbeit nur dann verrichten können, wenn alle mit am Tisch sind. Und wir dürften niemanden vom Tisch verweisen. Demzufolge formulieren sie ihre Ansichten an diesen Sachen durch Dialog mit allen Parteien als Mediator. Insofern sind sie nicht in der Rolle eines Richters, sondern in der Rolle des Mediators. Und der Mediator selbst nimmt nicht direkt Stellung."
Andererseits wagte sich das Zentrum sehr wohl mit Verurteilungen an die Öffentlichkeit: Dies legt die Vermutung nahe, dass das Zentrum dort wegschaut, wo es dem saudischen Königshaus unangenehm werden könnte. Die Tatsache, dass das Zentrum fast ausschließlich von Saudi-Arabien finanziert wird, erinnert an die Weisheit "Wes Brot ich ess`, des Lied ich sing`". In Österreich hat dies allerorten Kritik hervorgerufen, auch in den beiden Regierungsparteien. Doch während die konservative ÖVP unter Verweis auf die guten Wirtschaftsbeziehungen zu Saudi-Arabien das Zentrum vorerst nicht antasten wollte, dachte die sozialdemokratische SPÖ mit Bundeskanzler Werner Faymann an der Spitze über eine Schließung nach. Doch so einfach geht das laut dem stellvertretenden Generalsekretär von KAICIID, Alvaro Albacete, nicht.
"Es liegt an Österreich, ob es in der Organisation weitermachen will oder nicht. Aber ein einzelnes Mitgliedsland kann nicht entscheiden, ob es das Zentrum selbst weiterhin geben soll. Denn es gehört nicht einem Mitglied der Organisation, sondern allen. Diese Entscheidung muss einstimmig von allen Mitgliedstaaten getroffen werden."
Werden mit dem Zentrum Menschenrechtsverletzungen bemäntelt?
Das mag auch der Grund sein, warum nach ersten starken Worten in der Öffentlichkeit Stellungnahmen von SPÖ und ÖVP nicht zu erhalten sind. In fast abgesprochen wirkender Einmütigkeit werden Interviewanfragen von den zwei Regierungsparteien schlicht ignoriert. Im April haben sich die Gründungsmitglieder auf eine Neuaufstellung des Zentrums geeinigt, die aber am Grundmandat nichts ändern wird. Kritiker meinen, das Zentrum sei deshalb von Saudi-Arabien gegründet worden, um die Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land zu bemänteln. Dass just ein Land, in dem keinerlei Pluralität im Glauben erlaubt ist, außerhalb seiner Grenzen für die Toleranz der Religionen eintritt, beurteilt Alvaro Albacete ausweichend:
"Ich würde die Frage umdrehen: Meinen Sie, dass es besser wäre, das Dialogzentrum nicht zu haben statt es zu haben? Ich meine, wenn jemand sich dazu entscheidet, einen Schritt vorwärts zu gehen, sollten wir dies als Mittel betrachten, den Blick nach vorne zu richten und nicht in die Vergangenheit."
Seitens des Zentrums wird auf die eigene Tätigkeit als Vermittler von interreligiösem Dialog vor allem im Raum Irak-Syrien, aber auch in der Zentralafrikanischen Republik oder in Nigeria verwiesen. Erstmals in der Geschichte würden die Weltreligionen gemeinsam für Frieden und Gespräch miteinander sowie für die Menschenrechte eintreten, sagt Peter Kaiser und betont, wie bitter notwendig eine solche Einrichtung in Zeiten von Gewalt im Namen der Religion sei. Und dass Brückenbauen eben lange Zeit benötige.
"Wir halten uns für Pioniere. Und das ist niemals einfach."
Mehr zum Thema