Klassisches Königinnendrama als psychologisches Kammerspiel

Gesehen von Roger Cahn · 17.09.2009
Nicht triumphal, aber intelligent und gekonnt hat Barbara Frey ihre Intendanz am Zürcher Schauspielhaus eröffnet: Sie inszeniert Schillers großes Duell der Königinnen "Maria Stuart" in der rohen Schiffbauhalle als Psychodrama.
Keine grossen Gesten, keine langen Monologe, Maria nicht als Opfer und Elisabeth nicht als Täterin. Das Ausstattungsstück auf gute zwei Stunden und magere zehn Personen reduziert - das ist nicht Schillers "Maria Stuart" wie man es am Gymnasium gelehrt und gelernt hat.

Barbara Frey hat eine eigene Lesart gesucht und eine packende Lösung gefunden: Die beiden Stiefschwestern sind sich äusserlich zum Verwechseln ähnlich, ihre Auseinandersetzung dreht sich um Nähe und Distanz, Liebe und Hass, Leben und Tod. Als Spielbälle benutzen sie sieben Männer, die ihnen teils hörig zu sein scheinen, teils hoffen, durch ihre Nähe an Macht und Einfluss zu gewinnen.

Carolin Conrad als Elisabeth zeigt eine in sich gebrochene, unsichere Frau, die krampfhaft Liebe und Anerkennung sucht, die sich erst dann zur Tat entschliesst, wenn sie keinen Ausweg mehr aus ihrer Verzweiflung sieht. Im direkten Wortduell mit ihrer Stiefschwester ist sie die Unterlegene.

Jördis Triebel als Maria Stuart spielt ihre Überlegenheit souverän aus; jedes Wort eine Pfeilspitze - an ihrer Intelligenz prallen alle schutzlos ab. Da gibt's wirklich nur einen Ausweg für die englische Königin: Die gefährliche Rivalin muss beseitigt werden. Diese nimmt den Tod so souverän an, wie sie jedes Problem in ihrer Gefangenschaft zu meistern scheint: ohne Pathos, ohne Schiller'sches Hohelied an die Freiheit. Am Ende des Stücks steht Elisabeth da, alleine und verlassen in ihrer Welt. Arme englische Königin. Das geht unter die Haut.

Man stellt sich den ganzen Abend lang nur eine Frage: Weshalb die große, leere Halle im Schiffbau und nicht die intime Pfauenbühne für diese Inszenierung? Barbara Frey bleibt künstlerisch die Antwort schuldig. Die Eröffnungspremiere als politisches Bekenntnis zum umstrittenen, weil finanziell gefährdeten Zürcher Spielort genügt nicht.

Fazit: "Maria Stuart" einmal anders - gottlob.

Maria Stuart
von Friedrich Schiller
Premiere am 17. September im Schiffbau/Halle am Zürcher Schauspielhaus
Regie: Barbara Frey