Kita-Streiks

Der gesellschaftliche Kredit ist aufgebraucht

Proteste in Köln am 13.06.2015
Sind mit dem Schlichterspruch nicht zufrieden: die Kita-Beschäftigten. © dpa/picture-alliance/ Henning Kaiser
Von Ludger Fittkau · 08.08.2015
Als die Beschäftigten in den Kindertagesstätten im Frühjahr für eine Aufwertung ihrer Arbeit streikten, gab es viel Verständnis. Ob das jetzt wieder der Fall sein wird, nachdem die Gewerkschaftsbasis den Schlichterspruch abgelehnt hat, sei fraglich, so Ludger Fittkau.
Es ist ein Paukenschlag, der nicht ganz überraschend kommt. Die betroffenen Erzieherinnen an der Gewerkschaftsbasis akzeptieren den Schlichterspruch nicht, den die früheren Politiker Herbert Schmalstieg (SPD) und Georg Milbradt (CDU) nach wochenlangen Kita-Streiks im Juni vorgelegt hatten. Die Kita-Pädagoginnen und Pädagogen schlugen auch die Warnungen in den Wind, die vom mächtigen ver.di -Chef Frank Bsirske vor der Basisabstimmung kamen. Bsirske hatte deutlich gemacht: Bei einem Nein zum Schlichtungsergebnis wird der Wind künftigen Streikposten vor der Kita womöglich rauer ins Gesicht wehen als im Frühjahr.
Viele Eltern waren ja ohnehin nach wochenlangen Improvisationen in Sachen Kinderbetreuung schon ziemlich am Ende mit ihrer Geduld. Ob sie mögliche neue Streikwochen in den Kitas wieder solidarisch mit den Streikenden hinnehmen werden, ist fraglich. Das weiß auch Verdi-Chef Bsirske. Dennoch hat gerade er mit dieser Tarifrunde große Erwartungen geweckt, die der Schlichterspruch einfach nicht einlöste. Es ging eben nicht nur um ein paar Prozentpunkte mehr in der Lohntüte. "Wir sind es wert" - das war der Slogan, mit denen die Kita-Kräfte auf die Kundgebung zogen. Es ging um eine grundsätzliche Aufwertung der Pädagogenarbeit im Vorschulbereich. Es ging um das Ziel einer langfristigen tariflichen Gleichstellung mit Grundschullehrern.
Unterstützung sorgte zeitweise für Euphorie
All das bietet der Schlichterspruch nicht annähernd. Der Frust darüber war an der Gewerkschaftsbasis enorm groß. Die im Kitabereich aktiven Verbände Verdi, GEW und der Deutsche Beamtenbund hatten vom großen Kita-Streik im Frühjahr zunächst sehr profitiert. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder stieg, die Kampfbereitschaft war enorm für eine Berufsgruppe, die in der Vergangenheit nicht unbedingt an vorderster Front stand, wenn es um Arbeitskämpfe ging. Diese Mobilisierung und die große gesellschaftliche Unterstützung für die Anliegen der Erzieherinnen hatten bei den Gewerkschaften zeitweise für Euphorie gesorgt. Ein Erfolg im Kita-Kampf schien trotz der weitreichenden Forderungen möglich zu sein. Die Schlichter sorgten am Ende für enorme Ernüchterung.
Doch es sind keine skrupellosen Kapitalisten, die auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen, sondern Kommunen mit klammen Kassen. Die auch aus Sicht der meisten Bürgermeister verständlichen Forderungen ihrer Kita-Pädagoginnen stehen nicht alleine im Raum. Auch Polizisten und Feuerwehrleute kommen gerade in Hochpreisregionen mit ihren Gehältern schon seit Langem ebenso schlecht zu recht wie die Erzieherinnen. Ganz ähnlich ist die Lage in Pflegeberufen oder bei den Beschäftigten der öffentlichen Verkehrsbetriebe. Aktuell müssen die Kommunen es obendrein irgendwie hinbekommen, Flüchtlingsunterkünften für den nächsten Winter bereitzustellen.
Wie auch immer die Gewerkschafsgremien nach dem klaren Mitgliedervotum gegen den Schlichterspruch in den nächsten Tagen entscheiden werden: Sie wissen, dass der gesellschaftliche Kredit für neue Kita-Streiks weitgehend aufgebraucht ist.
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