Kinostart "Das ewige Leben"

Am Anfang steht das Arbeitsamt

Josef Hader (l.) und Wolfgang Murnberger vor der Filmpremiere von "Das ewige Leben" im Wiener Gartenbaukino
Josef Hader (l.) und Wolfgang Murnberger vor der Filmpremiere von "Das ewige Leben" im Wiener Gartenbaukino © imago/Viennareport
Josef Hader und Wolfgang Murnberger im Gespräch mit Susanne Burg · 14.03.2015
Ein bisschen abgehalftert war Privatdetektiv Simon Brenner aus den Wolf-Haas-Krimis schon immer. Im neuen Film "Das ewige Leben" ist er ganz unten angekommen: Abgebrannt und obdachlos sucht Brenner einen Mörder.
Susanne Burg: "Jetzt ist schon wieder was passiert" – so beginnen sie alle, die Brenner-Krimis von Wolf Haas um den Privat-Detektiv Brenner. Am Donnerstag kommt nun eine neue Brenner-Verfilmung in die Kinos: "Das Ewige Leben". Am Anfang steht hier das -- Arbeitsamt.
((O-Ton)) Ja, die letzten acht Jahre waren Sie nirgends angestellt. Arbeitslosengeld haben Sie auch nicht beantragt. Was haben Sie denn gemacht die ganze Zeit?...
Burg: Brenner bleibt nichts anderes übrig: Er kehrt nach Graz zurück, in die Stadt seiner Jugend und ins Haus seines verstorbenen Vaters. Dort teilt er sich mit einer Katze Dosenfutter, schläft auf dem Boden – und trifft alte Jugendfreunde. Wobei schnell klar ist, dass sich die Freude über die wiedergefundenen Freunde in Grenzen hält. Einer von ihnen stirbt. Brenner erleidet einen Kopfschuss. Und die Suche nach Tätern beginnt. So geht – verkürzt – die Geschichte dieser neuen Brenner-Verfilmung. Und wie auch schon in den anderen Brenner-Filmen zuvor, haben Josef Hader und Wolfgang Murnberger zusammen das Drehbuch entwickelt, unterstützt von Wolf Haas. Murnberger hat Regie geführt, und Josef Hader spielt den Brenner. Und beide, Wolfgang Murnberger und Josef Hader, begrüße ich jetzt in einem Studio in München. Guten Tag!
Österreichs Antwort auf Hollywood?
Josef Hader/Wolfgang Murnberger: Hallo! Guten Tag!
Burg: Es ist der vierte Brenner-Film. Hollywood setzt schon seit Jahren auf Sequels. Die Hard – Stirb Langsam 1, 2, 3, 4, die Bourne-Reihe oder die Batman-Filme. "Das Ewige Leben" ist der vierte Brenner-Film. Er hat in dieser Woche in Österreich – da läuft er schon – "Fifty Shades of Grey" von Platz eins verdrängt. Herr Murnberger, Herr Hader – sind die Brenner-Filme die österreichische Antwort auf Hollywood-Sequels? Machen Sie denen Konkurrenz?
Hader: Das muss unbedingt der Regisseur beantworten, finde ich!
Wolfgang Murnberger: Ich weiß es nicht – machen wir dem Konkurrenz? Ja, irgendwie, die Idee ist natürlich da, die Idee ist da, dass man Figuren länger zuschaut. Und das finde ich ja prinzipiell eine sehr schöne Aufgabe, dass ich einen Helden hab. Das gab es ja in den 70er-Jahren auch schon, wenn man ehrlich ist. Da gab es auch "Shaft", und da gab es den Clint Eastwood...
Hader: ..."Dirty Harry"...
Murnberger: "Dirty Harry", ja. Also, das gab es ja eigentlich eh schon immer im Kino. Figuren, die funktioniert haben beim Publikum, die hat man gern wiedergesehen, und deswegen gab es ja dann auch immer mehrere Filme davon.
Hader: Und was wir halt abdecken, ist schon auch der Bedarf, auch mal Geschichten erzählt zu bekommen, die dort angesiedelt sind, wo man selber lebt. Also man geht natürlich gern ins Kino, um fremde Planeten zu erleben oder fremde Erdteile oder Los Angeles, aber es gibt auch einen Bedarf - und das merkt man ja auch in Deutschland an der Kinolandschaft - es gibt auch einen Bedarf, mal Geschichten erzählt zu bekommen, die vor der Haustür spielen.
Rente mit 84
Burg: So richtig gut ist es dem Brenner ja noch nie gegangen, auch in den vorherigen Büchern beziehungsweise Filmen nicht. Nun beginnt der Film auf dem Arbeitsamt, und es wird klar, der Brenner ist obdachlos. Was interessiert Sie an diesem Abstieg des Brenner, dem man ja so von Film von Film beiwohnen kann?
Murnberger: Wir haben nach einem Grund gesucht, dass er nach Graz geht in dieses verfallene Haus. Und damit wir ihn so weit kriegen, dass er da diese Reise antritt in seine eigene Vergangenheit und sich interessiert für dieses verfallene Haus, weil es doch einen gewissen Wert darstellt, dafür mussten wir ihn sozusagen besonders weit unten ansiedeln, um für ihn die Motivation zu bekommen. Ich glaube, mehr war es nicht. Und auch, dass wir natürlich schon Lust hatten, den Brenner wieder älter zu machen, wieder einfach auch in einer für das Publikum etwas überraschenden Lebenssituation darzustellen, wenn er da am Pensionsamt, bei der Versicherung sitzt und erfährt, er müsste bis 84 arbeiten, um überhaupt eine Rente zu bekommen.
Burg: Sie haben eben gesagt, das Interessante ist ja auch, die Geschichten in vertrauter Umgebung, in der eigenen Heimat anzusiedeln. Brenner hat lange in Wien gelebt, für "Silentium" ist er nach Salzburg gegangen, und da hat er für die Stadt nicht so sehr viel übrig gehabt. Nun kommt er nach Graz, und ich hab immer versucht zu verstehen, welches Bild von Graz Sie eigentlich zeichnen wollen...
Murnberger: Wir haben natürlich gelernt in Salzburg. Das ist sehr düster geworden, und da waren dann die Stadtväter von Salzburg gar nicht so glücklich mit dem Film. Aber die Einwohner von Salzburg schon, weil es ist dort sehr gut gegangen im Kino. Haben wir uns gedacht, na ja, bei Graz, es war jetzt auch von der Geschichte her nicht notwendig, weil ja die Bösewichte sozusagen nicht irgendwo in einer Organisation, in der Stadt oder irgendwo gewesen wären, sondern jetzt geht es um sozusagen die Probleme, die die Figuren mit sich selber haben. Und insofern war es jetzt auch nicht so notwendig, da jetzt besonders die Grazer Polizei durch den Kakao zu ziehen oder so. Es ging uns immer mehr um die einzelnen Figuren und nicht so sehr um irgendeine Organisation.
Hader: Aber natürlich ist das ein trostloses Graz, in das der Brenner kommt, und das stimmt in Wahrheit nicht, weil Graz ist ja eine Stadt, wenn man da von Wien hinunter kommt, dann ist das eine lebensfrohe Stadt, wo die Leute draußen sitzen, Wein trinken und für uns auch einen relativ unverständlichen Dialekt sprechen. Das heißt, das ist eigentlich das erste Ausland auf dem Weg nach Italien, ja, und hat alles, nur keine Trostlosigkeit. Und wir sind da runtergefahren zu einer Zeit, wo wir ausgerechnet haben, da ist Nebel oder Regen. Und es hat nur die Sonne geschienen, und wir haben erst nachträglich, ich glaube, in der Nachbearbeitung haben wir ein bisserl mehr Trostlosigkeit hineingebracht. Das war richtig schwierig.
Die Schauspieler Tobias Moretti (l-r), Nora von Waldstätten, Josef Hader und der Regisseur Wolfgang Murnberger in München bei der Premiere des Kinofilms "Das Ewige Leben"
Zum Einrahmen: Tobias Moretti (l-r), Nora von Waldstätten, Josef Hader und der Regisseur Wolfgang Murnberger in München bei der Premiere des Kinofilms "Das Ewige Leben"© picture alliance / dpa
Burg: Brenner ist häufig in so gelblich-fahles Licht gehüllt, und meistens ist es tatsächlich dunkel. Wie viel von Brenners Zustand wollten Sie denn auch die Bildgestaltung übertragen?
Murnberger: Ja, das versuchen wir immer, also, der Stil der Films hat immer sehr viel damit zu tun, wie sich die Figuren fühlen, ja. Man kann das ganz kontrastreich machen, man kann einen total fertigen Menschen auch mal an einen Meeresstrand setzen, sozusagen den Kontrast wirken lassen. Oder man kann die Stimmungen dazu verwenden, um diese Figur einzubetten in der schlechten Stimmung.
Burg: In den anderen Romanen, Filmen ist er ja irgendwie auch noch Ermittler, auch wenn er da so mehr häufig reinstolpert. Kann man das jetzt eigentlich auch noch sagen?
Murnberger: Der Brenner findet sich wieder mit einem Loch im Kopf und ist natürlich insofern Ermittler, dass er sich fragt: wer wollte mich ermorden? Und er sucht eigentlich seinen eigenen Mörder in diesem Film. Und kommt am Schluss halt auf ein sehr dunkles Geheimnis drauf.
Von Film zu Film weniger Ermittler
Hader: Und man kann aber schon, glaube ich, sagen, dass von Film zu Film der Brenner immer weniger Ermittler geworden ist.
Murnberger: Das ist ja das, was uns am wenigsten interessiert, weil ermittelt wird ja im Fernsehen eh jeden Tag um die Wette, sag ich jetzt einmal. Und diese Sätze, die kann man ja schon nicht mehr hören: Wo waren Sie gestern um 17 Uhr 30? Dieses Ermitteln ist uns ja nie so wichtig wie die Entwicklungen der Figuren und die Abgründe, an die wir die Figuren heranführen.
Burg: Trotzdem ist es ja irgendwie ein Krimi. Es gibt Tote, eigentlich auch ziemlich absurde Verwicklungen, und es gibt einen Showdown zum Ende hin, das ich auf keinen Fall verraten will. Es ist unglaublich witzig, nur so viel, es ist die Verfolgungsjagd zweier sehr Angeschlagener und Humpelnder und einer, der kurz vorm Herzinfarkt stehen, die rennen beide hintereinander her. Wie viel Spaß hat es Ihnen denn auch gemacht, auch nach dem, was Sie gesagt haben, doch dann mit diesem Krimigenre ein bisschen zu spielen?
Murnberger: Das macht immer Spaß, wenn man sozusagen Sehgewohnheiten ins Gegenteil umkehren kann. Ja, also man sieht ja im Kino immer wieder Verfolgungsjagden, die sich immer turbulenter steigern. Und dann fliegen schon die Autos und die Lkws durch die Luft, und es wird immer schneller und immer wilder. Und wir haben uns gedacht, wir machen es genau umgekehrt. Also, wir beginnen zwar nicht sehr hoch mit der Geschwindigkeit –
Hader: Es ist ja ein österreichischer Film, also es hat österreichisches Normaltempo am Anfang.
Murnberger: Aber man könnte dann glauben, jetzt könnte man es ja noch ein bisserl steigern, der Brenner könnte irgendwann seine DS wegschmeißen und irgendwie eine Straßenmaschine verwenden. Aber wir machen halt gerade das Gegenteil, wir sagen, wir werden mit der Verfolgungsjagd einfach immer langsamer.
"Hochdeutsch ist für Österreicher wie ein Sakko"
Burg: Herr Hader, Brenner, hab ich so den Eindruck gehabt, ist noch einsilbiger geworden. Die Figur begleitet Sie ja nun auch schon einige Jahre. 2000 kam "Komm, süßer Tod" heraus. Sie sind also eigentlich sehr vertraut mit der Figur. Macht es das einfacher, sie zu spielen?
Hader: Ich glaube, dass man nicht so ganz vertraut werden kann, weil wir machen so alle fünf, sechs Jahre einen Film. Und da ist das doch auch wieder viele Jahre weg, und dann ist man in der Figur am Anfang natürlich schneller drinnen, als wenn man eine neue Figur spielt. Aber dann beginnen schon die Szenen, wo man sagen muss, das hat der Brenner noch nie erlebt, das stellt ihn vor ganz neue Herausforderungen. Das heißt, eigentlich nein. Eigentlich ist es fast so, außer zu Beginn des Films, wo man schneller drinnen ist, ist es ab da fast so, als würde man eine neue Figur spielen.
Burg: Sie sind ja auch viel in Deutschland unterwegs. Jetzt ist diese Figur des Brenner ja eine sehr österreichische. Wie können Sie eine Figur anders entwickeln, auch von der Sprache her, wenn Sie die in Österreichisch entwickeln können?
Hader: Ich glaube, dass es für jeden Schauspieler natürlich sehr angenehm ist, etwas zu spielen, was in seinem Dialekt passiert, den er von Kind auf kennt. Das ist so das Idealste, was einem Schauspieler passieren kann, dass man mit einer Sprache arbeitet, die einem so nahe ist wie das Hemd. Während Hochdeutsch ja für uns Österreicher so etwas ist wie quasi das Sakko drüber überm Hemd. Und man hat natürlich auch das Gefühl, in dieser Sprache feiner sein zu können.
Murnberger: Nuancenreich.
Hader: Ja, und die Sprache macht natürlich auch wieder viel von der Figur, und dadurch versteht man die ganze Figur besser. Also, es ist einfach ein Idealzustand.
Internationaler Humor ist "ein bisserl dunkler"
Burg: Und dann ist die Frage, inwieweit sich das dann auch nach Deutschland hin vermittelt.
Murnberger: Man muss einmal ganz knallhart sagen, dass österreichische Filme, um im österreichischen Kino erfolgreich zu sein, wirklich authentisch sein müssen, auch in der Sprache, in allem. Und damit hat man in Deutschland circa den Status, als wär man ein Film aus Bosnien oder aus Kirgistan. Und in diesem Spannungsverhältnis lebt man. Es ist interessant, dass es dann plötzlich andere Nationen gibt – ich hab jetzt unlängst mit jemand aus Finnland gesprochen, der ganz begeistert war von den Brenner-Filmen und gesagt hat, die sind im Fernsehen ein Riesenerfolg, weil die Finnen finden, dass das ihrem Humor sehr nahe kommt. Und wenn man Kaurismäki-Filme anschaut, dann kann man sich das ja auch irgendwie vorstellen. Also, es gibt etwas an diesen Filmen, das nicht nur rein österreichisch ist, sondern wahrscheinlich gibt es schon einen bisserl dunkleren Humor, der international ist.
Burg: Der Schauspieler Josef Hader, der den Brenner spielt, und der Regisseur Wolfgang Murnberger. Zusammen haben sie auch am Drehbuch gearbeitet zum Film "Das ewige Leben", der am kommenden Donnerstag in den deutschen Kinos anläuft. Ihnen, Herr Murnberger und Herr Hader, herzlichen Dank fürs Gespräch!
Murnberger: Vielen Dank!
Hader: Und gute Unterhaltung beim Film!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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