Keine Sorge vor den DDR-Relikten

Von Klaus Schroeder · 06.06.2013
Auf den Index mit NVA-Uniformen und SED-Ansteckern? Die CDU-Fraktion im Bundestag prüft ein mögliches Verbot von Symbolen aus der DDR. Doch der Politologe Klaus Schroeder warnt: Wir sollten die sozialistischen Nostalgiker nicht wichtiger nehmen, als sie sind.
Es war ein Schlag ins Gesicht. Viele Opfer der SED-Diktatur sind zurecht empört über den geschmacklosen Auftritt von Freunden der untergegangenen DDR. Diese hatten alte DDR-Uniformen angezogen – Uniformen der NVA und des Stasi-Wachregiments – und waren am 9. Mai in Berlin aufmarschiert, am Sowjetischen Ehrenmal. Doch schaut man sich die Bilder genauer an, wirken diese Figuren in ihren zu eng gewordenen Uniformen nicht bedrohlich, sondern einfach nur lächerlich. Sie sind Karikaturen ihrer selbst.

Trotzdem wird seit diesem Tag wieder darüber diskutiert, das Zeigen von DDR-Symbolen zu verbieten. Diese Diskussion geht jedoch an der Sache vorbei und lenkt von der notwendigen Aufklärung über die sozialistische Diktatur in der DDR nur ab. Es gibt zwingende Gründe, warum wir von einem Verbot absehen sollten.

Da die Bundesregierung und die letzte DDR-Regierung unter de Maizière die SED nicht verboten haben und diese Partei unter wechselnden Namen bis zum heutigen Tag politisch agiert, wäre ein derartiges Verbot von Symbolen erstens lediglich eine Ersatzhandlung ohne politischen und aufklärerischen Mehrwert: ein Symbolverbot eben.

Zweitens würde es nicht nur ewig gestrige Ostdeutsche animieren, mit der Zurschaustellung von Symbolen einer untergegangenen sozialistischen Diktatur zu provozieren. Es würde nicht mehr über den SED-Staat selbst diskutiert, sondern über das Pro und Kontra des Verbots. Gleichzeitig könnten Links- und Rechtsextreme darum wetteifern, wer es auf mehr Tabubrüche bringt. Die Zahl linksextremer Straftaten würde ansteigen, ohne dass sich etwas an den realen Sichtweisen ändert.

Drittens würden schlichte Gemüter behaupten, ein Verbot setze die sozialistische Diktatur in der DDR auf Augenhöhe mit dem Nationalsozialismus. Auch diese Debatte würde von der SED-Diktatur ablenken.

Ein Verbot wäre ein Zeichen der Schwäche unserer Demokratie
Selbstverständlich waren die Verbrechen der Nazis ungleich umfassender und brutaler als die der realen Sozialisten. Die DDR hat weder einen systematischen und zum Teil nahezu fabrikmäßigen Mord an Millionen Menschen begangen noch eine mörderische Blutspur durch Europa gezogen. Wer Analogien im Ausmaß von Verbrechen ziehen will, muss die stalinistische Sowjetunion und das maoistische China in den Blick nehmen – nicht die DDR.

Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass auch die SED eine Diktatur aufbaute und über 40 Jahre aufrecht erhielt, die Menschen unterdrückte, aus politischen Gründen verfolgte und inhaftierte und wenig Spielraum für individuelle Freiheiten ließ. Das Grenzregime brachte über 1000 Menschen den Tod und verdeutlicht gleichermaßen die fehlende Legitimation und den menschenverachtenden Charakter dieses sozialistischen Systems. Gespräche und Aufklärung über diese realen Verbrechen sind wichtiger als die Aufregung über die Symbole der Diktatur.

Ein Verbot wäre ein Zeichen der Schwäche unserer Demokratie, die es nicht nötig hat, ihren nostalgischen sozialistischen Feinden mit Verboten zu begegnen. Mit einem Loblied auf die reale DDR kann man heutzutage nicht einmal einen räudigen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Wir sollten den sozialistischen Altkadern deshalb mit mehr Gelassenheit und Souveränität begegnen und sie nicht wichtiger nehmen, als sie sind. Wir könnten höchstens die ehemaligen Mitglieder der Betriebskampfgruppen der SED auffordern, noch einmal in Uniformen aufzumarschieren, um den Nachgeborenen zu zeigen, wie lächerlich und absurd sie wirken.

Klaus Schroeder, Sozialwissenschaftler, geboren 1949 in Lübeck, leitet an der Freien Universität Berlin den Forschungsverbund SED-Staat und die Arbeitsstelle Politik und Technik. Er ist Professor am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin. Letzte Veröffentlichungen: "Die veränderte Republik. Deutschland nach der Wiedervereinigung" (Verlag Ernst Vögel, 2006), "Soziales Paradies oder Stasi-Staat? Das DDR-Bild von Schülern", zus. mit Monika Deutz-Schroeder (Verlag Ernst Vögel, 2008), "Das neue Deutschland. Warum nicht zusammenwächst, was zusammengehört" (wjs-Verlag, 2010) sowie "Die DDR. Geschichte und Strukturen" (Reclam, 2011).
Klaus Schroeder
Klaus Schroeder© privat
Mehr zum Thema