Kammermusikfest Hamburg

Bin ja ein Frauenzimmer...

Elisaveta Blumina
Die Pianistin und Festivalleiterin Elisaveta Blumina © Mathias Beyer
01.11.2016
Frauen können genauso gut komponieren wie Männer - früher dachte man anders darüber. Das Hamburger Kammermusikfest widmet sich in seiner 7. Ausgabe den Werken von Komponistinnen von der Romantik bis zur Gegenwart. Wir bringen live das Eröffnungskonzert mit Musik von Clara Schumann, Galina Ustwolskaja, Ursula Mamlok und von - na ja - zwei Männern...
Clara Schumann - die hochverehrte Pianistin der Hochromantik - klagte, sie würde gern komponieren, doch "ich tröste mich immer damit, dass ich ja ein Frauenzimmer bin, und die sind nicht zum Komponieren geboren." Dachte sie wirklich so? Auf jeden Fall komponierte sie trotzdem, ihr Gatte Robert hatte nichts dagegen. Das war bei Felix Mendelssohn Bartholdy oder Gustav Mahler schon anders - denen gefiel es nicht sonderlich, dass die Frauen ihrer Familie - ob nun Schwester Fanny oder Gattin Alma - allzu offensichtlich kreativ tätig waren. Glückliche Paarbeziehungen zwischen zwei Komponierenden hat es gleich gar nicht gegeben. Ein Partner muss wohl immer die eher dienende Funktion haben.
"Auf das, was folgt, kannst Du Dich ungeniert freuen!" Ein weiteres Zitat von Clara Schumann. Ungeniert freuen sollte sich der Violinvirtuose und Komponist Joseph Joachim über Clara Schumanns "Drei Romanzen für Klavier und Violine". Die stehen am Anfang des Eröffnungskonzerts des 7. Hamburger Kammermusikfests International. Clara hatte es dem Geiger 1855 geschrieben, ein Jahr vor Robert Schumanns Tod in der Heilanstalt. Danach sollte Claras kreative Ader versiegen.
Das Programm dieses Eröffnungsabends in der Laeiszhalle liegt der künstlerischen Festivalleiterin Elisaveta Blumina besonders am Herzen: Sie sitzt durchgehend am Flügel, um mit Instrumentalpartnern oder Vokalisten zu konzertieren oder solistisch zu brillieren.
Galina Ustwolskaja gilt als eine der wichtigsten russischen Komponist(inn)en des 20. Jahrhunderts. Ihr Trio schrieb sie bereits 1949, kurz nach ihrem Studium bei Dmitrij Schostakowitsch. Der schätzte ja seine Schülerin - nicht nur künstlerisch - hoch. Auffallend an diesem Stück ist die ungeheure rhythmische Energie und Kargheit, die bei Ustwolskaja einen religiös-asketischen Charakter erhalten.
Die drei (kurzen) Bagatellen von Ursula Mamlok stammen aus dem Jahr 1987, aus den US-amerikanischen Jahren der in Berlin geborenen und dort auch im Mai 2016 gestorbenen Komponistin. Mamloks Musik bildet mit ihrer starken Struktur und expressiven Ruhe einen starken Gegensatz zu den Klängen Ustwolskajas.
Der zweite Konzertteil bringt dann (doch) Musik von männlichen Komponisten. In seinem frühen Klarinettentrio arbeitet der armenische Komponist Aram Chatschaturjan deutlich heraus, was ihm zeitlebens wichtig war: Die deutlich hörbare starke Verwurzelung in den Musikkulturen des Kaukasus und in der russischen Kunstmusik war für ihn kein Manko, sondern ein Leitbild. Er verstand aus diesen Ingredienzien, eine ganz eigene Sprache zu entwickeln.
Armenische Interpreten sind schließlich im letzten Werk des Abends, im Liederzyklus "Aus jiddischer Volkspoesie" von Dmitrij Schostakowitsch zu erleben, die Sopranistin Narine Yeghiyan und der Tenor Migran Agadzhanyan neben der russischen Mezzosopranistin Maria Gortsevskaya. Drei Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges schrieb Schostakowitsch diesen Vokalzyklus, aus Interesse an der jiddischen Sprache und aus Solidarität mit den von Stalin verfolgten Intellektuellen jüdischer Herkunft, von denen viele zum Freundes- und Kollegenkreis des Komponisten gehörten. Da wenige Jahre zuvor die Deutschen die "jiddische" Kultur vernichtet hatten, indem sie die Menschen umgebracht hatten, die diese Sprache praktizierten, besitzt der Zyklus den Rang eines Requiems. Die traditionellen jiddischen Gedichte, die Schostakowitsch in der russischen Version vertont hat, handeln von Not, Trennung, Tod und Leiden durch Armut und Verfolgung, drei von ihnen aber auch vom neuen Leben auf dem Lande nach der Oktoberrevolution, die zu einer kurzzeitigen Befreiung der jiddischen Kultur geführt hatte. Schostakowitsch ließ den vollendeten Liederzyklus sieben Jahre in der Schublade liegen, bis er ihn nach Stalins Tod erstmals aufführen ließ.
7. Hamburger Kammermusikfest International
Live aus der Laeiszhalle Hamburg, Kleiner Saal
Clara Schumann
Drei Romanzen für Klavier und Violine op. 22 Nr. 2
Galina Ustwolskaja
Trio für Violine, Klarinette und Klavier
Ursula Mamlok
Drei Bagatellen für Klavier solo
Aram Khatschaturjan
Trio für Klarinette, Violine und Klavier
ca. 21.00 Uhr Konzertpause
Dmitrij Schostakowitsch
"Aus jiddischer Volkspoesie" op. 79 für Sopran, Mezzosopran, Tenor und Klavier

Yuki Manuela Janke, Violine
Robert Oberaigner, Klarinette
Narine Yeghiyan, Sopran
Maria Gortsevskaya, Mezzosopran
Migran Agadzhanyan, Tenor
Elisaveta Blumina, Klavier