Kabarettist Till Reiners

Große Wut auf die "besorgten Bürger"

Till Reiners, Kabarettist und Slam-Poet
Der Kabarettist und Slam-Poet Till Reiners spricht über seinen Selbstversuch für "Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen". © (c) Mathias Becker
Moderation: Christian Rabhansl · 24.09.2016
Ein Kabarettist auf einer Reise quer durch Deutschland: Till Reiners wollte wissen, warum so viele Menschen – anders als er selbst – Angst vor Geflüchteten haben. In seinem Buch "Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen" erzählt er, was er mit Pegida-Demonstranten und AfD-Wählern erlebt hat.
"Die Stimmung im Land macht mir keine Sorgen. Sie befremdet mich eher." Das schreibt Till Reiners in seinem Buch "Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen". Und genau das hat er versucht: Er wollte verstehen, warum so viele Menschen Angst vor Überfremdung haben – er selbst aber gar keine.
Dazu hat der Kabarettist seine politisch linke Heimat verlassen und ist demonstrieren gegangen: mit Bärgida, mit Legida, mit Pegida. Lutz Bachmann zujubeln, über Flüchtlingswitze lachen und laut "Merkel muss weg" rufen? "Man kommt erschreckend gut rein", sagt der Kabarettist in der "Lesart" über den Selbstversuch. "Am Anfang war ich noch skeptisch, aber man hat ja auch sonst nichts zu tun, wenn man da steht. Die Reden sind meistens sehr, sehr langweilig."
"Das ist ja nicht einfach nur ein nettes Phänomenchen"
Buchcover: "Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen" von Till Reiners
Buchcover: "Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen" von Till Reiners© Rowohlt Taschenbuch Verlag
Doch aus dieser belustigten Irritation sei im Laufe der Recherche-Reise quer durch Deutschland - von Berlin über Leipzig, Dresden, Pforzheim, Tröglitz, Freital zurück nach Berlin - zunehmend Wut geworden, erzählt Reiners: "Weil ich gesehen habe, wie Leute ganz konkret unter 'besorgten Bürgern' leiden. Das ist ja nicht einfach nur ein nettes Phänomenchen, sondern das schafft ein gesellschaftliches Klima. Menschen werden angefeindet, werden geschlagen, es gibt Anschläge auf Flüchtlingsheime. Und dann gibt es in manchen Dörfern nur einen versprengten Haufen von Widerstandskämpfern - und alle anderen halten den Mund. Das hat mich dann sehr wütend gemacht."
Reiners wollte das Fürchten lernen: Vor Flüchtlingen, vor Veränderungen, vor denen, die es angeblich besser haben. Und sie lehrten ihn das Fürchten: die Pegida-Demonstranten und AfD-Wähler und CDU-Chefs, die sich nicht recht abgrenzen mögen. Sie leben in einer "Hüpfburg für Abgehängte", schreibt Reiners, und erklärt im "Lesart"-Interview, was das bedeute: Immer nach unten treten, um selbst ein bisschen nach oben zu kommen. Das mache zwar Spaß, aber immer nur kurz, denn dann müsse man schon wieder treten.

Falsche Meinungen ernst nehmen

Wie man also mit den Sorgen der besorgten Bürger umgehen? "Ich glaube, man muss diese Menschen ernstnehmen und ihnen sagen: 'Nein, das ist falsch. Aus diesen und jenen Gründen ist eure Meinung falsch.' Das ist ja auch eine Form von Ernstnehmen."

Till Reiners: Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen. Begegnungen mit besorgten Bürgern
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2016
272 Seiten, 9,99 Euro

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