Julian Maclaren-Ross: "Von Liebe und Hunger"

Der Säufer aus Soho

Das Geschäftsviertel Chinatown im Londoner Stadtteil Soho
So sieht Soho heute aus. Einst zog Julian Maclaren-Ross durch die Kneipen und Bars des Londoner Stadtteils. © Imago
Von Edelgard Abenstein · 04.08.2016
Julian Maclaren-Ross war schon Kult als sein erster Roman "Liebe und Hunger" 1947 erschien. Er hatte sich in den Bars von London ein exzentrisches Schurken-Image zugelegt. Im Kern seines Herzens aber war er wohl ein Romantiker - ganz wie der Held seines Buches.
Sommer 1939. Alle reden vom Krieg, aber keiner rechnet wirklich damit, dass er schon vor der Tür steht. Auch Richard Fanshawe nicht, der sich in einem Badeort an der englischen Südküste als Staubsaugervertreter durchschlägt. Er kommt gerade aus den Kolonien zurück, wo er als Gelegenheitsjournalist aus einer Provinzzeitung rausgeflogen ist. Jetzt zieht er von Haus zu Haus, um den Frauen in der Vorstadt das neueste Modell seiner Firma anzudrehen. Die Geschäfte laufen schlecht. Als einmal eine Kundin bei einer Vorführung fast anbeißt, reißt der Riemen des Staubsaugers. Es gibt keinen Vertrag, keine Provision.
Licht in diese trostlose Existenz bringt nur ab und zu der magere Scheck eines fernen Onkels, der überraschende Geldsegen aus einem Glücksspiel, der schnell verballert ist - und die Ehefrau seines Vertreterkollegen. Als der für drei Monate zur See fährt, fangen die beiden Zurückgebliebenen eine Affäre an. Man geht ins Kino, in die Bar um die Ecke, fährt aufs Land. Es wird viel geraucht, viel getrunken, viel geredet. Doch, man ahnt es von Anfang an, auch diese Liebesgeschichte läuft nicht glatt.

Typus einsamer Wolf

Erzählt wird aus der Ich-Perspektive des Helden, der kraftmeiert beim Reden und schon mal bereit ist zuzuschlagen, wenn ihm einer krumm kommt: Typus einsamer Wolf. Ihm wird ein schnoddriger, an Raymond Chandler erinnernder Flapsigkeitston auf den Leib geschneidert. Auch Hemingway hat für diesen Hauptsatzstil, der von starken Verben lebt und sparsamst eingesetzten Adjektiven, offenbar Pate gestanden. Joachim Kalka bringt diesen Ton in perfektes Deutsch.
Knapp, kühl, zynisch und trocken: Neben jeder Art von Schwulst bleibt auch die Schilderung von Gefühlen, von Natureindrücken draußen. Zwischen lange Dialogpassagen im Schlagabtausch wie beim Boxen gehalten, sind telegrammartige Beschreibungen von Räumen montiert. Auch Charaktere werden nur umrissen, ein paar Striche, und schon ergibt sich eine Kontur. Den Rest überlässt der Autor den Lesern.

Im falschen Jahrzehnt geboren

Julian Maclaren-Ross (1912 - 1964), das weiß das Nachwort, war Kult im London der späten vierziger Jahre, als "Liebe und Hunger" erschien. Wegen der vielen Kurzgeschichten, Romane und Drehbücher, die er jeweils im Eiltempo verfasste, um schnell an die Vorschüsse seines Verlegers zu kommen. Aber besonders weil sich der Dandy, der eine Weile selbst Staubsaugervertreter war, an den Bartresen von Soho das Image von einem "Schurken aus amerikanischen Gangsterfilmen" zugelegt hatte.
Dabei war er im Kern seines Herzens wohl genauso Romantiker wie der Held seines Romans. Nicht die Sorte, die plötzlich mit roten Rosen vor der Tür seiner Geliebten steht. Aber wie jemand, der das Gefühl hatte, im falschen Jahrzehnt geboren zu sein. Und gelegentlich vom großen Durchbruch träumte, vom Erfolg als Schriftsteller mit einem einzigen Roman, wofür seinem Helden leider der Biss fehlte.

Julian Maclaren-Ross: Von Liebe und Hunger
Aus dem Englischen von Joachim Kalka
Arco Verlag, Wuppertal 2015
328 Seiten, 24,00 Euro

Mehr zum Thema