Jugendbuch "Und frei bist Du noch lange nicht"

Dreizehnjährige erzählt vom Leben nach der Flucht

Flüchltingskind mit einer deutschen Flagge
Flüchltingskind mit einer deutschen Flagge © dpa / picture alliance / Federico Gambarini
Von Alice Lanzke · 21.10.2016
Mit ihren Büchern will die Autorin Adriana Stern ihr junges Publikum für politische Probleme sensibilisieren. In ihrem neuen Buch thematisiert die Jugendbuch-Autorin die Flüchtlingsdiskussion in Deutschland.
"Beklommen treten wir hinter den anderen Flüchtlingen durch das Tor. Die Erde, auf der wir stehen, ist graubraun, hier wächst rein gar nichts, genau wie auf dem Gelände rings um den Parkplatz. Kein Baum, kein Strauch, nicht einmal Gras. Die strahlende Sonne lässt das Gelände beinahe noch unheimlicher erscheinen. Mir ist kalt."
Trist und freudlos erscheint Zippi das Flüchtlingsheim, in dem sie nach der Ankunft in Deutschland untergekommen ist. Mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder Ivo floh sie aus Aserbaidschan, wo sie sich als Angehörige der jüdischen Minderheit nicht mehr sicher fühlten. Doch das Leben in ihrer neuen Heimat hat sich die Dreizehnjährige anders vorgestellt. Die Eltern finden keine Arbeit, statt weniger Tage muss die Familie wochenlang in der heruntergekommenen Unterkunft auf winzigstem Raum hausen.

Zippi gewinnt mehr und mehr Freunde

Zippi flüchtet sich ins Deutschlernen und zu ihrer Tante, mit der sie die Leidenschaft fürs Kochen teilt. Dann trifft sie den zehnjährigen Saladin: Nur knapp entging dieser in Syrien einem Überfall durch den IS und floh daraufhin mit seinem großen Bruder nach Deutschland. Die beiden verstehen sich auf Anhieb und langsam gewinnt Zippi mehr und mehr Freunde aus verschiedensten Kulturkreisen.
Buchzitat: "Mit fiebernden Augen sehen wir uns an. Wir, sechs Freunde aus vier Ländern, die unterschiedliche Sprachen sprechen, aus unterschiedlichen Kulturen kommen, unterschiedlichen Religionen angehören und trotzdem zusammenhalten. Wir überwinden die Sprachschwierigkeiten zwischen Arabisch, Deutsch, Russisch und Englisch, weil sich zwei von uns in großer Not befinden."
Diese große Not bestimmt den zweiten Teil des Jugendbuches "Und frei bist Du noch lange nicht" von Adriana Stern: So kommen die Jugendlichen einem unglaublichen Verbrechen auf die Spur. Eine Diebesbande rund um den korrupten Hausmeister des Heims bereichert sich skrupellos an der Not der Bewohner.

Zippi findet ihre erste Liebe

Buchzitat: "Es gibt Menschen, die Kriege bewusst ausnutzen, um Kinder und Jugendliche als Drogenkuriere, Prostituierte, Bettler oder Verkäufer von Diebesgut zu missbrauchen. (...) Manchmal werden Familien aus Kriegsgebieten von Schlepperbanden nach Deutschland gebracht."
Trotz der Gefahr machen sich die Freunde daran, den Verbrechern das Handwerk zu legen. Fast schon nebenbei kommt Zippi so doch noch in Deutschland an – und findet sogar ihre erste Liebe.
Das Buch von Adriana Stern hinterlässt einen ambivalenten Eindruck: Zum einen ist es ein durchaus spannender Appell für mehr Vielfalt und Toleranz, eingebettet in den Kontext der aktuellen Flüchtlingsdiskussion. Zum anderen legt die Autorin ihren jugendlichen Helden oft Sätze in den Mund, die leider etwas gestelzt daher kommen – selbst, wenn man die Sprachbarrieren der Protagonisten berücksichtigt. Das stört den Lesefluss und lässt die Gespräche der Freunde zum Teil wenig authentisch wirken. Schade, denn die Geschichte hat durchaus Potenzial, mitzureißen.

Adriana Stern: "Und frei bist Du noch lange nicht" Ariella Verlag, Berlin 2016
14,95 Euro, 376 Seiten

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