Japanologin über Obama in Hiroshima

"Eine ganz bedeutsame Symbolik"

US-Präsident Barack Obama legt am Friedenspark in Hiroshima einen Kranz nieder.
US-Präsident Barack Obama legt am Friedenspark in Hiroshima einen Kranz nieder. © picture alliance / dpa
Gesine Foljanty-Jost im Gespräch mit Katja Schlesinger und Frank Meyer  · 27.05.2016
Als erster amtierender US-Präsident hat Barack Obama heute die japanische Stadt Hiroshima besucht. 71 Jahre nach dem Abwurf der Atombombe durch die Amerikaner ehrte er die Opfer. Das sei bemerkenswert, meint die Japanologin Gesine Foljanty-Jost.
Man könne den Besuch Obamas als Bereitschaft der Amerikaner deuten, "an dieses alte Thema noch einmal heranzugehen", sagt Gesine Foljanty-Jost: "Es ist schon eine ganz bedeutende Symbolik, dass 70, 71 Jahre nach Kriegsende nun tatsächlich dieser Besuch stattfindet." In Hiroshima waren 1945 mindestens 140.000 Menschen durch die US-Atombombe getötet worden, in Nagasaki später noch einmal mindestens 70.000.
Nicht nur aus der Opfer-Sicht der Japaner wäre aber auch eine Entschuldigung Obamas angemessen gewesen, findet die Professorin für Japanologie an der Universität Halle-Wittenberg. Sie wäre darüber hinaus auch "politisch erforderlich" gewesen: Es sei eine historische Tatsache, dass "die Atombombenabwürfe militärisch unnötig waren, weil im August 1945 längst klar war, dass die Japaner militärisch am Ende waren und die Kapitulation bevorstand".

Selbstwahrnehmung als Opfer war Schutzschild

Mit der Aufarbeitung der eigenen Kriegsvergangenheit habe Japan Probleme, so Foljanty-Jost:
"Die Selbstwahrnehmung, Opfer geworden zu sein im Krieg mit dieser ungeheuren Bombe - das war wie ein Schutzschild, um nicht zum Thema zu machen die Frage: Was haben die japanischen Truppen in Südostasien angerichtet? Wie ist der Krieg in China geführt worden? All dies wurde zurückgedrängt. Der gesamte öffentliche Fokus war auf dem Leid von Hiroshima und Nagasaki."
Darüber habe es in der japanischen Öffentlichkeit immer eine Debatte gegeben. Allerdings seien auf Regierungsseite "nach wie vor viele Zeichen noch nicht gesetzt" worden, die die Nachbarländer in Asien erwartet hätten, um für Frieden in der Frage der Vergangenheit zu sorgen.
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