J. Paul Henderson: "Letzter Bus nach Coffeeville"

Schräge Typen in rebellischer Grundstimmung

Australien: Eine Straße in der Prärie - scheinbar endlos
J. Paul Hendersons literarischer Roadmovie feiert das Leben in all seinen Nuancen © picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann
Von Carsten Hueck · 29.06.2016
In seinem Debüt "Letzter Bus nach Coffeeville" erzählt J. Paul Henderson die Geschichte einer Busreise in den Tod. Doch das literarische Roadmovie ist nicht nur tragisch, sondern auch zum Brüllen komisch, sagt unser Rezensent Carsten Hueck.
Sterbehilfe, Alzheimer, Waisenkinder, bigotte Christen, Rassendiskriminierung, abfallende Ohren und Chemotherapie – darf man darüber lachen? Man hat gar keine andere Wahl, denn in J. Paul Hendersons literarischen Roadmovie ist alles Tragische auch zum Brüllen komisch.
Der 1948 geborene Autor erzählt vor allem die Geschichte einer Busreise in den Tod - bevor jedoch zwei seiner Figuren nach zahlreichen Zwischenstationen, unter anderem in Nashville auf der Farm der Waltons und in Memphis, ihre Endhaltestelle erreichen, haben sie mit den anderen Passagieren noch jede Menge Spaß. Und der Leser mit ihnen.

Geist der späten 50er- und frühen 60er-Jahre

J. Paul Hendersons Weg zum Schriftsteller verlief, wie das Leben seiner Protagonisten, nicht fahrplanmäßig. Dabei ist der gebürtige Brite, Fan von Frank Zappa, Tom Waits und Captain Beefheart, selbst einmal Busfahrer gewesen. "Letzter Bus nach Coffeeville" ist sein Debütroman, im Original 2014 erschienen. Darin lässt Henderson den Geist der späten 50er- und frühen 60er-Jahre in den USA wieder aufleben.
Eine rebellische, durchgeknallte Grundstimmung durchweht den Roman, gepaart mit Pessimismus aus Lebenserfahrung. Dazu gesellen sich in sanftem Zynismus getränkter Unwille zu politischer Korrektheit und ein kindliches Vergnügen am Slapstick. Hin und wieder beschleicht einen der Verdacht, der Autor habe während des Schreibens illegale Substanzen konsumiert – was auch immer es war, der Stoff muss gut gewesen sein.

Doc hat häufig düstere Träume

Doc ist Anfang Siebzig, ein Arzt in Rente. Er lebt allein, liest ein bisschen, trinkt ein bisschen und hat häufig düstere Träume. Schon vor langer Zeit hat er sich vom Leben zurückgezogen, nachdem Frau und Tochter von einem Donut erschlagen worden waren.
Aus der Dämmerung seines Lebensabends reißt ihn ein Anruf von Nancy. Doc und sie waren während des Studiums ein Liebespaar. Sie hatte ihn urplötzlich verlassen, ihm aber das Versprechen abgenommen, ihr Sterbehilfe zu leisten, sollte sie eines Tages die Alzheimer-Krankheit bekommen.
Doc steht zu seinem Wort. Er organisiert Nancys Entführung aus dem Seniorenheim. Dabei helfen ihm sein Patensohn Jack, ein gehörnter TV-Wettermann, Bob, ein ehemaliger CIA-Auftragskiller, der einst Che Guevara das Leben rettete, und der dreizehnjährige Eric, ein entlaufenes Waisenkind auf der Suche nach seiner strippenden Cousine.

Humor, trockener als die Sahelzone

Die bunte Truppe fährt in einem geklauten, ehemaligen Beatles-Tourbus Richtung Coffeville, wo sich die Grabstätte von Nancys reicher Südstaatenfamilie befindet.
Mit trockenen Humor - trockener als die Sahelzone - verbindet Henderson in seiner Geschichte Darmprobleme, Familien- und Beziehungsdramen, höchst originelle Erklärungen historischer Ereignisse mit den Beschreibungen bizarrer Auswüchse amerikanischer Alltagskultur.
Der Blick des Autors ist bei allem aber nie herzlos und entdeckt an jedem schrägen Typen etwas Liebenswertes. "Letzter Bus nach Coffeeville" leugnet nicht, dass Leben meist und Sterben oft eine Tortur ist. Und feiert gerade deshalb Individualität, Freundschaft und Mitmenschlichkeit.

J. Paul Henderson: Letzter Bus nach Coffeeville
Diogenes Verlag, Zürich 2016
520 Seiten, 20,99 Euro

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