Insekten satt für's Klima

Von Udo Pollmer · 01.06.2013
Insektenmast als ökologische Alternative zur Massentierhaltung? Mitnichten, meint Experte Udo Pollmer. Insekten lassen sich im kühlen Europa nicht so einfach mästen wie im warmen Südostasien. Und die Ausscheidung von Klimagasen? Auch da lassen sich die kleinen Krabbler nicht lumpen.
Die "UN empfiehlt (den) Verzehr von Insekten statt Brot und Milch" so lautet eine Schlagzeile, eine andere verkündet vollmundig "das Fleisch der Zukunft hat sechs Beine".

Insekten, so erfahre ich, sind nahrhafter als ein kleines Steak und ökologisch viel besser drauf als Rindviecher. Sie verbrauchen weniger Wasser, weniger Land, weniger Futter und sie produzieren weniger Klimagase. Damit könnte das Hungerproblem der Welt auf einem Schlag gelöst werden.

In vielen Ländern landen in der Tat regelmäßig Insekten auf dem Teller. Hier in Mitteleuropa beschränkte sich dies auf Maikäferjahre, weil dann schon bei mäßiger Sammelleidenschaft reiche Beute winkte. Die kleinen Krabbler sind allerdings bei uns etwa 1950 vom Speiseplan verschwunden.

In den Tropen sieht das anders aus. Dort sammeln die Menschen nicht nur Insekten, in Südostasien haben Mästereien Tradition. Auch in Europa gibt es Insektenbetriebe, aber die sind nur für Zoos, Angler und Terrarienbesitzer.

Sind uns die Völker Asiens wiedermal eine Fühlerlänge voraus oder ist es die pure Not, die sie Kleinvieh speisen lässt? Weder noch. Es sind die ökologischen Gegebenheiten: Was in Thailand bestens funktioniert, ist bei uns noch lange keine gute Idee.

Der größte Vorteil der Insekten lässt zugleich auch das größte Problem erkennen: Insekten brauchen weniger Futter als Rinder. Stimmt - weil Insekten wechselwarm sind und ihr Körper stets so warm oder kalt ist wie die Umgebung. Sie brauchen keine Futterkalorien zum Heizen.

Doch gerade bei Insekten hängt die Mastleistung von der Temperatur ab. In den Tropen ist es das ganze Jahr warm. Aber bei uns braucht man für gleiche Ergebnisse voll klimatisierte Mastanlagen, die ganzjährig tropische Temperaturen gewährleisten. Auch die Luftfeuchtigkeit muss stimmen, ebenso die UV-Strahlung. Rinder sind da besser an unser Klima angepasst. Sie haben ein Fell und sie mögen die Kälte.

Insekten sollen, so lese ich, nur ein Hundertstel an Klimagasen produzieren wie Rinder. Doch das ist nur ein frommer Wunsch. Auch Kleinvieh muss mal, je nach Tierart scheiden sie reichlich Lachgas, Ammoniak und Kohlendioxid aus. Termiten sind nicht nur beliebte Speisetiere, sie zählen zu größten Methanproduzenten auf der Erde. Aber es stimmt schon, eine Termite produziert weniger Methan als eine Kuh.

Gefräßige und schnellwachsende Insekten wie Heuschrecken scheiden riesige Mengen an Kot aus, die kontinuierlich aus den Anlagen entfernt werden müssen. Fliegenmaden wiederum, die sind an unser Klima angepasst, produzieren jede Menge Ammoniak. Die als wassersparend geltende Kakerlake bildet Harnsäure und reichert diesen fragwürdigen Stoff in ihrem Körper an.

Insektenmast wird in deutschen Medien sogar als Alternative zur Massentierhaltung gehypt. Es ist die intensivste Form einer Massentierhaltung, die überhaupt denkbar ist. Sie erfordert genauso Kraftfutter, Antibiotika, Hormone zur Steuerung der Fortpflanzung, wie jede andere Mast auch.

Die Erkennung und Behandlung von Krankheiten ist jedoch Neuland. Unsere Fachtierärzte für Bienen wissen davon ein Lied zu singen. Mit der oft geforderten Einzeltierbehandlung oder gar der so wichtigen Fleischbeschau wird’s schwierig. Ganz zu schweigen von der so gern beschworenen Rückholbarkeit, wenn die Kakerlaken oder Spinnentiere mal durch einen Riss in der Wand entwischen.

Insekten sind dort, wo sie gerne verzehrt werden, auch ein sinnvoller Bestandteil des Speisezettels, weil sie helfen, die Ressourcen tropischer Regionen besser zu nutzen. In unseren Breiten ist das eine umweltschädliche Marotte – mit einer löblichen Ausnahme: Die Produktion von Waffenfliegen auf Hühnermist. Waffenfliegen halten andere Fliegenarten fern, die Krankheiten übertragen, ihre Maden müssen nicht aus dem Mist herausgepult werden; sie verlassen zum Verpuppen das Substrat und können dabei leicht geernetet werden. Sie eignen sich - als Futtermittel. Dann bekommen Insektenfresser wie Hühner oder Forellen endlich wieder was Anständiges zu beißen – und wenn die Forelle oder das Huhn in der Pfanne oder im Topf schmurgelt, bekommen auch wir was Ordentliches zu futtern. Mahlzeit!


Literatur:
Anon: Lebensmittel: UN empfiehlt Verzehr von Insekten statt Brot und Milch. Deutsche Wirtschafts Nachrichten 14.5.2013

Bodenheimer FS: Insects as Human Food. W. Junk, Den Haag 1951
Van Huis A et al: Edible Insects: Future Prospects for Food and Feed Security. FAO Forestry Paper 171; Rom 2013

Fock A et al: Dicke Brummer, fette Maden, scharfe Käfer. EU.L.E.N-Spiegel 2010; H.3-4: 3-31
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