Im Rausch der Tiefe

Gäste: Dr. Sven Petersen, Meeresgeologe am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM Geomar), und Stephan Lutter, Referent für internationalen Meeresschutz beim WWF Deutsc · 29.05.2010
Die Zitterpartie im Golf von Mexiko hält an. Seit fünf Wochen hält die bisher schlimmste Ölkatastrophe in den USA die Welt in Atem. Noch ist nicht klar, ob der letzte Versuch Erfolg hatte, das sprudelnde Leck in 1600 Metern Tiefe zu schließen.
Wissenschaftler schätzen, dass bisher täglich bis zu rund vier Millionen Liter Öl ins Meer strömen, fünfmal so viel, wie der Energiekonzern BP angibt. In drei Küstenstaaten der USA wurde der Fischerei-Notstand ausgerufen. US-Präsident Barack Obama hat alle bestehenden und geplanten Tiefsee-Bohrungen für sechs Monate gestoppt.

Experten wie Stephan Lutter vom Internationalen WWF-Zentrum für internationalen Meeresschutz in Hamburg warnen vor den verheerenden Folgen. Das an den Stränden anlandende Öl sei nur die Spitze des Eisberges, "Das Plankton in der Wassersäule wird auf jeden Fall Schaden nehmen", befürchtet der Meeresschützer, was wiederum nachhaltige Auswirkungen auf die Nahrungskette haben werde, von Kleinstfischen bis hin zu Walen. Korallenriffe, Schlickflächen und Mangrovenwälder würden auf Jahre hin geschädigt. "Die Ökosysteme drohen zu ersticken."

Er warnt vor einem "neuen Goldrausch", den geplanten Tiefseebohrungen in der Arktis, aber auch westlich von Irland, Schottland und der Barentssee.

"Wer jetzt die gleiche Technik ohne umfassende Fehleranalyse unter eisigen, extremen Bedingungen der Arktis einzusetzen will, spielt ökologisches Roulette.”

Seine Forderung:

"Wir fordern, dass Schutzgebiete geschaffen werden, genauso wie bei den küstennahen Gebieten. Dass den tiefen Bereichen dieselbe Wichtigkeit zugestanden wird, wie bei der Nutzung von Küstenzonen."

Die Tiefsee – einst als öde lebensfeindliche Wüste abgestempelt – bietet neben Öl- und Gasvorkommen weitere Rohstoffe, die immer interessanter für die Energieversorgung der Zukunft werden. So liegt am Meeresgrund wahrscheinlich das größte Erzlager der Welt: Manganknollen – an schwarze Kartoffeln erinnernde Gebilde – sind reich an Buntmetallen wie Nickel, Kupfer oder Kobalt. Allein in der Tiefseezone des Pazifiks vermuten Experten 100 Millionen Tonnen.

Begehrte Abbaugebiete, für die sich immer mehr Staaten bereits Abbaumöglichkeiten sichern. Auch Deutschland hält bereits Rechte an einem Areal in der Größe von 150.000 Quadratkilometern gesichert.

Einer der deutschen Experten für die Erforschung dieser Manganknollen ist Dr. Sven Petersen, Meeresgeologe am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel (IFM Geomar). Er erforscht auch die sogenannten "Schwarzen Raucher": Tiefsee-Quellen, aus deren meterhohen Schloten heißes, mineralreiches Wasser hervor schießt. In den Ablagerungen finden sich ebenfalls wertvolle Metalle – unter anderem das begehrte Gold.

Noch stehe die Erforschung dieser Vorkommen im Vordergrund – mit dem wachsenden Energiehunger und den steigenden Rohstoffpreisen sei der Abbau in der Tiefsee nur eine Frage der Zeit. Was er persönlich bedauere, aber man müsse der Realität ins Auge blicken:

"Für mich ist der Abbau nötig, denn in der Tiefsee befinden sich Vorkommen, die wir nicht ungenutzt lassen können. So wie unsere Weltwirtschaft und unsere Kultur gestaltet sind, müssen wir diese Ressourcen nutzen. Wir brauchen diese Metalle, wir müssen sie abbauen."

"Im Rausch der Tiefe – Die Weltmeere als Rohstofflieferant" - Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Stephan Lutter und Sven Petersen. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Über den WWF und Stephan Lutter
Über das IFM Geomar und Dr. Sven Petersen