Ignorieren, Protestieren, Verbieten? - Zum Umgang mit Rechtsextremen

09.12.2006
Rechtsextrem gleich ostdeutscher Jugendlicher mit Glatze, Bomberjacke, Springerstiefel. Dieses Klischee hat spätestens seit einer aktuellen Studie der Universität Leipzig, die die Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegeben hat, ausgedient. Rechtes Gedankengut findet sich mittlerweile in allen Schichten, Regionen und Altersgruppen.
Der Studie zufolge haben 8,6 Prozent der Deutschen ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. 15,2 Prozent meinen, es sollte einen Führer geben, "der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert." Als "Einstiegsdroge in den Rechtsradikalismus" nennen die Autoren die Ausländerfeindlichkeit: Jeder vierte Befragte glaubt, dass Ausländer nur nach Deutschland kommen, "um unseren Sozialstaat auszunutzen". Deutschland sei "durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet."

Matthias Adrian kennt diese Aussagen nur zu gut: Der heute 29-Jährige war selbst drei Jahre lang Mitglied der NPD, ein echter "Hardliner" oder "Deutschlands jüngster Altnazi", wie er sich selbst bezeichnet. Schon als Jugendlicher ist er fasziniert vom Krieg und Militär, liest rechtsradikale Zeitungen. Die Eltern kommen nicht mehr an ihn ran. Mit 21 Jahren schließt er sich den Jungen Nationaldemokraten an, der Jugendorganisation der NPD, trägt Uniformen, die der der SA ähneln, stutzt seinen Bart wie Adolf Hitler. Er wird Organisationsleiter für Südhessen, organisiert Aufmärsche, seine Wohnung ist übersät mit Hitlerbildern.

2000 steigt er aus der Szene aus, schließt sich der neu gegründeten Organisation "EXIT Deutschland" an, die rechtsextremen Aussteigern Hilfe anbietet.

Seither reist er für "EXIT" durch Deutschland und spricht in Jugendclubs und Schulen über sein Leben. "Ich bin eine Witzfigur gewesen. Ich habe diesen ganzen Schwachsinn geglaubt", sagt Matthias Adrian rückblickend. Sein Motiv: "Wenn ich nur ein paar Menschen zum Nachdenken anregen kann, ist schon viel gewonnen." Er wolle verhindern, dass die Rechtsextremen Jugendliche mit ihrem Fanatismus verführten, so wie es in Sachsen und Mecklenburg längst Realität sei. "Dort ist fast alles verloren. Da haben die Nazis ihre Strukturen aufgebaut und sind entsprechend stark."

Auch der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hajo Funke von der Freien Universität Berlin, warnt davor, ganze Landstriche den Rechten zu überlassen: "Auf dem Land ist die NPD die einzige als sozial erscheinende Partei. Die kümmern sich um die Alten, tragen ihnen die Einkaufstüten, sie kümmern sich um die Jugendlichen, organisieren große Feste. Natürlich machen sie auch Angstpolitik, aber sie strecken die Hand aus. Im Zuhören ist die NPD derzeit besser. Das ist ein Demokratieproblem, ein Verantwortungsproblem und ein Problem der gesamten politischen Klasse."

Zu lange sei die Bedrohung von rechts totgeschwiegen worden: "Wenn mir thüringische Landespolitiker sagen, 'Wir haben keine Lösung', dann kann ich nur sagen: Gnade uns Gott. Wenn sich ganze Landstriche als überflüssig erachten, dann haben wir schon verloren."

Wie also sollen wir mit den Rechtsextremen umgehen? Was kann die Politik, was kann jeder einzelne tun? Wie gefährlich sind die neuen Rechten?

"Ignorieren, protestieren, verbieten? - Der Umgang mit Rechtsextremen" - darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute gemeinsam mit dem ehemaligen Neonazi Matthias Adrian und dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hajo Funke. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 - 2254 und per E-Mail unter gespraech@dradio.de.