"Ich war überzeugt, dass uns das gelingen wird"

Klaus Franz im Gespräch mit Marcus Pindur · 30.05.2009
Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Opel, Klaus Franz, hat den Einstieg von Magna bei Opel begrüßt. So werde noch vor dem wahrscheinlichen Sturz des Mutterkonzerns General Motors das deutsche Traditionsunternehmen vor dem Niedergang bewahrt, sagte Franz.
Marcus Pindur: Ob es gelingt, Opel langfristig zu retten, das ist noch nicht entschieden, aber es gibt wieder Hoffnung. Gestern Nachmittag sah es kurz so aus, als ginge Opel doch im Strudel des Mutterkonzerns General Motors unter, und dann die Meldung: Magna, der Automobilzulieferer, will Opel übernehmen, der lang ersehnte private Investor. Denn ohne privaten Investor auch keine staatliche Überbrückungshilfe. Eine Berg-und-Tal-Fahrt war das für die Arbeitnehmer bislang. Sie waren im Wesentlichen ja nur Zuschauer. Wir sprechen jetzt mit Klaus Franz. Er ist der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Opel. Guten Morgen, Herr Franz!

Klaus Franz: Guten Morgen!

Pindur: Sind Sie erleichtert, dass es doch noch geklappt hat?

Franz: Ja natürlich. Es war eine Zitterpartie, wie Sie eingangs schon gesagt haben, mit Höhen und Tiefen, aber ich war von Anfang an überzeugt, ich hatte nicht die Hoffnung, ich war überzeugt, dass uns das gelingen wird und muss und möchte mich als Erstes auch ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die aktiv an der Rettung für Opel jetzt, in der jetzigen Situation beigetragen haben.

Aber ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ganz Europa herzlich bedanken, dass sie diesem Druck standgehalten haben über die letzten Monate, der sie auf sie eingeprasselt ist, diese Ungewissheiten, dass sie treu zum Unternehmen stehen weiterhin. Die Rettung von Opel zusammen mit Magna ist eines für mich heute der besten Zeichen eigentlich insofern auch, dass wir es schaffen, noch vor dem Sturz von General Motors, der in den nächsten Tagen sicherlich anstehen wird mit Chapter 11, dieses Traditionsunternehmen vor dem Niedergang zu bewahren, weil das Problem ist nicht Opel, sondern das Problem ist das Desaster von General Motors in den USA.

Pindur: Sie waren von vorneherein eher für Magna als Investor und gegen Fiat. Was spricht Ihrer Ansicht nach für Magna?

Franz: Für Magna spricht erstens, dass sie ein hochmodernes Unternehmen sind mit einer sehr interessanten Unternehmenskultur, die es nicht leicht macht für Gewerkschaften, aber es ist auch eine spannende Herausforderung, diese gemeinsamen Kulturen zusammenzubringen.

Der andere Punkt ist, es ist ein hochtechnologisches, innovatives Unternehmen, insbesondere Zukunftstechnologien, und sie haben den gleichen Qualitätsstandard wie wir. Und es ist ein sehr diversifiziertes Unternehmen. Also sie haben von vielen Produkten, von vielen Innovationen haben sie, und vor allem werden wir mit Magna zusammen und der Sberbank und Gaz den Markt der früheren GUS-Staaten natürlich sehr leichter erringen können. Wenn dort nach der Finanzmarktkrise das Automobilgeschäft wieder anspringt, ist das einer der Märkte, der die meisten Zuwachsraten hat.

Pindur: Automobilexperten sagen, einige jedenfalls, Fiat wäre langfristig die bessere Wahl, weil eben nur ein Massenhersteller die nötige Effizienz für ein Bestehen auf dem Weltmarkt sicherstellen könne.

Franz: Ja, aber das war zu Zeiten von ungebremstem Wachstum so. Schauen Sie, diese ganzen Mega-Merger an, die in den letzten Jahren gemacht wurden, alle sind sie gescheitert, alle haben Milliarden von Geldern vernichtet. Und die Größe allein ist noch lange nicht die Frage des Überlebens. Ich glaube, viel entscheidender wird in der Zukunft bei derartig hohem Konkurrenzkampf sein die Frage der Flexibilität von Unternehmen. Und es wird lockere Zusammenschlüsse geben.

Ich glaube, dass wenn es uns gelingt, mit Magna zusammen die Zukunft zu gestalten, dass wir dann auch für andere Automobilkonzerne wieder interessant werden können, auch strategische Allianzen einzugehen und Technologien untereinander auszutauschen. Diese Größe wird scheitern, und es ist auch ein Hilfeakt eigentlich von Sergio Marchionne, nur drei Unternehmen zusammentun zu wollen, um eine Größe zu erreichen. Man sagt es auch im Fachbegriff, "to big to fail", also zu groß, um zu fallen, um dann durch staatliche Hilfe überleben zu können. Und ich denke, dieses Konzept wird scheitern.

Pindur: Wir haben jetzt viel über die Risiken gesprochen, lassen Sie uns mal auf den Silberstreif am Horizont schauen. Ein Großteil der Ingenieurleistungen für den GM-Konzern wurde in Rüsselsheim erbracht, der Astra, der Corsa, das sind überaus beliebte Kompaktfahrzeuge. Der neue Insignia ist ein großer Erfolg, Auto des Jahres, wird in der Fachpresse sehr gelobt. Auf welche Produkte sollte Opel Ihrer Ansicht nach in Zukunft setzen?

Franz: Ich denke, wir müssen auf zwei Kernprodukte. Einmal, wir müssen solide in diesen Segmenten, die Sie gerade aufgezählt haben, voranschreiten, innovativ sein. Wir müssen hochmoderne Technologie demokratisieren, also erschwinglichen Preis von innovativer Technik. Auf der anderen Seite, uns fehlt ein Fahrzeug unterhalb des Agilas oder in dieser Größenordnung. Dort muss unbedingt nachgebessert werden.

Aber für die große Zukunft sehe ich das Potenzial, dass wir führend werden müssen in der Frage Elektroantriebe. Und dort sind wir ja schon ein großes Stück nach vorne. Im Jahre 2011 werden wir diesen Ampera mit unter 40 Gramm CO2 auf den Markt bringen als serienreifes Fahrzeug.

Und das ist auch in der Kooperation mit General Motors der Fall. Und deshalb wird General Motors auch mit schon ungefähr 30 bis 35 Prozent in dem neuen Unternehmen verbleiben müssen, um einerseits den Technologieaustausch auch zu gewährleisten auf der einen Seite und natürlich auch die Skaleneffekte durch günstigen Einkauf.

Pindur: Herr Franz, vielen Dank für das Gespräch!

Franz: Bitteschön!