High-Tech-Radeln am Bodensee

Von Thomas Wagner · 21.06.2007
Schon heute beginnt die Planung einer längeren Fahrradtour oft damit, sich im Internet geeignete Routenvorschläge herunterzuladen. Doch das könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Denn die Radler-Zukunft besteht im GPS-Navigator an der Lenkstange. Die Internationale Bodensee Tourismus GmbH hat in Sachen "High-Tech-Radeln" federführend ein Projekt auf den Weg gebracht - und das auch noch länderübergreifend.
Die schönste Radtour beginnt zuhause, am PC:

"Wenn man dann ins Internet geht, kann man sich aussuchen, wie lange man unterwegs sein will, welche Höhen man überwinden will, wie viele Kilometer man zurücklegen will, und dann bekommt man Tourenvorschläge. Und wenn einem das gefällt, wird man weitergeleitet, bekommt man sehr detaillierte Beschreibungen der Route."

Lucia Kamp, Touristikerin am Untersee, dem südwestlichen Abschnitt des Bodenseeraumes, ist begeisterte virtuelle Radlerin: Zusammen mit ihren Mitarbeitern hat sie über ein Dutzend Radtouren zusammengestellt, eintägige, mehrtätige, manche mit großen Höhenunterschieden, manche eben.

Auf der Website des Verbandes erscheint eine Maske. Dort können die Radler anklicken, wie lange sie unterwegs sein wollen, ob’s eher eine sportlich ausgerichtete Tour oder ein gemütlicher Kulturtrip werden soll. Doch das ist längst nicht alles.

Daniela Paal, Geschäftsführerin der Internationalen Bodensee-Touristik, surft ebenfalls, bevor sie radelt. Das lohnt sich selbst für die Individualisten unter den Radlern.

"Dann habe ich eben nicht nur fertige Tourenvorschläge. Sondern ich kann mir individuell meine Tour planen, von A nach B individuell planen und sagen: Ich möchte von der Kirche in Meersburg meine Tour starten. Ich möchte zu einem Museum im Umland fahren, zum Beispiel nach Pfullendorf. Und unterwegs ist es wichtig, dass ich an einem Weingut vorbei fahre, eine Flasche Wein mitnehme und unterwegs mich noch erfrische in einem Hofgut-Café. Dann gebe ich diese Punkte ein und kann mir dann da entlang eine Tour ausrechnen lassen und kann mir diese Tour dann individuell auf Karte ausdrucken lassen, eine richtige Planungshilfe."

Das Ausdrucken der Tour gehört allerdings schon bald der Vergangenheit an. Ab diesem Sommer klingt die Zukunft anders.
Kurze Hosen, Sportschuhe, ein luftdurchlässiges Radler-Shirt – der Schweizer Eddi Amrhein wäre eigentlich startklar. Die Wunsch-Tour ist ausgesucht. Doch bevor es losgeht, schaltet Amrhein ein kleines Gerät ein, so groß wie eine Pocket-Kamera. Verschiedene Symbole leuchten auf einem kleinen LCD-Bildschirm auf. Mit einem Kabel verbindet Amrhein das Gerät mit dem PC.

"Das ist jetzt ein GPS-Gerät, das ich jetzt angeschaltet habe. Das dauert einen Moment, bis er mich geortet hat: Wo stehe ich jetzt? Laden wir diese Tour gleich. Und hier schlagen wir dem Gast vor, dass er sich die Gratis-Übertragungssoftware herunterlädt, wenn er das noch nicht hat. Das ist auf der Webseite und gleich anklickbar. Dann ist das geladen. Und als weiterer Punkt steht hier Download. Dafür ist auch ein Botton vorgesehen. Und das dauert cirka eine Minute. Und dann ist das passiert."

Augenblicke nach dem Ladevorgang. Die Gruppe sitzt fest im Sattel und radelt am Konstanzer Bodensee-Ufer entlang. Mit ein paar Handgriffen hat Eddi Amrhein den Satelliten-Navigationsempfänger am Lenker montiert. Zunächst zeigt das Gerät eine Gerade vor uns an. Geht es im Rahmen der Tour, die sich Eddi Amrhein heruntergeladen hat, mal nach rechts, mal nach links, zeigt uns dies der GPS-Empfänger am Lenker mit entsprechenden Pfeilen an. Zunächst funktioniert alles so ähnlich wie beim Auto, das mit einem Navigator ausgestattet ist. Dann allerdings erscheint auf dem kleinen Bildschirm die Zahl 18."
"Auf dem Gerät sehen wir eine ID- Nummer, auf die wir zufahren. Daneben sehen wir eine Flagge. Und das ist das Sea Life. Die ganze Seewelt mit den vielen Fischen hier in Konstanz. Auf dem GPS-Gerät habe ich hier jetzt nur noch eine Nummer."

Die Nummer 18 steht für das Seal Life Center Bodensee, eine Art Riesenaquarium mit vielen exotischen Wasserlebewesen. Auf dem ausgedruckten Tourenplan in der Satteltasche kann Eddi Amrhein unter der Nummer 18 nachschauen, was es mit diesem Sea Life Center genaues auf sich hat. Die Nummer 18 ist eine von vielen Hundert sogenannter "POI’s". Die Abkürzung steht für "Point of Interest", also für einen "interessanten Punkt." Tausende solcher POI’s hat Eddi Amrhein in die elektronischer Karte eingearbeitet – Sehenswürdigkeiten, Hotels, Naturschauspiele.

"Wir bekommen jetzt ganz viele dieser POI’s. Und wir verbinden die jetzt mit allen Fahrradwegen im Bodenseeraum, damit der Gast auf dem PC die POI’s auf dem Fahrradweg ansteuern kann, die er ausgewählt hat."

Bei der Routenplanung am Rechner kann sich der Radler somit eine individuelle Route von einem solchen "Point of Interest" zum nächsten zusammenstellen – oder per Mausklick erfahren, wie viele POI’s zwischen zwei Orten mit dem Rad angesteuert werden können, welche Route man dazu wählen muss, wie viel Zeit man braucht, wie anstrengend das ganze ist. Eddi Amrhein ist begeisterter Radler und Computerfreak in einer Person: Er hat die besten Routen zwischen den einzelnen POI’s digital entwickelt. Und die kann man sich vom PC auf den GPS herunterladen. Ab Herbst, schätzt Eddi Amrhein, geht das noch einfacher, so ganz ohne PC und ohne ausgedruckten Tourenplan:

"Auf den neuen GPS-Geräten würde hier gleich ein Foto erscheinen und die ganzen Beschreibungen, Öffnungszeiten und alles, was dazu gehört, um hier auch gleich eine Eintrittskarte zu bekommen. Das können wir ab diesem Herbst erwarten. In erster Linie ist es so, dass ich auf meinem Handy einen kleinen PC habe, wo ich meine Tour und meine POI’s direkt zusammenstellen kann. Das, was ich heute auf dem PC mache und dann über mein Kabel auf mein GPS-Gerät bringe, wird in Zukunft nicht mehr nötig sein."

Der GPS-Empfänger wird mit einem Handy und einem Mini-Rechenr im gleichen Gehäuse verbunden sein. Der Radler erkennt dann nicht nur, wenn er einen "Point of Interest" erreicht hat. Über das GSM- oder das UMTS-Netz kann er sich gleich die passenden Informationen darüber herunterladen, mit den passenden Fotos, die dann Sekunden später auf dem kleinen Bildschirm an der Lenkstange erscheinen. Zur Tourenplanung benötigt man dann auch nicht mehr einen PC. Alles lässt sich über den Mini-Rechner im GPS an der Lenkstange vorbereiten. Und das ist der Radler-Trend der Zukunft, glaubt Ulrike Erath von der Internationalen Bodensee Tourismus GmbH.

"Weil der Fahrradgast kein Kartenmaterial mehr mit sich bringen muss. Er kann einfach anhand von dem GPS-Gerät sich aufs Rad setzen und losfahren und vor allem auch länderübergreifend. Er kann eine langsame Runde entlang vom Bodensee auf der deutschen Seite fahren. Er kann aber genauso von der Schweizer und der Österreichischen Seite aus ins Hinterland fahren Richtung Berge, wo es dann ein bisschen anstrengender wird."

Das Ende der kleinen High-Tech-Radtour: Die Klingel funktioniert noch wie zu Großvaters Zeiten. Und sie erinnert uns daran, dass es Momente gibt, in denen der Mini-Computer an der Lenkstange problemlos ausgeschaltet bleiben kann.

"Jetzt sind wir in Konstanz, vor dem Café Aran, und können den Abend gemütlich ausklingen lassen – ohne GPS. Das Gerät können wir jetzt ausschalten."