Herder übernimmt Thalia Bücher

Warum David Goliath schluckt

Der Eingangsbereich der Filiale der Buchhandelskette Thalia am 22.01.2013 in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen). Der Handelskonzern Douglas schreibt tiefrote Zahlen. Durch das Sorgenkind Thalia verbuchte der Hagener Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr einen hohen Verlust.
Der Riese Thalia wird vom Traditionsverlag Herder übernommen. © picture alliance/dpa/Bernd Thissen
Rüdiger Wischenbart im Gespräch mit Joachim Scholl · 13.07.2016
Verglichen mit der Buchhandelskette Thalia ist der Verlag Herder ein Zwerg. Dennoch kauft Herder jetzt Thalia mit knapp 300 Buchhandlungen auf und hofft damit auf den Ausbau des digitalen Geschäfts. Die Hintergründe erläutert der Verlagsexperte Rüdiger Wischenbart.
Für Außenstehende wirkt die Branchen-Meldung skurril: Herder, Spezial-Verlag für weltanschauliche und religiöse Sachbuch- und Ratgeber-Literatur mit einem Jahresumsatz von 30 Millionen Euro, verleibt sich die Thalia Bücher GmbH ein. Der Branchenriese auf dem Buchhandel-Sektor bringt es mit rund 300 Buchhandlungen auf immerhin 960 Millionen Euro.
Zu sagen, Thalia schlüpfe unter das Dach von Herder, sei deshalb in diesem Zusammenhang etwas verfehlt, meint der der Journalist Rüdiger Wischenbart, der sich seit vielen Jahren mit der Verlagsbranche beschäftigt.

Was hat Herder von dem Deal?

Die Vorteile für Herder lägen auf der Hand, sagt Wischenbart: Der Verlag wolle endlich auch auf den Digital-Zug aufspringen und die vorhandenen Strukturen von Thalia nutzen, weiterentwickeln und auch Smartphone-Nutzer erreichen. Zudem sei es praktisch, Herstellung und Vertrieb im Einzelhandel in ein und demselben Unternehmen zu haben, erläuterte Wischenbart.
Es sei nicht der einzige Zusammenschluss dieser Art. In Mittel- und Osteuropa sei es in den zurückliegenden Jahren ein häufig beobachtetes Phänomen gewesen, dass der größte Verlag den größten Buchhändler geschluckt habe – und umgekehrt.
Der Deal entbehrt nicht einer gewissen Ironie:
"Herder ist ein sehr traditionelles Unternehmen, das früher mal eine eigene Buchhandelskette dabei hatte, die es vor 20 Jahren an Thalia verkauft hat… Und jetzt geht es – schwuppdiwupp – anders herum."
Allerdings seien in dieses Geschäft auch der langjährige Geschäftsführer von Thalia, Michael Busch, und ein Manager aus dem IT-Dienstleistungsbereich des Unternehmens involviert.
Thalia, kann man daraus schließen, nimmt also weiterhin Einfluss. Die Kunden müssten nicht befürchten, ab morgen statt "schöner Kinderbücher ausschließlich Bibeln" im Sortiment vorzufinden. An diesem werde sich mit Sicherheit nichts ändern, betont Wischenbart.
Mehr zum Thema