Heidenau

Blamage ganz knapp abgewendet

Das Ortsschild von Heidenau
In Heidenau wäre ein Willkommensfest für Flüchtlinge fast einem Versammlungsverbot zum Opfer gefallen. © dpa/picture-alliance/Arno Burgi
Von Frank Capellan · 29.08.2015
Das Versammlungsverbot in Heidenau wurde zeitweise aufgehoben. Frank Capellan hält das für richtig - und zwar aus zwei Gründen.
Rechtes Pack in Dunkeldeutschland. Der Vizekanzler ist wütend, dem Bundespräsidenten aus dem Osten platzt der Kragen. Das ist verständlich. Das ist erst einmal auch gut so. Gerne fordern wir doch deutliche Worte von unseren Politikern und wenden uns gelangweilt vom ängstlichen Diplomatensprech vieler Volksvertreter ab.
Und doch haben Gabriels und Gaucks Worte die Stimmung weiter angeheizt. Das ist traurig, aber da müssen sie und wir nun durch. Ganz bewusst werden beide nun so hingestellt, als würden sie den gesamten Osten und insbesondere die sogenannten besorgten Bürger verteufeln und berechtigte Sorgen nicht ernst nehmen. Der SPD-Vorsitzende aber bezog sich explizit auf die, die selbst vor Gewalt gegen Flüchtlinge nicht zurückschrecken. Dem ostdeutschen Pfarrer Joachim Gauck wird wohl kaum vorgeworfen werden können, die gesamte ehemalige DDR für rechte Stimmungsmache verantwortlich zu machen. Die ersten Reaktionen, die zynischen "Wir-sind-das-Pack"-Rufe in Heidenau, zeigen allerdings, wie wenig solche Differenzierungen noch möglich sind.
Ein Verbot der Proteste wäre der falsche Weg
Das zu erleben, verschlägt einem erst einmal die Sprache, aber dennoch: Gott sei Dank haben Richter in Dresden am Freitag verhindert, dass sie jetzt mit einem Versammlungsverbot auch noch mundtot gemacht werden. Es wäre das Eingeständnis gewesen, dass die Polizei die Flüchtlinge in unserem Land nicht mehr schützen könnte.
So traurig die dumpfen Proteste auch sind – sie zu verbieten, auch noch mit dem Hinweis, dass es an Polizeibeamten mangelt, wäre der völlig falsche Weg. Die NPD, die zu Demonstrationen aufgerufen hat, die dazu ermunterte, die Kanzlerin bei ihrem Besuch am Mittwoch mit Buhrufen und Hup-Tiraden zu empfangen, würde sich sofort in einer Märtyrer-Rolle wiederfinden, die wir den Rechten nicht zugestehen dürfen. Wer den "Das-wird-man-ja-wohl-noch-sagen-dürfen"-Vertretern das Wort verbietet, treibt ihnen neue Sympathisanten in die Arme. Erst stempelt uns die Politik als "Pack" ab, dann verbietet sie uns, unserer Wut Ausdruck zu verleihen – das wäre die zwangsläufige Reaktion.
Angela Merkel hat ihren Innenminister in die Spur gesetzt
Genauso wichtig aber ist, dass auf keinen Fall diejenigen verstummen dürfen, die sich schützend vor die Flüchtlinge stellen, deren Aufnahme begrüßen und ein Zeichen gegen Stimmungsmacher setzen wollen. Deutschland und seine Politiker, die immer wieder die Willkommenskultur in unserem Land mit blumigen Worten beschwören, hätten sich vollends lächerlich gemacht, wenn einem Versammlungsverbot auch noch ein Willkommensfest vor der Flüchtlingsunterkunft in Heidenau zum Opfer gefallen wäre.
Angela Merkel hat das zum Glück erkannt, sogleich ihren Innenminister in die Spur gesetzt und eine Unterstützung des Bundes bei Polizeieinsätzen angekündigt. Damit hat die Kanzlerin in letzter Minute die Notbremse gezogen. Wer will eigentlich noch rechtfertigen, dass an jedem Wochenende Tausende von Polizisten auf Kosten der Steuerzahler Fußballspiele sichern, wer kann erklären, dass fast 20.000 Polizisten aus der ganzen Republik den G7-Gipfel in Elmau absichern – die Demonstrationsfreiheit in Sachsen aber nicht mehr gewährleistet werden kann? Die Politik muss sich einiges einfallen lassen, deutliche Worte allein lösen das Problem noch nicht.
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