Harter Held in Hongkong

Rezensiert von Andrea Fischer · 17.10.2005
Der dicke rote Band versammelt fünf kurze Romane – man könnte auch sagen, lange Kurzgeschichten – um den Hongkonger Privatdetektiv Lim Tok.
Der ehemalige Polizist löst Fälle im Hongkong der 90er Jahre, mal geht es um Banden, die Mädchenhandel betreiben und darüber in Konkurrenz geraten, mal sind es Schmuggelgeschäfte oder auch Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Seiten der organisierten Kriminalität.

Lim Tok wohnt auf einer Dschunke im Hongkonger Stadtteil Aberdeen, verlässt sich auf seine gute Nase und sein gutes Netz von Helfern und Freunden und kommt so selbst in einer Stadt, in der das Verbrechen alltäglich ist, recht weit mit der Aufklärung seiner Fälle.

Die Lim Tok-Geschichten sind eher Abenteuergeschichten als moderne Kriminalromane. Sie beleben noch einmal das alte Muster vom hartgesottenen Privatdetektiv, der Frauen vor allem auf ihre Tauglichkeit im Bett beurteilt, der sich auch ganz allein gegen alle Feinde durchsetzen kann, weil er schlau und schnell ist.

Das ist schön altmodisch, manchmal auch unfreiwillig komisch, wenn der Detektiv zu sehr in diese Rolle gepresst wird und obercool tun muss, tatsächlich aber nur harmlos wirkt:

"Ohne Risiko kann man nicht einmal Rippchen essen."

Der Vergleich mit den ambitionierten Kriminalromanen unserer Tage geht zu ungunsten von Lim Tok aus, aber manchmal mag man's ja auch schlicht und geradeaus.

Asien ist aufgrund seiner außerordentlich dynamischen Entwicklung derzeit ein großes Thema für Kriminalromane. Aber Thürk ist nicht auf eine Modewelle aufgesprungen, Asien ist sein Lebensthema. Seit einem mehrjährigen Aufenthalt in den 50er Jahren kam Thürk über Jahrzehnte immer wieder zurück als Reporter. Seit 1980 aber kann er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr reisen, das Hongkong der 90er Jahre in den Lim Tok-Krimis ist also ein Phantasieprodukt.

Das ist ihm – nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner guten Kenntnisse von Ort und Leben – erstaunlich lebendig gelungen, bei genauerem Hinsehen kann man es allerdings doch spüren, dass mangelndes eigenes Erleben seinem Hongkong etwas Romantisches gibt, das sich in den rasanten 90er Jahren in der Realität verflüchtigt haben dürfte. So erinnern die Triaden, die chinesische Form der organisierten Kriminalität, eher an die Mafia der 20er Jahre als dass sie den weit verzweigten mächtigen modernen kriminellen Organisationen entsprechen, die sie heute sind.


Harry Thürk war einer der kommerziell erfolgreichsten und auflagenstärksten DDR-Schriftsteller. Schätzungen vermuten seine Gesamtauflage zwischen drei und fünf Millionen. Er schrieb militärhistorische Werke, Anti-Kriegsromane, Thriller, Reportagen und eine umfangreiche Zahl von Abenteuerromanen, die zumeist in asiatischen Ländern spielen.

Politisch lässt sich einiges gegen einige seiner Werke einwenden, seine schlimmste ideologische Verirrung war mit Sicherheit ein extrem verleumderischer Kolportage-Roman über Solschenizyn und andere russische Dissidenten. Aber sein Erfolg beruht vor allem auf unterhaltenden Abenteuerromanen. Der Spiegel nannte ihn – mit Verweis auf seine männertümelnde Romantik und sein recht klassisches Frauenbild – den Konsalik des Ostens. Was auf jeden Fall deshalb nicht fair ist, weil Thürk, darin eben ganz DDR-Bürger, den Krieg nie romantisiert oder gar verherrlicht hat.

Für West-Bürger ist interessant, dass es dieses Genre von Unterhaltungsliteratur überhaupt in solchem Ausmaß in der DDR gab. Und für eine gesamtdeutsche Betrachtung ist bemerkenswert, dass Thürk bis heute ein außerordentlich erfolgreicher Autor in den neuen Bundesländern ist, während ihn im Westen – der ja auch empfänglich für spannend erzählte Schmonzetten ist – keiner kennt.

Sein Verlag, das Neue Berlin, ist ein traditionsreicher DDR-Verlag, der der wichtigste Verleger von Kriminalromanen in der DDR war, sowohl mit Hardcovern als auch mit der Reihe DIE (Delikte, Indizien, Ermittlungen). Heute gehört er zur Eulenspiegel-Gruppe und hat eine Krimi-Abteilung, in der inzwischen vor allem True Crime aus der DDR eine Heimat hat, Bücher über authentische Kriminalfälle aus der DDR.

In den 90er Jahren erschienen in der DIE-Reihe die Lim Tok-Krimis von Harry Thürk mit großem Erfolg. Der jetzt erschienene Band mit fünf Romanen, dem noch ein weiterer folgen soll, greift diesen Longseller noch einmal auf. Die Aufmachung entspricht dem aktuellen Geschmack, bedient das Interesse an Romanen aus dem asiatischen Raum und verzichtet vollkommen auf Informationen über den Autor – so entgeht er der vorschnellen Einordnung in die Kategorie "DDR-Literatur", die Leser aus dem Westen vermutlich wegen der verbreiteten – und durchaus nicht unbedingt zutreffenden – Vorurteile gegenüber DDR-Krimis abschrecken würde. Vielleicht findet Thürk auf diese Weise nun doch noch ein West-Publikum.


Harry Thürk: Der maskierte Buddha
Verlag Das neue Berlin,
14,90 €