Harte Zeiten für Exil-Schriftsteller

Das Filmgeschäft war eine Möglichkeit für die Exilanten, Geld zu verdienen.
Das Filmgeschäft war eine Möglichkeit für die Exilanten, Geld zu verdienen. © Jan-Martin Altgeld
22.01.2013
Ein Manuskript von Klaus Mann? Unverfilmbar! Ein Text von Joseph Roth? Keine Chance! Wer als Exil-Autor während der Nazizeit in Hollywood Fuß fassen wollte, musste erst am Filmagenten Paul Kohner vorbei. Der Band "In der Ferne das Glück" versammelt Briefwechsel aus dessen Nachlass.
Paul Kohners Agentur am Sunset Boulevard in Los Angeles war einer der Türöffner auf dem Weg in die Hollywood-Studios. Literaten, Theater- und Filmkünstler, die von den Nazis ins Exil getrieben wurden, hatten seine Adresse im Gepäck, wenn sie um die Einreise in die USA rangen, wenn sie von ihren Fluchtorten aus arbeiten und Geld verdienen wollten. Paul Kohners Einfluss konnte Drehbuchautorenjobs und damit auch Reisepapiere ermöglichen, gleichzeitig konnte sein Nein zu Filmentwürfen den aus der Bahn geworfenen Europäern die Augen öffnen für die Maschinerie des amerikanischen Kinos, für Genres und Geschmack der Kulturindustrie.

"In der Ferne das Glück", eine Sammlung bislang unveröffentlichter Filmerzählungen von prominenten Künstlern im Exil, fußt auf der literarisch-filmhistorischen Spurensuche der Herausgeber Wolfgang Jacobsen und Heike Klapdor in Paul Kohners umfangreichem Archiv, das in der Deutschen Kinemathek Berlin aufbewahrt wird. Klaus Mann, Heinrich Mann, Vicki Baum, Fritz Kortner, Luis Trenker und viele andere sandten Paul Kohner ihre in Paris, New York und anderen Exil-Orten entstandenen Erzählungen oder Story-Skizzen zu und baten um wohlwollende Prüfung.

Kohner ließ die mehr oder weniger filmbewussten literarischen Vorlagen von hauseigenen Profis lektorieren, kam jedoch häufig zu dem Schluss, dass sie keine Chance auf dem amerikanischen Stückemarkt hätten. So finden sich im Kohner-Nachlass neben den Originaltexten auch die Briefwechsel, oft verzweifelte persönliche Dokumente der verhinderten Scriptautoren, realistische Zeitbilder über die Lebensumstände im erzwungenen Exil, aber auch nüchterne Urteile über das Unterhaltungskino der großen Hollywoodstudios.

Zwischen den Genres schwebendes Lesebuch
Wolfgang Jacobsen und Heike Klapdor, beide als Filmhistoriker mit dem Paul Kohner-Archiv bestens vertraut, ist ein reizvolles, zwischen den Genres schwebendes Lesebuch gelungen. Klaus Mann träumt da beispielsweise unmittelbar nach Beginn des Zweiten Weltkriegs in einer Geschichte über zwei feindliche Brüder den Traum einer deutsch-französischen Aussöhnung - unverfilmbar zu seiner Zeit. Joseph Roth und Leo Mittler versetzten sich etwa zur selben Zeit in eine Geschichte um den Beginn des Ersten Weltkrieges zurück - unrettbar aus der Zeit gefallen, wie Paul Kohner meint. Fritz Kortner und Josef Than schrieben sich die traumatische Erfahrung im nationalsozialistischen Deutschland in einer psychopathologisch aufgeladenen Kolportage über Hitlers Verhältnis zu Frauen vom Leib.

Der Band bietet einen Streifzug durch die Fantasiewelten der Künstler, deren hier erstmals publizierte Erzählungen um die eigene, infrage gestellte Identität ringen und sich zugleich an die Maßstäbe der Drehbuchproduktion anpassen. "In der Ferne das Glück" ergänzt die rund zwei Dutzend Originaltexte durch aufwändig recherchierte biografische, film- und literaturhistorische Kommentare. Das Buch ist ein ursprüngliches Leseerlebnis und ein informativer Beitrag zur Exilgeschichte.

Besprochen von Claudia Lenssen

Wolfgang Jacobsen, Heike Klapdor (Hg.): In der Ferne das Glück - Geschichten für Hollywood
Aufbau Verlag, Berlin 2012
503 Seiten, 26,99 Euro