Hans Woller: "Mussolini. Der erste Faschist"

Das Erfolgsgeheimnis des "Duce"

Porträtaufnahme von Benito Mussolini in Uniform
Undatierte Aufnahme von Benito Mussolini © picture alliance / dpa
Von Maike Albath · 23.07.2016
Benito Mussolini, Diktator des faschistischen Italien, beherrschte die Kunst der Selbstinszenierung. Er war der erste Popstar der Politik, stellt der Münchner Historiker Hans Wollner in seiner Biografie fest. Und zeigt, dass der "Duce" nicht der harmlose Vorgänger Hitlers war, als der er oft abgetan wird.
Mit nacktem Oberkörper beim Ernteeinsatz oder auf einem Schlitten im Schnee, staatsmännisch auf dem Balkon des Palazzo Venezia oder als fürsorglicher Familienvater inmitten seiner Kinder: Benito Mussolini wusste, wie er den Italienern gefiel. Er beherrschte die Kunst der Selbstinszenierung und operierte mit allen Mitteln der modernen Kommunikation. Er sei der erste Popstar der Politik gewesen, stellt Hans Woller in seiner fesselnden Biografie des Diktators fest.
Aber gerade Mussolinis Fähigkeit, der eigenen Erscheinung ikonografische Züge zu verleihen, macht die Auseinandersetzung mit den politischen Implikationen seines Regimes so schwer. Allzu häufig tat man ihn als Operetten-Buffo und harmloseren Vorläufer Hitlers ab, und bis heute geistert Mussolini wie ein Untoter durch die italienische Gegenwart. Dem tatsächlichen "Duce" auf die Spur zu kommen, dem Ursprung seiner faschistischen Ideologie nachzugehen und seinen über 20 Jahre lang äußerst erfolgreichen Herrschaftsstil zu untersuchen, ist das Anliegen des Münchner Historikers Hans Woller.

Diktator noch vor dem Schulterschluss mit Hitler kenntlich

Wollers Biografie besticht durch den beständigen Wechsel von erzählerischen Passagen, Einbettungen in den geistesgeschichtlichen Kontext und kühlen Analysen der Machtverhältnisse. Dabei wird die Person Mussolinis, der von einem ungeheuren Ehrgeiz getrieben war, einen starken Hass auf das bürgerliche Establishment kultivierte und sich Zeit seines Lebens seiner sexuellen Potenz brüstete, tatsächlich greifbar. Der 1883 in der Romagna geborene Journalist begann seine politische Karriere als kämpferischer Sozialist.
Buchcover: "Mussolini. Der erste Faschist" von Hans Woller
Buchcover: "Mussolini. Der erste Faschist" von Hans Woller© Verlag C.H. Beck
In elf weit gespannten Kapiteln nimmt Hans Woller immer wieder exemplarische Daten als Ausgangspunkt, an denen die Entwicklung Mussolinis markant wird. Dazu zählt nicht nur ein Parteitag der Sozialisten im Sommer 1912, als Mussolini taktisch agierte, nach einigen Monaten die Chefredaktion des Parteiorgans L’Avanti übernahm und seine Lektüren von Marx, Gobineau, Georges Sorel und Nietzsche nach und nach zu einer eigenen Linie umdeutete - sondern auch der Marsch auf Rom im Oktober 1922 und der mit grausamsten Mitteln geführte Eroberungskrieg in Abessinien im Frühjahr 1936, bei dem der Diktator noch vor dem Schulterschluss mit Hitler kenntlich wurde. Massenerschießungen, Giftgas, Deportationen - ihm war jedes Mittel recht.

Ein Buch wie dieses hat lange gefehlt

Von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt, suchte er nach Lebensraum für seinen "uomo nuovo" und zielte auf eine nationale Erneuerungsbewegung. In Italien etablierte er eine "Erziehungsdiktatur", wie Woller es nennt, denn laut Mussolini sei "das Volk ein großes Kind, das man führen muss".
Zu Beginn seines Regimes versprachen sich selbst die konservativen Eliten, die nichts mehr fürchteten als den Bolschewismus, eine Befriedung des Landes. Spätestens seit dem Abessinienkrieg hätten sie den wahren Charakter der totalitären Schreckensherrschaft erkennen können – lange vor Mussolinis Eintritt in den Zweiten Weltkrieg. Die Verstümmelung des Leichnams, der am Piazzale Loreto am 29. April 1945 kopfüber aufgehängt wurde, deutet Hans Woller als einen Versuch der Italiener, sich von den eigenen Verstrickungen befreien zu wollen. Ein Buch wie dieses hat lange gefehlt.

Hans Woller: Mussolini. Der erste Faschist. Eine Biografie
C.H. Beck Verlag, München 2016
397 Seiten, 26,95 Euro

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