Handel

Marktfreiheit oder Privatisierungsorgie?

Leitungswasser läuft am 08.03.2013 in Hannover (Niedersachsen) in ein Glas.
Kritiker befürchten, dass die Wasserversorgung durch das TiSA-Abkommen dereguliert wird. © Lukas Schulze / dpa
Von Anke Petermann · 29.04.2014
In Genf wird gerade über ein Vertragswerk verhandelt, das den Marktzugang ausländischer Unternehmen im Dienstleistungssektor erleichtern soll. Kritiker befürchten allerdings, dass dadurch Mindeststandards zum Nachteil von Verbrauchern aufgeweicht werden.
TiSA steht für Trade in Services Agreement, also Abkommen zum Handel mit Dienstleistungen. Aushandeln wollen es 23 Mitglieder der Welthandelsorganisation WTO, darunter die Europäische Union. Die sogenannten "echten Freunde der Dienstleistungen", darunter die USA, Kanada, Australien, südamerikanische und asiatische Staaten, wollen sich untereinander Marktzugänge sichern.
Mit Dienstleistungen gemeint sind laut einem Papier der EU-Kommission u.a. solche im Sektor Transport und Post, sowie elektronischer Handel, Informations- und Kommunikationstechnologie. Die EU-Kommission nennt ausdrücklich keine abgeschlossene Liste. Bildung, Gesundheits- und Wasserversorgung lässt sie in einem dreieinhalbseitigen TiSA-Überblick unerwähnt.
Doch Nichtregierungsorganisationen fürchten, dass auch diese Sektoren dereguliert, also von Vorschriften befreit werden, zum Nachteil von Verbrauchern und Arbeitnehmern sowie kleiner und mittlerer Unternehmen. Profitieren würden von dem Abkommen hauptsächlich internationale Banken-, Energie-, Versicherungs-, Telekommunikations- und Transportkonzerne – so verstehen jedenfalls 270 zivilgesellschaftliche Organisationen die Absichten der 23. Sie fordern Transparenz statt Geheimniskrämerei und kündigen Widerstand gegen die Inhalte des Abkommens an.
Ska Keller, Spitzenkandidatin der europäischen Grünen im Europaparlament, lehnt weitere Privatisierung von Dienstleistungen ab. Die Politikerin kritisiert im Interview mit Deutschlandradio Kultur das geplante TiSA-Abkommen als intransparent und verbraucherfeindlich.
Die Europäische Kommission und 22 weitere Staaten verhandeln derzeit in Genf über TiSA. "Es geht hier auch um Bereiche, die sehr sensibel sind, die im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge angesiedelt sind, wie zum Beispiel die Wasserversorgung", warnt Keller. Es gebe genug Beispiele in Europa, die zeigten, dass sich nach einer Privatisierung die Wasserqualität verschlechtert und die Preise erhöht hätten. In Großbritannien habe zudem die Privatisierung der Bahn zu schlechterem Service und teureren Ticketpreisen geführt. Den Unternehmen gehe es darum, Profit zu machen: "Deswegen ist es ein Irrtum zu glauben, durch die Privatisierung verbilligen sich Sachen."
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