HAMBURGER KUNSTPROJEKT ZU KREUZFAHRTEN

Wie ein dummer Jungenstreich

Ein Kreuzfahrtschiff
Kreuzfahrttourismus: Den kritisiert das Künstlerkollektiv mit seinem Projekt "Alternatives Kreuzfahrtterminal". © picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt
Von Alexander Kohlmann · 19.08.2015
Das Hamburger Künstlerkollektiv Geheimagentur prangert den Kreuzfahrt-Tourismus an. Die hochhausgroßen Schiffe blendeten Realitäten des Meeres wie Piraterie oder Flüchtlingskatastrophen aus. Deshalb starten sie alternative Kreuzfahrten im Hamburger Hafen. Aber die wirken wie ein dummer Jungenstreich.
Schon die Anfahrt gestaltet sich schwierig. Bereits in der Hafencity verabschiedet sich das Navi, zeigt "unbekanntes Terrain". Mit der Fahrt über die Elbbrücken verlassen die Zuschauer endgültig den urbanen Teil der Metropole. Riesige Lkw kommen einem entgegen, immer wieder führen Brücken über Kanäle der Elbe, gigantische Schiffe leuchten am Horizont.
Nur zehn Kilometer weit ist der Weg vom Hauptbahnhof bis zum Alternativen Kreuzfahrtterminal der Geheimagentur, nur zehn Kilometer Entfernung, aber dennoch befindet man sich am Ziel in einer komplett anderen Welt.
"Uns geht es als Geheimagentur darum, dass wir uns wünschen, dass jeder Stadtbewohner einen Zugang hat zum Hafen. Und um zu zeigen und zu erleben, dass das hier offshore ist, muss man halt diesen Weg hierher machen",
erklärt eine Frau mit Arbeiter-Overall und wilden Locken, die wie alle anderen Mitglieder der Geheimagentur ihren Namen nicht genannt haben möchte.
"Offshore heißt halt, es ist wie ein Unort, man ist nicht mehr in der Stadt, man ist auf einem anderen Gelände",
sagt die Lockenfrau. Dann überreicht sie der Gruppe von etwa 40 Besuchern einen Boardingpass. Über eine kleine Brücke geht es in die Ruine der ehemaligen Oelkerswerft. Die ist nicht viel mehr als ein riesiges Betonskelett, das zum Wasser hin offen ist. Dreckiger Sand bedeckt den Boden, das Gelände ist mit Schadstoffen verseucht. Ein kleiner Wohnwagen mit Getränkeausgabe gegen Spenden und ein riesiger, aufblasbarer Plastikeisberg, füllen die Halle. Ein Plastikeisberg, mit dem die geheimen Verschwörer heute gegen die etablierten Kreuzfahrtriesen zu Felde ziehen wollen.
Vakuum zwischen den Bettenburgen
Es geht nicht nur um Neuentdeckung des Hamburger Hafens, sondern auch um die Rückeroberung des Lebensraums Meer:
"Es geht halt darum, dass Kreuzfahrt schon so organisiert ist, dass so ein bisschen die Realitäten des Meeres ausgeblendet werden",
erklärt ein anderer Geheimagent. Pervertiert sei das Kreuzfahrtgeschäft. Die Schiffe würden immer größer, weil die Zahl der Außenkabinen entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg sei. Zwischen den Bettenburgen entstünde ein riesiges Vakuum. Diese Leerstelle werde dann gefüllt mit Saunen und Wellnesswelten, Theatern und Kinos.
"Das heißt, das Meer wird zur Kulisse und der Urlaub, der darauf stattfindet, ist eigentlich einer, der sich abschottet von all den Sachen, die sonst da passieren: Flüchtlinge, der ganze Handel, der da läuft, und all das passiert und wird aber ausgeblendet".
Der Blick der Kreuzfahrer richtet sich nach innen, nicht mehr nach draußen, auf die See - kritisiert die Geheimagentur. Auf ihrer ersten eigenen Kreuzfahrt wollen sie genau das ändern.
Polizei konfisziert Plastik-Eisberg
Wir gehen an Bord. Eine ziemlich alte Hamburger Hafenbarkasse hat unweit der Werftruine festgemacht. An Bord gibt es Getränke gegen Bares, mehr Kreuzfahrt-Luxus braucht es nicht. Dann geht es zu Reggae-Klängen hinaus aufs Wasser. Die Idee einer anderen Form der Kreuzfahrt ist eine schöne Utopie, eine Kreuzfahrt, die die Augen öffnet für Probleme wie Piraterie und Flüchtlingsströme, auf der man etwas lernen kann, über die Wunder des Ökosystems See. Aber es kommt anders. Der Plastik-Eisberg, den die Aktivisten in Sichtweite unserer Hafenbarkasse vor das Clubschiff Aida ziehen wollen, wird in kürzester Zeit von der Hafenpolizei konfisziert.
Und damit hat es sich dann auch. Es gibt kein Programm an Bord, keine Performance - ohne Moderation tuckert die Barkasse durch den regenassen Hamburger Hafen, drei Stunden lang. Zum Schluss warten Polizisten auf die Start-upper im Kreuzfahrtbusiness. Es gibt eine Anzeige wegen gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr. Das ganze mutet an wie ein dummer Jungenstreich. Ob die Geheimagentur mit dieser dilettantischen Aktion etwas erreicht hat, bleibt fraglich.

Das Projekt "Alternatives Kreuzfahrtterminal" geht noch bis 20. August 2015, von 14 bis 22 Uhr. Mehr Infos auf der Webseite des Künstlerkollektivs Geheimagentur.

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