Hamburg

Wenn die Mülldetektive zwei Mal klingeln

Von Katrin Albinus · 22.04.2014
Sie fahnden nach den Besitzern von herrenlosem Müll, um den Verursachern die Rechnung für die richtige Entsorgung zukommen zu lassen: Michael von Rekowski und Jörg Möller sind "Mülldetektive" in Hamburg. Und sie haben viel zu tun.
Von Rekowski: "Da ist nichts mehr drin, das ist alt, das kann eigentlich weg.... Moin, Moin!"
Michael von Rekowski und Jörg Möller kontrollieren ihr Postfach. Ob Meldungen über die neuesten Müllablagerungen drin sind, die eine Hotline sammelt und an Möller und von Rekowski weiter gibt. Heute ist das Fach leer, das "Ermittlerteam" wird die üblichen Ecken abfahren.
Möller: "Oh, man muss Fingerspitzengefühl haben, man muss den richtigen Riecher für den Müll haben, man muss auch mit Menschen umgehen können, sag ich mal, weil man ja auch sehr viel mit Verursachern zu tun hat, mit denen muss man reden, Aufklärung betreiben. Ich sag mal: Man darf nicht schüchtern sein."
Den Eindruck machen die beiden auch nicht: Sein Kollege von Rekowski ist fast zwei Meter groß, beide Männer sind Mitte 50 und kräftig, Möller trägt einen dunkelbraunen Stetson. Mit einem Vorurteil räumt er gleich auf:
"Auch wenn man immer glaubt, dass nur..., ich sag mal der untere Bereich das alles vermüllen würde, stimmt das auch nicht so ganz. Da sind auch so die Wohlhabenden mit dabei, denen auch manchmal son bisschen das Verständnis fehlt dafür - und da muss man denn halt auch Aufklärung betreiben."
"Ich denk, wir müssen mal."
"Jetzt greifen wir an!"
Daneben stellen ist verboten
Fündig werden die beiden oft an einem der der vielen Container-Stamm-Plätze für Papier, Glas und Wertstoffe, wo der Müll gerne vor den Behältern landet.
Von Rekowski: "Einige schmeißen ihre Nassabfälle da hin, Gewerbeabfälle da hin, dann haben wir ne Rattenbildung, wenn wir Pech haben und das sieht einfach nur mistig aus, ne."
Was viele nicht wissen: Daneben stellen ist verboten. Außerdem bekommen die Männer, die die Container entleeren, den daneben liegenden Müll gar nicht auf den vier Meter hohen Wagen. Ein Extra-Dienst muss bestellt werden, das kostet Geld. Und das würde sich die Stadtreinigung gerne von den Verursachern wieder holen: 39,10 Euro werden pro angefangenem Kubikmeter fällig. Aber dafür müssen die Detektive Anschriften finden.
Möller: "So, mal gucken, ob wir Beute schlagen können. Papier, Wertstoff, Sperrmüll, alles dabei. Wir werden hier aber keine Adresse finden, seh ich so schon. Altkleider, alles, ist doch scheiße. Hier Dicker, noch'n Croissant, kannst noch'n Stück..."
Von Rekowski: "Essensreste, gehört doch hier alles nicht her und Farbe auch nicht."
Neben dem Altpapier-Container liegt Pappe, dabei ist der Container fast leer. Jemand hat den Einwurf mit einem sperrigen Karton verstopft, die nächsten haben ihr Papier dann neben den Behälter gestellt. Adressaufkleber sind nirgends zu finden, von Rekowski ruft die Hotline an, damit der Platz gesäubert wird. Danach geht es auf einen Kaffee in die Kantine der Stadtreinigung.
"Moin! Moin!"
"Na, alles gut?"
"Ja und selbst?"
"Na, Müllbulle, wie geht's?"
Seit Einführung der Entsorgungsüberwachung vor 20 Jahren ist Michael von Rekowski schon Mülldetektiv. Am Umgang mit Abfall lassen sich auch gesellschaftliche Veränderungen ablesen, erzählt er.
"Wir haben mittlerweile leider eine Armut in Hamburg, wo viele Bürger sich gezwungen sehen, Tüten aufzureißen und nach Wiederverwertbarem suchen, Lebensmittel, Flaschen, all son Kram und dann flattert das auf der Straße rum, dann liegen da Tabletten, Chemikalien, Reinigungsmittel, das gehört da dann nicht rein. Kinder die das finden, die andere damit in Gefahr bringen, solche Sachen... das gehört sich einfach nicht und das weiß, denke ich, heute jeder."
Trotzdem ist immer wieder Aufklärung nötig - und auch viel Geduld. Denn in der Regel bekommen die beiden die immer gleichen Ausreden zu hören, wenn sie jemand aufspüren und zur Rede stellen. Meist war es dann der Sohn, die Putzfrau oder der Azubi. Gezahlt werden muss aber trotzdem.
Der "Täter" wohnt um die Ecke
Bei der nächsten Wertstoff-Sammelstelle stapeln sich zwischen den Papierbehältern Tüten mit Altpapier, darunter auch viele Briefe. Wird ein Adressat nur ein einziges Mal gefunden, reicht das als Beweis aber noch nicht aus, der Brief kann auch zufällig dazwischen geraten sein.
von Rekowski: "Das sind alles leere, außer... alles nur leere..., oh, da."
Möller: "Wenn das andere auch noch von ihm ist, dann haben wir Grund zum Feiern. Ja gut, langt Dicker. Schmeiß rein da, ich mach Foto."
Mehrere Umschläge werden fotografiert und alles mitgenommen. Als Beweismittel - mit denen der "mutmaßliche Täter" gleich konfrontiert wird - wenn die Ermittler ihn antreffen.
In diesem Fall wohnt er gleich um die Ecke.
"Mahlzeit. Die Stadtreinigung, Entsorgungsüberwachung..."
Post von der Stadtreinigung gibt's auf jeden Fall: mit einer Rechnung, Fotos und der Möglichkeit, sich zu äußern. Danach entscheiden die Kollegen im Innendienst, ob sie die Kosten einfordern. Bei Wiederholungstätern kommt ein Bußgeld dazu, bei größeren Sauereien gibt's eine Anzeige. Doch hier war wohl ein Ersttäter am Werk, die Sache ist schnell geklärt.
von Rekowski: "Kostet normalerweise 39,10 Euro!"
"Ja, klar, zahlen wir. Ja, logisch, das tut mir leid."
von Rekowski: "Das Geschäft, der stört sich da auch dran, denn weht das auf den Fußweg, das ist schon..."
"Könnten Sie uns die Bilder einmal zuschicken?"
Möller: "Das kriegen Sie zugeschickt."
"Super, perfekt, das tut uns leid. Manchmal..."
Möller: "Kein Thema!"
"Gute Woche noch, wir werden drauf achten. Tschüss!"
Möller: "Das ist der seltene Fall."