Guy Delisle: "Geisel"

Zeit, die nicht vergeht

Der kanadische Comiczeichner Guy Delisle.
Der kanadische Comiczeichner Guy Delisle. © Olivier Roller / Fedephoto
Guy Delisle im Gespräch mit Frank Meyer · 28.03.2017
Ganze 111 Tage war der Franzose Christophe André in Tschetschenien entführt. Dann gelang dem Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" die Flucht. Nach einem Treffen mit André stand für den kanadischen Comic-Künstler Guy Delisle fest: Diese Geschichte musste er zeichnen.
Cover "Geisel" von Guy Delisle.
Cover "Geisel" von Guy Delisle.© Guy Delisle
Der Anfang ist dramatisch: Eines Nachts wird in Inguschetien das Quartier von "Ärzte ohne Grenzen" aufgebrochen, Christophe André gefesselt und nach Tschetschenien verschleppt. Doch bis zu seiner Flucht passiert so gut wie nichts: André ist in einem kahlen Raum an die Heizung gefesselt, drei Mal am Tag gibt es etwas zu essen. André wartet auf die Freiheit, rechnet erst mit zwei Tagen, dann vielleicht einer Woche, einem Monat. Genau darum sei es ihm gegangen, sagt Delisle: "Die Zeit ist das Hauptthema dieses Comics." Der Leser sollte "sehr viele Seiten" umblättern, um das nachempfinden zu können - und auf das Ende gespannt zu sein. "400 Seiten - das ist schon etwas", sagt der Kanadier.

Zwei Jahre für ein Buch

Aus seinem Gespräch mit André wisse er, wie dieser es geschafft habe, nicht verrückt zu werden: Er habe sich jeden Tag das Datum eingebläut und sich in eine Gedankenwelt geflüchtet. So habe er sich ganze Schlachten mit Napoleon vorgestellt oder die französischen Generäle "von A bis Z" heruntergebetet: "Wenn man viel Phantasie hat, kann man sich damit behelfen."
Mithilfe einer tschetschenischen Familie sei André schließlich die Flucht gelungen. Sechs Monate später habe er wieder für "Ärzte ohne Grenzen" gearbeitet. Traumatisiert sei er nicht. André habe ihm, Delisle, gesagt, dass seine Flucht die beste Therapie gewesen sei. Dass Leser sein Buch nicht wieder weglegen können und es schnell lesen, freut Delisle. Allerdings: "Ich habe zwei Jahre dafür gebraucht!"

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