Große Koalition und kleine Brötchen

Von Karl-Heinz Gehm · 04.07.2006
Ist das Echo verheerend und strotzen die Protagonisten dennoch vor Optimismus, dann weiß der Betrachter: Hier ist wieder einmal ein Stück Reformpolitik Made in Germany zu bestaunen. Derzeit das Fallbeispiel Gesundheitsreform. Da soll ja bekanntlich der Durchbruch gelungen sein oder zumindest der echte Einstieg in eine echte Strukturreform.
Ist das Echo verheerend und strotzen die Protagonisten dennoch vor Optimismus, dann weiß der Betrachter: Hier ist wieder einmal ein Stück Reformpolitik Made in Germany zu bestaunen. Derzeit das Fallbeispiel Gesundheitsreform. Da soll ja bekanntlich der Durchbruch gelungen sein oder zumindest der echte Einstieg in eine echte Strukturreform.

Immerhin haben die beiden schwarz-roten Fraktionen am Nachmittag, bevor sie sich mit einer Mischung aus Frustration und Erschöpfung in die Sommerpause geschleppt haben, das Projekt pauschal erst einmal abgenickt. Begeisterung war Fehlanzeige.

Denn schließlich hat sich unter Schwarz-Rot nach siebenmonatiger Regierungszeit so etwas wie ein Reformritual entwickelt. Motto: Große Koalition und kleine Brötchen. Das hat eine Politik der kleinen Schritte nun einmal an sich.

In einer langen, langen Kanzleramtsnacht haben alle Beteiligten mit teils erheblicher Lautstärke und vielen Auszeiten ihre Essentials erbittert verteidigt. Und obendrein hat Edmund Stoiber, nach feiner Absprache mit demnächst wahlkämpfenden christdemokratischen Länderchefs, Angela Merkel wieder einmal klar gemacht, dass es beileibe nicht die Kanzlerin sein muss, die da die Richtlinien der Politik bestimmt. Entsprechend bitter denn auch die SPD-Kommentare zum Merkel-Umfaller bei der angepeilten Steuerfinanzierung der
Kindermitversicherung. Wortbruch tönt der SPD-Fraktionschef, das mag Beleg sein, wie blank die Nerven liegen bei den Koalitionären.

Im Ton und in der Perspektive. Wo der viel zitierte Paradigmenwechsel in der
Gesundheitspolitik hätte eingeläutet werden sollen, heißt es jetzt lapidar im Eckpunkte-Papier: die Finanzierung ist in der nächsten Legislaturperiode sicherzustellen. Soviel zur Politik der neuen Nachhaltigkeit.

Im konkreten Falle handelt es sich um gerade mal 14 Milliarden Euro, aber der Finanzminister wird's ja wohl haben. Und so darf Peer Steinbrück derweil eine Last nach der anderen schultern, die ihm die Reformpolitiker aufladen.

Zur Einübung schon jetzt einige wenige Milliarden nur, die aus dem Etat zu
erwirtschaften sind. Bleibt die Frage, wie das funktionieren soll. Das sehen auch die Krankenversicherungen so. Die jammern schon jetzt, die Beitragserhöhungen reichten vorne und hinten nicht aus, um die Finanzlücken zu schließen.

So ist denn angesichts höchst divergierender Interessenlage der politischen Akteure der kleinste gemeinsame Nenner zu bestaunen. Das Mäuschen Gesundheitsreform, das da in die Welt gesetzt ward, wird nicht lebensfähig sein und diese Wahlperiode wohl kaum überdauern.