Griechenland

Eine Tragödie

Von Thomas Bormann  · 24.02.2014
In Griechenland verschlimmert sich für viele Menschen die Lage: Sie verlieren die Krankenversicherung und können sich keinen Arztbesuch mehr leisten. Dem Kollaps des Finanzsystems folgt der Kollaps der Sozialsysteme.
Mühsam schleppt sich Konstantinos auf seinen Krücken durch den Flur der Klinik. Hier müssen die Patienten nichts bezahlen für die Untersuchung beim Arzt; auch die Medikamente kosten nichts. Ärzte und Krankenpfleger betreiben diese Klinik ehrenamtlich, in ihrer Freizeit. Die Medikamente stammen allesamt aus Spenden. Konstantinos holt sich am Schalter seine Tabletten:
"Ich habe ein Magengeschwür und muss deswegen jeden Tag Medikamente nehmen. Die bekomme ich hier kostenlos; zum Glück. Und die Ärzte hier untersuchen mich auch immer wieder."
Die Klinik der Hilfsorganisation „Ärzte der Welt“ am Omonia-Platz in Athen springt dort ein, wo der griechische Staat versagt. Hier werden Patienten wie Konstantinos behandelt, die wegen der Krise nicht mehr krankenversichert sind. Konstantinos ist 60 Jahre alt; früher war er mal ein sportlicher, muskulöser Mann, hat als Mechaniker in einer Motorradwerkstatt gearbeitet. Jetzt hat er nicht nur einen kranken Magen und kaputte Knie, sondern er muss sich auch noch ohne jedes Einkommen durchschlagen:
"Überlegen Sie sich mal: Ich hatte eine Behindertenrente bekommen, und die haben einfach die Rente gestrichen und gesagt: Ich soll wieder arbeiten. Die denken wohl, ich könnte mit meinen Krücken zurück in die Motorradwerkstatt, wie stellen die sich das bloß vor?"
"Drei Millionen sind nicht krankenversichert"
Keine Arbeit, das bedeutet in Griechenland immer häufiger: kein Geld, um die Beiträge für die Krankenversicherung zu bezahlen. Langzeitarbeitslose sind auf Hilfe der eigenen Familie angewiesen; sie können sich die Beiträge für die Versicherung nicht leisten, denn Sozialhilfe gibt es in Griechenland nicht. Theodoros Paraskevópoulos von der Oppositionspartei Syriza schlägt Alarm:
"Drei Millionen sind nicht krankenversichert, das ist ein Drittel der griechischen Bevölkerung."
Die griechische Regierung hält diese Zahl zwar für übertrieben, unbestritten ist aber, dass immer mehr Griechen aus der Krankenversicherung herausfallen. Theodoros Paraskevopoulos berichtet von Fällen, in denen Patienten gestorben sind, weil sie von einem staatlichen Krankenhaus abgewiesen wurden. Paraskevopoulos fordert deshalb, dass alle Griechen, egal ob krankenversichert oder nicht, ab sofort Anspruch auf medizinische Versorgung bekommen:
Thomas Bormann, ARD-Hörfunkkorrespondent Türkei
Korrespondent Thomas Bormann© privat
"Wir können nicht darauf warten, dass ein Sozialhilfewesen aufgebaut wird. Das brauchen wir, aber man nicht warten, das dauert. Inzwischen werden Menschen sterben. Also man muss Sofortmaßnahmen ergreifen. Eine Sofortmaßnahme ist, dass jeder Mensch sofort, ab morgen, das Recht auf Gesundheitsversorgung hat."
Denn dann könnten auch Patienten wie der 60-jährige Konstantinos wieder ganz normal in die Sprechstunde gehen, aber das bleibt ihnen bislang in Griechenland verwehrt.
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