Griechenland

Athen bekommt monumentales Kulturzentrum

Eine griechische Fahne im Wind
Es weht ein rauher Wind im Land - doch in der Kultur gibt es Lichtblicke. © Deutschlandradio Kultur / Christoph Dietrich
Michaela Prinzinger im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 23.02.2017
Seit Jahren ächzt Griechenland unter einer drückenden Schuldenlast, was auch das Kulturleben des Landes schwer belastet. Nun wird in Athen ein neues, großes Kulturzentrum eröffnet - "ein Zeichen der Hoffnung", sagt Kulturvermittlerin Michaela Prinzinger.
Griechenland taumelt von einem Rettungspaket zum nächsten - trotzdem gibt es inmitten der Krise nun einen kulturellen Lichtblick: Das neue Kulturzentrum "Stavros Niarchos Foundation Cultural Center" (SNFCC) in Athen wird künftig die Nationalbibliothek und die Staatsoper beherbergen. Der monumentale Bau des italienischen Architekten Renzo Piano wird dem griechischen Staate heute von der Stiftung des griechischen Reeders Stavros Niarchos übergeben.
Das Zentrum sei in seiner Dimension durchaus mit der Elbphilharmonie vergleichbar, so Prinzinger im Deutschlandradio Kultur. Gleichzeitig sei es ein "Zeichen der Hoffnung, wenn ein Konzern, der Gewinne macht, einen Teil wieder an die Gesellschaft zurückgibt." Griechenland verfüge über eine lange Tradition des Mäzenatentums. Es habe immer schon reiche Kaufleute gebeben, die ihre Heimat durch großzügige Spenden unterstützt hätten.
Auf den Staat hingegen dürfe man in Sachen Kulturpolitik nicht hoffen, so Prinzinger. Für sie gelte, was für jeden anderen Politikbereich in Griechenland gelte: "Man kann mit engagierten Einzelindividuen tolle Projekte auf die Beine stellen, aber sobald man es mit dem Moloch Staat zu tun hat, wird es ganz, ganz schwierig - außer man hat einen sehr langen Atem und sehr viel Geduld."
Die Schwierigkeiten des Landes beflügelten Kunst und Kultur in Griechenland jedoch auch, so Prinzinger. Der zeitgenössische griechische Film etwa feiere derzeit große Erfolge. Gleichzeitig gebe es junge Theatermacher, die in Deutschland Furore machten, oder "die documenta in Athen, wo die Stadt mit ihren durch die Krise entstandenen Freiräumen zum internationalen Anziehungspunkt wird."

Das Gespräch im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Wenn es um Griechenland geht, dann klingt es meistens so:
Wolfgang Schäuble: Griechenland muss die Reformen machen. Wenn Griechenland die Reformen macht, gibt es kein Problem. Und wenn Griechenland die Reformen nicht machen sollte – aber Griechenland macht die Reformen –, dann gibt es ein Problem.
Frenzel: Reformen oder Probleme? Ich könnte jetzt noch Stichworte wie Schulden, Troika oder Rettungspaket ergänzen, und ja, dann haben wir den Sound der Krise. Aber es gibt auch andere Nachrichten aus Griechenland, zum Beispiel die: Heute eröffnet ein neues Kulturzentrum in Athen, gebaut von Star-Architekt Renzo Piano, die neue Heimat der Nationalbibliothek und der Staatsoper, alles finanziert aus privater Hand, aus dem Vermögen des Reeders Stavros Niarchos. Ein Zeichen der Hoffnung in Zeiten der Krise? Wir sprechen darüber mit Michaela Prinzinger. Die Autorin und Dolmetscherin hat das deutsch-griechische Internetportal diablog.eu zur Förderung des deutsch-griechischen Verständnisses gegründet. Frau Prinzinger, guten Morgen!
Michaela Prinzinger: Guten Morgen!

Athen bekommt seine "Elbphilharmonie"

Frenzel: Kriegen die Griechen, kriegen die Athener heute ihre Elbphilharmonie? Muss man sich das so groß vorstellen?
Prinzinger: Ja, das kann man durchaus vergleichen, und es ist ja immer ein Zeichen der Hoffnung, wenn ein Konzern, der Gewinne macht, einen Teil dieser Gewinne wieder an die Gesellschaft zurückgibt. Und wenn es der Staat über die Steuerpolitik nicht schafft, dann ist das nur gut, wenn es Unternehmen selbst über Stiftungen und ihre Aktivitäten tun. Und man muss ja historisch gesehen sagen, dass in Griechenland diese Wohltätigkeit sehr weit geht. Und Teil dieses Zentrums, das eröffnet wird oder der griechischen Bevölkerung sozusagen übergeben wird, ist ja auch eine Nationalbibliothek und ist ein Opernhaus, und die werden privat finanziert.
Und in Griechenland hat dieses Mäzenatentum aber eine jahrhundertelange Tradition, immer schon gab es reiche Kaufleute, die in Amsterdam, in Wien, in Odessa lebten und ihre Heimatorte dann mit Spenden unterstützt haben. Und im 20. Jahrhundert haben dann die sogenannten Gastarbeiter Geld nach Hause geschickt. Also ist das Verhalten des Stavros-Niarchos-Stiftung da nichts Neues, sondern steht in einer alten Tradition.
Frenzel: In einer alten Tradition des Mäzenatentums, das ja aber natürlich auch immer die Frage aufwirft, und gerade jetzt in einem Krisenland wir Griechenland, ist das dann auch gleichzeitig ein Ausdruck dafür, dass die staatliche Seite, die öffentliche, die gesellschaftliche, die Kulturförderung eigentlich gar nicht richtig stattfindet?
Prinzinger: Meinem Eindruck nach gibt es keine Kontinuität und keine erkennbare Kulturpolitik, und schon gar keine auswärtige Kulturpolitik griechischerseits. Für die staatliche Kulturpolitik gilt dasselbe eigentlich wie für jede andere staatliche Politik in Griechenland: Man kann mit engagierten Einzelindividuen tolle Projekte auf die Beine stellen. Aber sobald man es mit dem Moloch Staat zu tun hat, wird es ganz ganz schwierig, außer man hat einen sehr langen Atem und sehr viel Geduld, wie es die Griechen haben müssen, die monatelang, oft jahrelang auf das ihnen zustehende Gehalt oder irgendwelche Fördergelder warten.
Ich kann Ihnen da ein konkretes Beispiel aus dem Buchwesen und der Literaturübersetzung geben, wo ich persönlich ja auch die meiste Erfahrung habe. Sofort nach Ausbruch der Finanzkrise wurden sofort Institutionen weggespart, die bis dahin auf dem Gebiet erfolgreich tätig waren, also das nationale Buchzentrum, ein internationales Übersetzerzentrum in Athen, die griechischen Kulturinstitute im Ausland, unter anderem in Berlin vegetieren nur noch dahin beziehungsweise sind geschlossen. Es fehlt auch völlig eine Förderpolitik für den zeitgenössischen Kulturtransfer ins Ausland, im Bereich Literatur zum Beispiel.

Viel Bewegung in Film, Theater und Poesie

Frenzel: Wenn wir uns mal die Künste, die Kultur direkt und selbst angucken: Es gibt und gab ja immer wieder Beispiele weltweit, dass große Krisen auch die großen Momente für Künstler und Kulturschaffende waren. Nehmen Sie Detroit aus den Trümmern der Automobilindustrie ist ein ganzer Sound hervorgegangen, der die elektronische Musik in der ganzen Welt beeinflusst hat. Spüren Sie einen solchen Geist auch in Griechenland, Krise als Chance?
Prinzinger: Absolut. Denken Sie nur an den zeitgenössischen griechischen Film, der sehr große Erfolge feiert. Ich nenne den Namen wie zum Beispiel Athina Tsangari, die zurzeit in Berlin ist mit einem DAAD-Stipendium. Jorgos Lanthimos. Diese Regisseure finden Formen, die einerseits aus dieser Situation in Griechenland erwachsen, aber sie andererseits weit übersteigen und globale Gültigkeit gewinnen. Es gibt junge Theatermacher, die auch im deutschsprachigen Raum Furore machen, die die Form des dokumentarischen Theaters für sich gefunden haben und kreativ umsetzen, die sich hier in die Strömung des postmigrantischen Theaters eingliedern und auch am Maxim-Gorki-Theater, Ballhaus-Naunyn-Straße erfolgreich sind.
Es gibt im Bereich der Kunst gerade die documenta in Athen, wo die Stadt mit ihren in den Krisen entstandenen Freiräumen zum Anziehungspunkt für eine internationale Kunstszene wird. Oder es gibt noch ein anderes Beispiel, die Poesie. Diese kleine stille Form wird jetzt zum Überlebensmodell im Dschungel der Krise. Es kommt zum Aufleben von Dichterperformances und Abenden, zu denen Hunderte Menschen pilgern. So erzählen mir das befreundete Lyriker aus Athen.

Deutsch-griechisches Internetportal hilft beim Kulturaustausch

Frenzel: Sind das Dinge, die über die Grenzen von Griechenland hinaus auch eine Ausstrahlung haben? Sie haben ja selbst im Sommer 2014 das anfangs erwähnte deutsch-griechische Internetportal gegründet, "diablog", um die Kommunikation zu verbessern, die ja wirklich auch auf hoher politischer Ebene auf einem Tiefpunkt war zwischen beiden Ländern damals. Haben Sie den Eindruck, seither hat sich was entwickelt?
Prinzinger: Ich glaube, schon. Wir wollten einfach eine Alternative zur üblichen Berichterstattung bieten, wo eine Minute Athener Zentrum gezeigt wird, Ausschreitungen, Proteste, dann eine Minute Analyse in Anführungszeichen, und dann wird zur Tagesordnung übergegangen. Wir wollten in die Tiefe gehen, wir wollten Interviews und Gespräche führen, die deutschsprachige Medien in der Form nie bringen würden, nicht weil sie nicht interessant genug sind, sondern weil der Aufhänger einfach fehlt.
Und da war dann meine Frage, wie kann ich Aufmerksamkeit bekommen für eine neue Form des Kulturdialogs zwischen dem deutschsprachigen und dem griechischsprachigen Raum. Wir reden ja von Deutschland, Österreich, Schweiz, Griechenland und Zypern. Und da sehe ich, dass das zum Modell werden kann, dieses diablog.eu, auf einer bilateralen Basis zu einem neuen Gesprächsmodell innerhalb Europas, zwischen ökonomisch gut dastehenden Ländern und Ländern, denen es gerade nicht so gut geht. Wo können wir uns auf Augenhöhe begegnen? Das ist der Bereich von Kunst und Kultur.
Und da war mir auch die durchgängige Zweisprachigkeit des Modells sehr wichtig, um tatsächliche Kommunikation herzustellen. Und in unserem Portal geht es um das zeitgenössische Kulturschaffen, das sonst keine Lobby hat. Also Literatur, Musik, bildende Kunst, Film, Theater, und auch um alternative Reiseartikel, also Kreativität, die aus der Krise erwächst.
Frenzel: Also auf jeden Fall einen Blick wert. Das Internetportal diablog.eu. Michaela Prinzinger ist die Gründerin, Autorin und Dolmetscherin. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch!
Prinzinger: Danke schön, schönen Tag noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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