Glosse über "Philae"

Warten auf einen Platz an der Sonne

Eine ESA-Grafik zeigt das Landegerät "Philae"
Eine ESA-Grafik zeigt das Landegerät "Philae" © afp / ESA
Von Isabella Kolar  · 22.11.2014
Die Raumsonde "Philae" hat uns alle enttäuscht. Erst fühlten wir uns - mit der Aussicht auf bahnbrechende Erkenntnisse über die Erde - wie die Neil Armstrongs unter den Sterblichen. Und jetzt? Die Sonde macht ein Nickerchen.
Falsch gelandet, schon versandet. 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Ein einsames Beinchen in der Luft. Seit einer Woche sind die Batterien leer, kein Strom mehr, niente, nada, nix. Wenn nicht irgendwann die Sonne an Tschuri vorbeikommt, die ihm die Akkus auflädt – dann war's das. Auf Wiedersehen, du Esa-Stolzobjekt.
Aktuell schläft Philae, pschschscht. Und in den nächsten zwei Monaten wird auch keine Sonne vorbeikommen, die ihn wieder aufweckt - pschschscht. Und wenn sie kommt, dann wird es auf der Quietscheente richtig heiß und Philae droht der Hitzetod. Dabei ging doch so ein Ruck durch Deutschland, ja Europa. Wie haben wir die Landung in der vergangenen Woche gefeiert. Gejubelt.
Eine schlappe Milliarde für die Sonde Rosetta
Wir - die Eroberer des Weltraums. Wir - die Neil Armstrongs unter den Sterblichen, die Captain Spocks inmitten der Enterprise der Zukunft. Da ist "Wir sind Weltmeister" ein Scheiß dagegen. Wir waren "All-Meister", die bedirndelten Thommy Müllers der Lüfte. Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Erdjahren winkten, yeah. Und dann winkte nur noch das Beinchen von Philae vom zerklüfteten Kraterrand, shit.
Mit letzter Kraft hat er vor seinem Ableben noch die Ergebnisse einer Bohrung rübergebeamt. Der Gute. Tapfer bis zum Schluß. Ein echter Kämpfer. Super, "ein voller Erfolg" trotzten die Forscher. 200 Millionen Euro für Philae, über eine schlappe Milliarde für die Sonde Rosetta und ein "voller Erfolg" nach zehnjähriger Anreise und nicht einmal vier Tagen Arbeit? Bitte: Den Stundenlohn hätte ich auch gerne.
"Mach mir den Baum"
Vielleicht war Philae traumatisiert von dem quietschbunten Comic-Hemd mit den vollbusigen halbnackten Frauen, das sein Chef, Philae-Projektleiter Matt Taylor, unten auf der Erde während der historischen Landung trug. Schließlich hat man von da oben alles im Blick. Da hilft es dann auch nichts, dass sich Taylor "Rosetta" und "Philae" auf den Oberschenkel hat tätowieren lassen. OK, er hat sich nach dem darauf folgenden Shitstorm unter Tränen entschuldigt, aber: Auch Philae ist nur ein Mensch. Er zischte ein erbostes Ohmmm und streckte sein drittes Beinchen beleidigt in die Finsternis des Alls. "Mach mir den Baum" sagt man im Yoga dazu.
"Ihr könnt mich mal alle", heißt das übersetzt. Oh, du unser kleiner ferner Philae, wir lassen Dich nicht allein, wir sind ein Volk und ein All. Rappel dich gefälligst auf, zum Donnerwetter noch einmal! Es werde Licht und dann fahr die Haxn wieder ein! Weiterforschen! Damit wir alle wieder All-Mächtige All-Meister werden!
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