Glosse

Eso-Judentum mit Zukunft

Von Gerald Beyrodt · 11.04.2014
Pessach ist eine Herausforderung für Juden, denn zu dieser Zeit schrumpft das Angebot an erlaubten Speisen für sie erheblich. Da hilft nur eines: Diese Ernährung salonfähig machen. Und da kommen die Frauenzeitschriften ins Spiel.
Letztes Jahr zu Pessach waren wir in Griechenland. Ich sage das jetzt nicht, um schon wieder nervtötende Staatspleitedebatten anzufangen, sondern weil mich die Autobahnen fasziniert haben. Extra zum Fest, das an den Exodus der Israeliten aus Ägypten erinnert, stand an den Autobahnabfahrten: Exodos. Ich fand das wirklich aufmerksam von den Griechen, und würde mir sowas in Deutschland mal wünschen. Welches Land mit knapper Kasse stellt schon eigens zu einem jüdischen Fest seine Beschilderung um? Was im Rest des Jahres an griechischen Autobahnabfahrten steht, weiß ich nicht.
Ob in Griechenland, Spanien oder in Deutschland, ist Pessach eine Herausforderung. Pessach ist die Zeit im Jahr, in der Juden die Inhaltsstoffliste von Lebensmitteln besonders eingehend studieren. Ladenbesitzer, die das bemerken, fragen: "Bist Du von der Lebensmittelkontrolle?" Bin ich nicht. Ich bin von der Chamezkontrolle. Chamez ist Gesäuertes, und damit sind handelsübliche Nudeln genauso gemeint wie Teig, der gehen muss. Der Grund: Vor dem Auszug aus Ägypten buken die Israeliten noch schnell Brot, hatten aber keine Zeit für Teig, der gehen musste.
Tomatensoße mit Tomatensoße
Die Regeln machen Urlaube im Frühjahr spannend und geben Juden die Chance sich Tavernen und Trattorien mit der Frage beliebt zu machen: "Haben Sie etwas Leckeres ohne Nudeln und ohne Brot und ohne Teig und ohne Fleisch?" Das Fleisch ist in der Regel nicht koscher. Damit reduziert sich das Angebot oft auf Tomatensoße mit Tomatensoße.
In deutschen Kantinen haben es Juden etwas besser. Wer nämlich Gemüse und Kartoffeln bestellt, ist pessachtechnisch aus dem Schneider. Die Kartoffel ist eben die wirkliche deutsch-jüdische Symbiose. Leider können sich acht Tage Kartoffeln mit Gemüse oder Kräuterquark ziemlich in die Länge ziehen. Man wünscht sich, fragen zu können: "Haben Sie Essen, das kascher le pessach ist?" Kascher le pessach, koscher für Pessach, nennt sich Essen, das Juden am Fest des Exodus essen können.
Es gibt eine jüdische Pessachküche, die vielfältig ist, nach der man sich nur den Gaumen lecken kann: mit Mazeknödeln, Matzekuchen und vielen Leckereien. Wie aber bringt man deutsche Kantinen und Pauschalreiseanbieter dazu, ein leckeres "kascher le pessach"-Angebot auf die Speisekarte zu nehmen? Die Lösung ist simpel. Ich wünsche mir, dass eine Zeitschrift wie Petra, Babette oder Brigitte, die "Kascher le Pessach"-Diät ausruft und jeder bisschen alternative oder esoterische Mensch "Kascher le Pessach" als Lösung all seiner Probleme erkennt. Bei Feng Shui hat das auch funktioniert.
Hinlänglich autoritäre Vorschriften
Die Vorschriften der Rabbinen zum Thema Pessach eignen sich auch deshalb prima für Esoterik, weil sie hinlänglich autoritär sind und Mühe machen. Es reicht nicht einfach, Gesäuertes, Chamez, zu vermeiden, nein man muss auch die Wohnung davon befreien. Und auch das ist nicht mit einmal Wohnung durchsaugen getan. Nein, man muss auch den hintersten Schrankwinkel auswischen und besonders den Backofen von allem Chamez befreien. Was übrig bleibt, wird verbrannt.
Solch rigide Vorschriften nennen Esoteriker gerne ganzheitlich. Ich sehe schon die Überschriften: "Sanieren Sie ihren Säure Base-Haushalt mit der Chamez-Methode". Wochendendseminar im Wendland für 599 Euro." Oder: "Nie wieder sauer – Tieferliegende Ängste und Depressionen lösen, bis der Afikoman kommt". Judentum auf Eso – das hat Zukunft.
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