Gilbert Casasus vom Zentrum für Europastudien

"Europa braucht jetzt eine Wertediskussion"

Gesucht wird ein neues europäisches Narrativ.
Gesucht wird ein neues europäisches Narrativ. © Bild: EP
Moderation: Ulrich Ziegler · 25.06.2016
Nach dem "Nein" der Briten muss in Europa endlich eine Wertediskussion geführt werden. Das fordert Gilbert Casasus vom Zentrum für Europastudien. Wirtschaftliche Fragen allein dürften nicht mehr im Vordergrund stehen, nachdem über Jahre das "soziale Europa" vernachlässigt worden sei.
Deutschlandradio Kultur: Die Briten sind raus. Die Brexit-Befürworter haben gewonnen und wir reden heute mit Professor Gilbert Casasus. Er ist Direktor des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg oder Fribourg in der Schweiz. Herr Casasus, schön, dass Sie sich die Zeit genommen haben.
Gilbert Casasus: Gerne.
Deutschlandradio Kultur: Eine Mehrheit der Briten hat Nein gesagt. Die Brexit-Befürworter haben gewonnen. Und jetzt droht ein Dominoeffekt?
Gilbert Casasus: Könnte sein, aber man muss da sehr vorsichtig argumentieren.
Wer hat Lust die Europäische Union zu verlassen? Mag sein, skandinavische Länder, das sind Geldgeberstaaten. Das ist immer das Problem, dass die Länder, die meinen, wir sind Geldgeber, eher mit dem Gedanken spielen können, aus der EU auszutreten. – Nur der wichtigste Staat, der Geldgeber ist, den kennen Sie besser als ich. Das ist die Bundesrepublik Deutschland. Und ich glaube nicht, dass man in Deutschland Lust hätte, die Europäische Union kaputt zu machen bzw. zu verlassen – ganz im Gegenteil.
Deutschlandradio Kultur: Aber die Rechtspopulisten jubilieren im Moment. In Frankreich Marine Le Pen, in den Niederlanden, in Dänemark, auch in Tschechien – also, da droht eine Gefahr.
Gilbert Casasus: Die Gefahr existiert. Man muss sie ernst nehmen, aber man muss sie auch nicht überbewerten. Also, ich glaube nicht, dass man Marine Le Pen nächster französischer Präsident wird. Es könnte nur gegebenenfalls der Fall sein, wenn irgendwie die französische Politik wirklich zugrunde liegen würde.

Wenn man politischen Suizid begehen möchte, kann man es tun

Und da muss ich sagen, das ist ja merkwürdig. Länder, die eigentlich sehr von der Europäischen Union profitieren oder profitiert haben, aber nach wie vor profitieren, würden sie sich selbst das Leben nehmen wollen? Suizid ist ja nicht etwas Verbotenes, soviel ich weiß. Wenn man politischen Suizid begehen möchte, kann man es tun. Aber man muss auch die Konsequenzen ziehen.
Und ich glaube, ganz eindeutig sind wir, ich sage wir, in diesem Falle die Länder, die zu den Gründerstaaten der europäischen Integration gehören, manchmal mit gewissen Ländern Osteuropas zu freundlich gewesen sind und haben denen nicht klargemacht, dass die europäische Integration verbunden ist mit Rechten, aber auch mit Pflichten.
Deutschlandradio Kultur: Aber gestern am Freitag ist wirklich etwas Ungeheuerliches passiert mit dem Austritt der Briten. Würden Sie sagen, das ist eine Zäsur? Die Strahlkraft Europas, die jahrelang gewirkt hat für die Spanier, für die Portugiesen, für die osteuropäischen Länder, das ist mit dem gestrigen Tag vorbei?
Gilbert Casasus: Schönrederei gehört nicht zu meinem täglichen Job, ganz im Gegenteil. Ich sage ganz einig: Politisch ist es die schwerste Krise der europäischen Integration. Es ist das erste Mal, dass ein Land gesagt hat, ich will raus. Bislang wollten 22 Länder rein, sechs plus 22 gleich 28. Das ist ein Schnitt in der Geschichte der europäischen Integration. – Und bitte nicht darüber so reden, als wäre das nur ein technischer Defekt. Es ist viel schlimmer. Es ist wirklich eine ernstzunehmende Krise, die aber auch vielleicht Anlass geben sollte darüber nachzudenken, welche Fehler gemacht worden sind.

Ein "weiter so" in Europa geht nicht mehr

Und ich bin ja Pro-Europäer, aber ich bin ein kritischer Pro-Europäer, der sagt immer seit einigen Jahren: So geht es nicht weiter. Dieses" Weiter so" geht nicht. Die "Weiter-So-Politik" ist fehl am Platz gewesen. Ich bin der Auffassung, dass der Lissabon-Vertrag ein großer Fehler gewesen ist.
Nach der Niederlage des Europäischen Verfassungsvertrags war ich der Auffassung, dass man sich hätte vier Jahre Zeit geben sollen, um einen neuen Vertrag gemeinsam zu verfassen mit einer großen politischen Legitimität, und den an Bürgerinnen und Bürger der Union zur Wahl präsentieren müssen anlässlich eines Referendums am gleichen Tag wie die Europawahl 2009.
Man hätte einen bürgerfreundlichen Prozess in die Wege leiten müssen. Das hat man nicht getan. Und wenn man irgendwie solche Fehler macht, dann kommt der Tag der Quittung. Gestern war ein Zahltag der fehlerhaften Entscheidung, die man innerhalb der Europäischen Union getroffen hat.
Deutschlandradio Kultur: Aber lassen sich diese Fehler, die Sie genannt haben, jetzt in die Zukunft geblickt, korrigieren? Ist die Kraft innerhalb der EU da, innerhalb derer, die tatsächlich an dem Projekt festhalten?
Gilbert Casasus: Zweckoptimismus bedeutet in diesem Falle, dass vielleicht der Weckruf durch den Brexit auch Leute, Politiker, Politikerinnen dazu animiert, ganz eindeutig den Mut zu haben und zu sagen: Wir müssen trotzdem Lehren ziehen.
Es wird ganz interessant sein, wie die Verhandlungen stattfinden werden. Ich gebe Elmar Brok zum Beispiel oder anderen Europaabgeordneten Recht, wenn sie sagen: Draußen ist draußen! Dass man den Briten also ganz klipp und klar sagt, ihr habt jetzt selbst die Rote Karte ausgelegt. Und Rote Karte heißt im Fußball, weil wir ja alle zurzeit bei der Europameisterschaft sind: Weg vom Platz! Das heißt ganz eindeutig, ich würde es überhaupt nicht für sinnlos empfinden, wenn der britische Kommissar nicht mehr an den Tagungen dabei sein könnte bzw. dass alle Abgeordneten Großbritanniens nicht mehr in Brüssel bzw. in Straßburg vor allem ihren Sitz einnehmen können.

Unordnung muss sein

Deutschlandradio Kultur: Aber nicht von heute auf morgen dieses Ausstiegsszenario. Man redet von zwei Jahren, wenn man es geordnet machen will. Und dann müssen alle zustimmen. Passiert das nicht, dann ist es eben der ungeordnete Ausstieg. Der wird noch blöder.
Gilbert Casasus: Nein. Unordnung muss sein.
Deutschlandradio Kultur: Unordnung muss sein?
Gilbert Casasus: Ja. Unordnung muss sein. Das heißt ganz eindeutig: Es muss klipp und klar gezeigt werden, was das für Konsequenzen hat. Und ich bin nicht dafür, dass man irgendwie diese Hinhaltestrategie, die immer so zu dem Rezept in der Europäischen Union gehört, weiter entwickelt. Man muss mal ein bisschen mehr Mut zeigen.
Deutschlandradio Kultur: Sie selbst haben ja auch die doppelte Staatsbürgerschaft. Sie sind sozusagen "in" und "out". Sie sind Schweizer und Franzose.
Die Schweizer leben gar nicht so schlecht, dass sie out sind. Als Franzose ist es vielleicht gar nicht immer so angenehm, in zu sein. Also, insofern die Frage auch bezogen auf Großbritannien: Könnte die Schweiz ein Modell sein, dass man sagt, ja, mit Abkommen können wir genauso gut leben, und dann haben wir wieder eine eigene Identität und sagen euch, dass es so auch geht? Die Schweiz ist ja auch nicht in die EU eingetreten.

Auch die Schweiz profitiert von der Europäischen Union

Gilbert Casasus: Also, wenn Sie mich persönlich fragen, bin ich ganz glücklich, auch eine EU-Bürgerschaft hier in der Schweiz zu haben. Wobei ich ja den Schweizerinnen und Schweizern auch Europa unterrichte, um auch vielleicht den Schweizerinnen und Schweizern einen Beitrag leiste, um zu analysieren, warum es auch der Schweiz so gut geht, weil die Schweiz das Glück hat, umzingelt zu werden von Nachbarn und von lieben Nachbarn, die alle Mitgliedsstaaten der EU sind. Also, die Schweiz profitiert auch von der Europäischen Union. Das muss man auch ganz klar so sagen, auch wenn ich die Fehler und die Defizite der Europäischen Union einsehe.
Ganz eindeutig ist es so, dass man vielleicht gerade hier die Schweiz nicht als Beispiel nehmen soll, weil die Geschichte der Schweiz eine andere ist. Ich werde zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen und mit den Studierenden Ende des Jahres eine europäische Studentenbegegnung veranstalten zum Thema Frieden. Da werden auch Deutsche dabei sein. Aber das Interesse für den Frieden ist so gering geworden…
Deutschlandradio Kultur: ..., weil er da ist.
Gilbert Casasus: …, weil er da ist! Selbstverständlich. Wissen Sie, ich habe von einem inzwischen verstorbenen bayerischen Politiker das Wort gehört: "Lichtschaltereffekt". Das heißt, man drückt auf den Knopf und dann ist der Strom da. Warum der Strom da ist, das fragt sich keiner.
Genauso funktioniert Europa. Man findet das absolut selbstverständlich, dass man über die elsässische Grenze fährt. Als ich klein war, irgendwie nach Spanien zu fahren im Juli, August, da musste man vier Stunden an der Grenze warten in der brüllenden Sonne. Also, das war fürchterlich. Heute fährt man da eigentlich durch. Sagen Sie das einem 25-Jährigen. Der kann sich das gar nicht vorstellen.
Deutschlandradio Kultur: Aber trotzdem ist es doch interessant, dass gerade durch diese offenen Grenzen – und wir reden dann über Flüchtlinge – die Briten sich für etwas entscheiden, was vielleicht gar nicht so viel mit Europa zu tun hat, sondern mit der Angst der Zuwanderung von Menschen aus Osteuropa und anderen Ländern und einem Verlust der Identität, dieser britischen Geschichte, auf die sie so stolz sind.

"Das ist nicht eine Krise, die zuerst in der EU entstanden ist"

Gilbert Casasus: Was Sie sagen, trifft nicht nur für die Flüchtlingskrise, auch für andere Krisen, die Wirtschaftskrise, die Finanzkrise zu. Das waren keine Krise des Euro am Anfang. Das ist nicht eine Krise, die zuerst in der EU entstanden ist, dass die EU vielleicht Fehler gemacht hat.
Deutschlandradio Kultur: Sie meinen, das kam aus Amerika.
Gilbert Casasus: Das kam vor allem aus Amerika, ja. Bankenkrise usw. Man darf das ja nie vergessen. Aber sobald eine Krise in unseren Ländern existiert, ist Europa der beste Sündenbock. Ich meine, ich würde jetzt nicht böse sein, aber ich kenne auch deutsche Politiker, die die EU immer als Sündenbock für den Wahlkampf hochstilisieren.
Deutschlandradio Kultur: Man kann ja sagen, dass in der Krise immer auch eine Chance steckt. Es gibt manche Leute, die sagen: Na ja, wenn die Briten jetzt draußen sind, so weh das tut, weil, eigentlich wollten wir sie in der EU haben, da war es auch schwierig, jetzt sind sie draußen, das ist auch Mist, aber immerhin, so ist das jetzt entschieden worden. Dann lasst uns die Chance nutzen. Wir könnten jetzt in Europa ohne britische Blockaden weiterarbeiten. – Beispielsweise Finanztransaktionssteuer, gemeinsame Verteidigungspolitik, Bau einer politischen Union in kleinerem Kreise, weil es nicht immer denjenigen gibt, der an der Bremse sitzt.
Ist vielleicht eine Chance trotz all dieser Turbulenzen, die wir im Moment erleben, da, dass man sagt, so, jetzt: Die alte Erzählung gilt nicht mehr. Jetzt müssen wir was Neues machen – wir, die Junckers, die Merkels, die Hollandes.
Gilbert Casasus: In der Tat gebe ich Ihnen Recht, aber vor allem würde ich sagen, dass es keine gute Wahl für Europa ist, dass England zurückgetreten ist, ganz im Gegenteil. Es ist eine schlechte Nachricht. Das ist ein schlechtes Zeichen.
Deutschlandradio Kultur: Ja, das schon, aber jetzt ist die Situation da und es ist demokratisch entschieden worden, egal aus welchen Ideen und Überlegungen heraus dieses Referendum geführt wurde.
Gilbert Casasus: Da haben Sie Recht. Aber da würde ich auch weiterhin sagen, das ist ganz eindeutig. Aus einer Krise kann man etwas lernen, wenn man auch den Willen hat. Und das ist ein bisschen mein Problem.
Dieser Brexit oder diese Krisen, mit denen wir konfrontiert waren, einige Stimmen aus unterschiedlichen politischen Lagern, aus unterschiedlichen akademischen Quellen haben ja seit einiger Zeit gesagt: So geht es nicht mehr weiter. Legitimitätsprobleme in Europa sind vorhanden. Die Bereitschaft des Bürgers, sich für Europa zu engagieren, ist immer geringer geworden. Der Euro-Skeptizismus ist immer gestiegen. Und man hat absichtlich immer die Augen zugemacht und die Ohren zugemacht, und so weiter
Deutschlandradio Kultur: Ist das so? Hat nicht Europa beispielsweise mit großer Kraft versucht, Länder in Schieflage, wie Griechenland an Bord zu halten, sie solidarisch zu unterstützen, nicht alles in der idealen Form, aber der Wille, diese Gemeinschaft zusammenzuhalten, der war doch da.

Über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten nachdenken

Gilbert Casasus: Also, die Griechenlandkrise hätte man meiner Meinung nach ein bisschen früher bewältigen können. Sie wissen ja, wie lange das gedauert hat mit den ganzen Fragen, die da verbunden waren. Ich war glücklich, dass am 13. Juli 2015, das heißt, circa vor einem Jahr, endlich eine Lösung gefunden worden ist. Aber ich erinnere mich ganz eindeutig, dass einige Länder, darunter auch die Bundesrepublik, das nicht nur positiv zur Kenntnis genommen hat.
Das heißt ganz eindeutig, die Krise ist da und wir können sie nicht schön reden. Wir sollten sie nicht schön reden und wir haben vielleicht andere Möglichkeiten, daraus neue Modelle oder alte Modelle neu zu beleben. Deswegen würde ich persönlich immer zurückkommen auf den Vorschlag von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers von 1994 mit dem "harten Kern" – nicht hundertprozentig, weil damals Italien aus diesem harten Kern ausgeschlossen wurde, was ich für einen Fehler halte.
Aber es ist wichtig, dass die Gründerstaaten vielleicht eine neue Initiative ergreifen und sicherlich dieses Thema des Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, denke ich, nicht als Tabu-Thema erörtert wird, sondern wirklich als Thema, wo man sich damit befasst.
Deutschlandradio Kultur: Wo wäre denn der große Vorteil, wenn wir sozusagen die Ränder wieder wegnehmen und sagen, wir machen wieder das kleine Europa, das voranschreitet? Wo sehen Sie den Vorteil?
Gilbert Casasus: Eine Avantgarde ist immer gut. Das heißt ganz eindeutig, das ist ein Effekt, der existiert, dass die Leute den Eindruck haben, es gibt Länder, die weitermachen und dass andere Länder sich andocken können.
Das ist der Fall vom Euro gewesen, auch wenn der Euro eine Krise miterlebt hat. Gucken Sie mal, obwohl es nicht ein Projekt der Europäischen Union ist, in der Flugbauindustrie mit Airbus. Zuerst waren es zwei, drei Länder. Dann sind mehr dazu gekommen. Deswegen bin ich immer dafür, dass sektoriell mindestens einige Fortschritt unternommen werden. Selbst bei Erasmus, man vergisst es am Anfang, es waren sogar die Briten, die Erasmus in die Wege geleitet haben, haben nicht alle Länder zuerst gedacht, wir machen da mit. Aber es muss jemanden geben, es muss einige Länder geben, die den Mut haben zu sagen, wir werden jetzt etwas wagen.
Willy Brandt sagte, "mehr Demokratie wegen".

Warum nicht "mehr Europa" wagen?

Deutschlandradio Kultur: Mehr Europa wagen heute?
Gilbert Casasus: Warum nicht? Weil vielleicht Großbritannien immer versucht hat, immer eine Extrawurst in Europa zu haben und sich nicht immer europäisch gezeigt hat. Und das ist eine Kritik, die gegenüber Großbritannien auch in gewissem Sinne berechtigt ist.
Deutschlandradio Kultur: Wenn ich es nochmal zuspitze: In England waren es viele Labour-Abgeordnete, die gesagt haben, ja, lasst uns in Europa bleiben. Die gehen dann auf die Straße, treffen Arbeitnehmer, eigentlich ihr klassisches Klientel. Und was sagen die? Nein, für uns sind die Bedrohungen größer. Wir wollen lieber raus. Vielleicht früher hat das wie ein Reißverschluss funktioniert. Die Sozialisten, die Gewerkschaften, die laufen Hand in Hand. Heute kämpft Hollande gegen die CGT und die Labour-Abgeordneten versuchen ihre Stammwähler von Europa zu überzeugen. – Funktioniert nicht mehr.
Sind die Sozialisten, die vielleicht diese neue Erzählung machen könnten, was auch mal Peer Steinbrück vor vier Jahren sagte: Europa braucht eine neue Erzählung. Können die Sozialisten das im Moment überhaupt liefern?

Sozialisten in Europa haben keine Bindekraft mehr

Gilbert Casasus: Hier gibt es mehrere Fragen. Also, die Sozialisten können im heutigen Zustand, in dem sie sich befinden, das nicht mehr tun.
Deutschlandradio Kultur: Sie haben keine Bindekraft mehr?
Gilbert Casasus: Es ist so, dass die Geschichte der europäischen Integration entstanden ist mit zwei politischen Säulen, die Christdemokraten und die Sozialdemokraten – mit Ausnahme hauptsächlich von der Bundesrepublik, auch wenn ich hier ein bisschen vorsichtig wäre, weil die CDU von Angela Merkel nicht mehr die CDU von Helmut Kohl oder von Adenauer ist. Aber sagen wir: Okay, die CDU ist noch die stärkste Partei. Aber in anderen Ländern sieht man, dass die Christdemokraten überhaupt nicht mehr richtig präsent sind. Das beste Beispiel ist Italien. Die Christdemokratie ist ja gestorben in Italien.
Und jetzt passiert das ähnlich mit der Sozialdemokratie.
Deutschlandradio Kultur: Warum?
Gilbert Casasus: Weil ganz eindeutig die Konflikte in der Gesellschaft, diese dialektischen Prozesse, die immer für die Sozialdemokraten und für die Sozialisten mit großem Interesse zur Kenntnis genommen worden sind, die haben sich verlagert. Und ich finde, was gerade vor zwei Tagen in England passiert ist, hochinteressant. Die britische Brexit-Wahl ist eine typische Europawahl oder europäische Wahl. Warum?
Weil diese Konflikte, die man sieht, überall in Europa, wo heutzutage die Einteilung Arbeiter wählt links, und Bourgeois wählt rechts, nicht funktionierte. Und Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie sagen, der Arbeiter, die Labour-Partei, konnte ihre Leute nicht mobilisieren. Einer der Hauptgründe dafür, was vor zwei Tagen passiert ist, ist ganz eindeutig, dass die Labour-Partei nicht in der Lage war, die Wählerschaft zu mobilisieren gegen den Brexit, weil viele Arbeiter den Eindruck gewinnen – ob zurecht oder nicht –, dass sich die europäische Politik als kontraproduktiv im alltäglichen Leben auswirkt.
Wo der Brexit absolut keine Anhänger fand und es ganz wenig Anhänger gab, das war in Cambridge und in Oxford. Das ist auch kein Zufall. Sehen Sie, ein anderes Land, das hochinteressant ist in diesem Bereich, und Sie haben es vorhin erwähnt, ist die Schweiz. Zürich hat eine sozialdemokratische Stadtpräsidentin, eine Bürgermeisterin. Die großen Städte in der Schweiz, wo der Kapitalismus existiert, in diesen Städten, wo die großen Banken sind, die haben sozialdemokratische Stadtpräsidenten. Das heißt in der Schweiz Bürgermeister.
Das heißt, diese typische Einteilung, diese sozialpolitische Einteilung, mit der man immer sich identifizierte jahrelang, über Jahrzehnte hinweg, ist heute nicht mehr vorhanden. Das ist vielen Konservativen oder Mitte-Rechts-Politikerinnen und -Politikern zum Teil bewusst geworden, aber nur zum Teil, den Sozialdemokraten überhaupt nicht.
Und es hat meines Erachtens keinen großen Sinn, dass die Sozialdemokraten sich immer als Arbeiterpartei profilieren, weil sie keine Arbeiterpartei mehr sind.

Sozialisten sind keine Arbeiterpartei mehr

Deutschlandradio Kultur: Was soll sie denn sonst machen? Wo ist ihr Kern, mit dem sie punkten können? Sollen sie jetzt ökologisch werden oder multikulti?
Gilbert Casasus: Nein, sie müssen vor allem, ich habe es einem sozialistischen Abgeordneten mal gesagt in Frankreich: Wenn ich jetzt Vorsitzender einer sozialdemokratischen Partei wäre, würde ich als erste Maßnahme zweihundert Intellektuelle sammeln, die in einen Bunker reintun drei Monate lang und darüber nachdenken, ein bisschen eine konkrete Analyse unserer Gesellschaft zu unternehmen.
Ich weiß, es ist ein intellektueller Diskurs. Da bin ich mir voll bewusst, was ich sage, aber es gibt heute keine Analyse der politischen, der soziopolitischen und der soziokulturellen Veränderungen mehr. Man sieht, dass Schnittpunkte heute in der Politik existieren, die es bislang gar nicht gegeben hat.
Sie haben vorhin den Front National angesprochen. Ein französischer Politologe hatte immer den Unterschied gemacht zwischen einer offenen Gesellschaft und einer geschlossenen Gesellschaft. Und dieser Unterschied zwischen der offenen Gesellschaft, dazu gehört auch der europäische Gedanke, gegenüber einer geschlossenen Gesellschaft, dazu gehört auch der Nationalismus, ist meiner Meinung nach prägend, viel wichtiger als der sozialpolitische Aspekt. Und ich spreche deswegen, auch wenn das auf Deutsch ein bisschen schwierig zu verstehen ist, von einer intellektuellen Fraktur, das heißt, von einem Bruch, einem intellektuellen Bruch.
Man sieht es ganz eindeutig bei sozialdemokratischen Parteien, wo der ehemalige Gewerkschaftler fast überhaupt keine Schnittpunkte mehr hat mit dem Intellektuellen, obwohl sie im selben Ortsverein zusammen arbeiten.
Deutschlandradio Kultur: Wenn wir das nochmal auf die europäische Ebene übertragen, wir hatten jahrelang dieses Problem mit der Bankenkrise, mit der Finanzkrise, mit der Bankenrettung. Und es gibt ganz viele Menschen innerhalb Europas, die sagen, wir wollen eigentlich ein soziales Europa haben, ein Europa, wo es gerechter zugeht. – Wäre das nicht eine Kernaufgabe einer Sozialdemokratie? Kann sie es nicht oder überlässt sie es jetzt diesen Podemos-Parteien oder anderen, die sich am linken Rand neu sortieren, und der Fünf-Sterne-Bewegung?
Gilbert Casasus: Wenn Sie das Programm der europäischen Sozialdemokraten nehmen und das nicht nur 2014, 2009, sondern auch 2004, heißt es: Wir wollen ein soziales Europa aufbauen. – Okay, nichts dagegen. Nur, die soziale Komponente ist den Verträgen so wenig berücksichtigt.
Deutschlandradio Kultur: Aber da könnte man doch ansetzen als Sozialdemokratie.
Gilbert Casasus: Ja, aber da sage ich den lieben Sozialdemokraten und Sozialisten Europas: Im Jahre 1998/ 99, damals hatte die Europäische Union 15 Mitgliedsstaaten, waren elf Regierungen daran beteiligt, die entweder eine sozialdemokratische Führung hatten, sozialistische Führung, oder eine sozialdemokratische bzw. sozialistische Beteiligung. Was haben die da in diesem Bereich gemacht? Überhaupt nichts! Die haben keine Reformen gemacht innerhalb der Europäischen Union, um eine soziale Komponente reinzubringen.
Was heißt heute soziale Komponente? Und da komme ich wieder auf das Thema der Schweiz. Der ehemalige Juso-Vorsitzende, das ist derselbe Name wie in der Bundesrepublik, der heute im Abgeordnetenhaus in Bern sitzt, hat eine Initiative lanciert, also so ein Referendum gemacht im Schweizer Modell, das heißt: 1:12. Es wurde abgelehnt, aber hat immerhin 35 Prozent quasi der Stimmen erreicht.
Deutschlandradio Kultur: Was heißt 1:12?

An die Probleme der Verteilung herangehen

Gilbert Casasus: Einer darf nicht mehr in einem Monat verdienen, als andere in einem Jahr. Und das ist eine ganz interessante Art und Weise, an Probleme der Verteilung heranzugehen. Das spricht auch den einfachen Mann an. Das versteht man ganz eindeutig.
In der Bundesrepublik gab es diese Debatte um den Mindestlohn. Okay. Nichts dagegen. Aber vielleicht wäre es für die Sozialdemokraten wichtig, nicht sich mit dem Mindestlohn auseinander zu setzen, sondern mit der Frage eines Höchstlohnes. Und ich würde sagen, diese 1:12-Idee könnte man in Europa von der Schweiz aus sehr stark verbreiten. .
Deutschlandradio Kultur: Das heißt so ein bisschen Bernie Sanders, der 76 Jahre alte parteilose Senator in Amerika, der es Frau Clinton schwer gemacht hat, der eigentlich auch sehr stark sozialistische Positionen fordert und sagt: Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer. Wir brauchen höhere Einkommenssteuern. Wir müssen die Banken zerschlagen. Also, da traut sich einer weit nach vorne zu gehen in diese linke Position. Und so wenig erfolgreich war er ja gar nicht.
Gilbert Casasus: Aber er war nicht erfolgreich. Nein, es ist ein Ansporn. Solche Leute sind notwendig für die linke Diskussion, weil sie neue Ideen in die Politik einbringen. Aber das ist ein amerikanisches Programm. Es gibt ja Mindestlohn hier.
Deutschlandradio Kultur: Bei 8,50 Euro schaffen Sie nicht, 45 Jahre später irgendwie eine Grundrente zu erarbeiten. Das ist ein Reparaturbetrieb sagen auch viele. Herr Gabriel, da können Sie zwar stolz drauf sein, aber am Ende einer beruflichen Laufbahn landen Sie bei diesem Einkommen gar nirgendwo.
Gilbert Casasus: Also, die Frage der Umverteilung ist eine Frage nach wie vor. Und es ist ein typisch sozialdemokratisches Thema.
Deutschlandradio Kultur: Und nicht nur national.
Gilbert Casasus: Und nicht nur national. Man könnte sich überlegen, einen europäischen Mindestlohn oder einen europäischen Höchstlohn einzuführen. Aber das ist schwierig zu berechnen. Aber es wäre eine Möglichkeit.
Was auch immer merkwürdig ist, ist das Lied der Arbeiterbewegung. Die heißt ja Internationale…
Deutschlandradio Kultur: … erkämpft das Menschenrecht.

Schicht der Arbeiter benimmt sich nicht international

Gilbert Casasus: Ich muss ehrlich sagen, wenn es eine soziale Schicht gibt, die sich zurzeit überhaupt nicht international benimmt, in Anführungsstrichen, das sind die Arbeiter. Die nationalen Themen bei der Arbeiterschaft haben europaweit zugenommen. Und warum?
Deutschlandradio Kultur: Weil ihnen das Hemd näher als die Jacke ist.
Gilbert Casasus: Ja, und weil vielleicht heute der Gegner nicht mehr derselbe ist. Als die Arbeiterbewegung sich wirklich zu Wort meldete, war der große Feind der Boss. Das war der Arbeitgeber, der Arbeitgeber, der die Leute unterdrückt, also, das typische, quasi marxistische Bild. Heute ist das überhaupt nicht mehr der Fall, ganz im Gegenteil. Man kommt hier und da gut mit dem Arbeitgeber aus. Und man will sich auch dem Arbeitgeber gegenüber sehr freundlich zeigen.
Der große Gegner ist der andere Arbeiter, der noch schlechter dran ist, aber der eine Gefahr darstellt, weil er vielleicht den eigenen Job wegnimmt. Der Migrant, der bereit wäre, unter 8,50 Euro zu arbeiten, ist ein viel größerer Gegner oder wird so empfunden für den Arbeiter, der 8,50 Euro verdient. Und dieser Umverteilungskampf nach unten ist ein großer Sieg des neoliberalen Kapitalismus, weil gerade der neoliberale Kapitalismus es verstanden hat, den Arbeiter nicht zum Hauptgegner zu machen, sondern den Arbeiter als Hauptgegner von dem noch schlechteren Arbeiter.
Deutschlandradio Kultur: Wie kann man das auflösen? National auf keinen Fall.
Gilbert Casasus: Aber man kann es auflösen, nicht auf nationaler Ebene, aber auf europäischer Ebene, und dass man eben auch verhindert, dass zum Beispiel gerade in der Bundesrepublik Leute aus Rumänien bei Schlächtern ungefähr fünf Euro verdienen. Das sollte bestraft werden. Und da muss auch Europa sich profilieren und sagen: Es gibt Grenzen! Aber diese Grenzen sind zurzeit viel zu wischiwaschi. Und die müssen strenger bewacht werden.
Deutschlandradio Kultur: Es gibt aber eine relativ starke Bewegung links von dieser Sozialdemokratie. Nehmen wir das Beispiel Spanien, Podemos. Am kommenden Sonntag wird in Spanien gewählt, möglicherweise werden die die zweitstärkste Partei. Das Interessante aber ist: Was fordern die? Sie sagen, wir wollen die Arbeitsmarktreformen zurückführen. Und wir wollen weniger Einfluss aus Brüssel haben, sondern mehr aus eigener Kraft machen. Das kann auf die Dauer aber auch nicht die Vision für Europa sein.
Gilbert Casasus: Diese Bewegungen sind entstanden durch gewisse Denkmodelle, die zum Beispiel der verstorbene Stephane Hessel vertreten hat. Also, man muss indignié sein.
Deutschlandradio Kultur: Empört euch!

Empörung allein reicht nicht aus

Gilbert Casasus: Ich finde es sehr gut, dass man sich empört. Also, ich selbst als Professor bin hier und da überrascht, wie wenig die Studenten sich zurzeit empören. Und ich finde es richtig, dass man sich empört. Aber das reicht nicht aus. Und da kommen auch gewisse Widersprüche zum Vorschein. Und diese Widersprüche haben sich ganz deutlich zu Wort gebracht.
Ich sehe in vielen dieser Bewegungen gewisse Tendenzen zu einem Nationalismus, der mir auch Angst macht. Und es gibt ja auch Brücken von diesem Nationalismus zu anderem Nationalismus. Mir sind Linksnationalisten noch lieber als Rechtsnationalisten, aber leider – und da gibt es viele Beispiele und nicht unerhebliche – kann man auch sehen, dass gewisse Linksnationalisten plötzlich einige Jahre später den Rechtsnationalisten zu finden sind.
Das findet man zum Beispiel bei der Front National. Das hat man auch in Deutschland bei gewissen Bewegungen gesehen. Das heißt, diese Linke, die Sie ansprechen, die mag sehr sympathisch klingen, aber Sympathie reicht nicht vollkommen aus, um ein Land zu regieren
Deutschlandradio Kultur: Wenn wir jetzt diese Aufsplitterung sehen, diese Nationalismen, den Brexit, die vielleicht nicht großen Visionen der Sozialdemokratie, die Linken am anderen Rand, welche Perspektive hat Ihrer Meinung nach Europa für die nächsten zwei, drei Jahre? Besteht wirklich die Gefahr, dass alle nebeneinander und aneinander vorbei reden und wir am Schluss diese einende Idee überhaupt nicht entwickeln können?
Gilbert Casasus: Ich habe das Glück, Professor zu sein und nicht Politiker. Aber ich sage ganz eindeutig, aber nicht seit Freitagmorgen: die Wertediskussion.
Ich erinnere daran, an die Diskussion der SPD Anfang der 80er Jahre, diese Wertekommission. Das war ein kluger Schritt. Das hat eine gewisse Zeit gedauert, bis daraus etwas wurde. Aber wie geht man heute um mit Fragen, ich sage es mal ganz provokativ, des Terrorismus, der multikulturellen Gesellschaft, der religiösen Freiheit – Themen, die angeblich sehr positiv klingen, aber für mich auch eine gewisse Gefahr beinhalten. Da werden ihre Zuhörer sagen der ist ja plötzlich Rechtsnationalist geworden. Nein es sind Praktiken, die man in unseren europäischen Gesellschaften nicht dulden darf. Also: Beschneidung von Mädchen – nein danke!
Deutschlandradio Kultur: Ja. Aber dagegen spricht eigentlich kaum jemand.

Haben wir nicht zu viel Vielfalt in Europa?

Gilbert Casasus: Ja, aber gucken Sie mal. In der Schweiz gab es eine Debatte, die ja nicht nur in der Schweiz bekannt war. Da haben Schüler einer Lehrerin die Hand nicht reichen wollen, weil ein Mann einer Frau keine Hand gibt. So was darf nicht passieren.
Und solche Themen, auch wie sich unsere Gesellschaften entwickeln, und ich finde auch dieses Wort "Vielfalt" – in der Vielfalt vereint, und da komme ich zur europäische Politik zurück: Haben wir nicht zu viel Vielfalt in Europa? Sollte man nicht ein bisschen mehr Einheit schaffen? Sollte man nicht in der Wertediskussion sich über die Einheit ein paar Gedanken machen? Warum sind wir in Europa vereint?
Das sind so Themen, die auch gerade von den Linken überhaupt nicht wahrgenommen werden. Ich will nicht unbedingt, verstehen Sie mich nicht falsch, ich will nicht, dass der Brite genauso aussieht wie der Spanier oder der Tscheche wie der Schwede oder der Franzose wie der Österreicher. Das geht überhaupt nicht um so was. Beethoven bleibt ein deutscher Musiker und Molière ein französischer Dichter. Also, das ist klipp und klar.
Aber dass man ein bisschen versucht, mehr Einheit zu schaffen in den Zielen, in den gesellschaftspolitischen Grundwerten, scheint mir zurzeit unerlässlich. Und ich habe ein bisschen Angst, dass diese Art und Weise, wie man diese Vielfalt kultiviert hat, auch irgendwie zu einem Auslöseprozess geführt hat.
Deutschlandradio Kultur: Und da gibt es eigentlich noch den wunderschönen Satz von Bill Clinton: It’s the economy, stupid. Und in Anlehnung sagt Sigmar Gabriel vor kurzem in einem großen Interview: "Die SPD muss radikaler werden. Sie muss stärker und fröhlicher werden und wird es auch, wenn sich Europas Sozialdemokraten geschlossen gegen die Macht der Märkte stellen."
Gilbert Casasus: Also, als Nichtdeutscher darf ich mich ja wohl nicht über die deutsche Politik gerade äußern.
Deutschlandradio Kultur: Aber man kann sagen, gut gebrüllt, oder?
Gilbert Casasus: Also, ich finde nicht, dass Gabriel sehr fröhlich ist. Aber gut. Gabriel hat nie Geschichte geschrieben. Hollande wird auch kaum Geschichte schreiben.
Deutschlandradio Kultur: Herr Casasus, ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
Prof. Gilbert Casasus, 1956 in Lyon geboren, ist Leiter des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg in der Schweiz. Nach dem Studium der Politikwissenschaft, Germanistik, Geschichte und des öffentlichen Rechts in Lyon und München war er unter anderem Lektor an zahlreichen deutschen, französischen und schweizerischen Instituten, darunter die Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit September ist er ordentlicher Professor für Europastudien an der Universität Freiburg; seit Januar 2015 Direktor des dortigen Zentrums für Europastudien.