Gespür für den Stammtisch

Rezensiert von Susanne Mack · 21.03.2006
Udo Ulfkotte hat ein Faible für Themen, über die man spricht - und ein Händchen für Titel, die Aufsehen erregen. Seine Bücher heißen "Propheten des Terrors" oder "Grenzenlos Kriminell" oder "So lügen Journalisten". Und weil sich das alles so gut verkauft, macht Ulfkotte weiter im bewährten Stil und legt uns jetzt den "Krieg im Dunkeln" auf den Büchertisch.
Von den Geheimdiensten der westlichen Welt, vornehmlich den Auslandsgeheimdiensten handelt Ulfkottes neues Buch. Von der CIA, dem Secret Service, dem Bundesnachrichtendienst. Es geht aber auch um den israelischen Mossad und den russischen KGB. Alles Geheimdienste, von denen jeder schon mal gehört hat.

Nur die die Stasi fehlt. "Die habe ich bewusst ausgeklammert" vermeldet der Autor, denn dazu gibt es inzwischen genügend Literatur." Das ist wohl wahr. Aber auch über die CIA sind in den letzten zehn Jahren hierzulande rund 100 Bücher erschienen, was Udo Ulfkotte nicht daran gehindert hat, das dickste Kapitel seines Buches gerade der CIA zu widmen. In Sachen "Stasi" ist ihm wohl klar gewesen, dass es - besonders im Osten der Republik - genug Leute gibt, die sich da besser auskennen als er. Und außerdem hat DDR-Spionagechef Markus Wolf seine Erinnerungen höchstselbst veröffentlicht.

Udo Ulfkotte kennt die Materie nur vom Hörensagen: aus Büchern, die ehemalige Geheimdienstler geschrieben haben, aus Zeitungsberichten und Nachrichtensendungen. Und der Autor gibt seine Quellen auch an. Am Ende des Buches findet sich eine lange Literaturliste. Ulfkotte nennt auch die Namen vieler Journalisten, die in der Vergangenheit brisante Sachen über Geheimdienste ans Licht gebracht haben und schreibt, wo und wann das zu ersten Mal veröffentlicht worden ist.

So ist das Buch erstens eine historische Abhandlung und zweitens Unterhaltungsliteratur. Es geht um Geschichte und Geschichten. Um die Geschichte der Geheimdienste im 20. Jahrhundert. Denn das Phänomen "Spionage" ist zwar so alt wie die Welt, aber "der Geheimdienst als System", flächendeckend organisiert und technisch hoch gerüstet, das ist ganz klar eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Sie stammt aus der Zeit der großen Kriege in Europa. 1909 wurde der "Secret Service" gegründet, 1942 die CIA, dazwischen der russische, der deutsche und der französische Geheimdienst. Udo Ulfkotte erzählt in sechs Kapiteln Episoden aus der Geschichte der einzelnen Organisationen. Von ihrer Gründung bis hin zu spektakulären Aktionen in den letzten Jahren, die (obwohl sie doch eigentlich geheim bleiben sollten) irgendwie bekannt geworden sind.

Unterhaltungsliteratur ist das, weil sich der Autor besonders für Pleiten, Pech und Pannen im Geheimdienstmilieu interessiert. Ganz besonders für "sex and crime". Ulfkotte erzählt kurzweilig und süffisant; schreiben kann er, keine Frage - von den Sex-Agentinnen des CIA und des KGB, die angeblich in Moskau mit Hilfe von Porno-Filmen für ihren Einsatz geschult worden sind, und, so der Autor, "es soll auch heute kaum eine westliche Botschaft in Moskau geben, die nicht regelmäßig von geheimdienstlichen 'Sexexpertinnen' heimgesucht wird." Putin habe da nur das KGB-Erfolgsmodell übernommen. Überhaupt: Die meisten Methoden aus der Zeit des kalten Krieges, so Ulfkotte, funktionieren heute wie eh und je.

Dass sich Geheimdienste meistens nicht an die demokratischen Spielregeln halten, sondern spitzeln, foltern und morden und mit Waffen handeln - das haben wir zwar alles schon gehört, aber Ulfkotte erzählt es uns noch mal anhand spektakulärer historischer Fälle in aller Welt. Ulfkottes Lieblingsthema ist natürlich der CIA, denn der hat so "schön viel verbrochen", und dank redseliger Ex-Geheimdienstler und rühriger Journalisten ist eben auch einiges herausgekommen. Zum Beispiel, dass die Bin Laden-Verfolger 2001 mit zwei Laptops, ein paar Gläsern löslichem Kaffee und fünf Millionen Dollar Bestechungsgeld im Rucksack in Afghanistan eingeflogen sind. Der Befehl: "Bringen Sie uns den Kopf von Bin Laden in einer Kiste auf einem Beutel Trockeneis."

Allen, die am Biertisch mitreden wollen, wenn das Thema "BND, CIA oder Mossad" zur Sprache kommt, ist das Buch zu empfehlen. Da kann Ulfkotte die Vorlage für ein abendfüllendes Programm geben. Nicht zu empfehlen ist das Buch für Leser, die sich auf diesem Gebiet schon auskennen (sei es durch Bücher von Ex-Geheimdienstlern oder durch persönliche Erfahrung) und jetzt Neues erwarten: Die werden ganz sicher enttäuscht, auch wenn sich Udo Ulfkotte selbst für einen "investigativen Journalisten" hält. Das gibt er uns nämlich im Abspann seines Buches zu verstehen. Auch lässt er uns wissen, der Staatsanwalt habe gegen ihn ermittelt, während er dieses Buch geschrieben hat: wegen "Beihilfe zum Geheimnisverrat". Ohne jeden Erfolg, wie der Autor stolz vermeldet: der Staatsanwalt sei wieder abgezogen. Das ist schön für Udo Ulfkotte - und für den Leser erhellend. Der Staatsanwalt hat sich also überzeugen können: Das, was Udo Ulfkotte über Geheimdienste erzählt, sind schon lange keine Geheimnisse mehr.


Udo Ulfkotte: Der Krieg im Dunkeln. Die wahre Macht der Geheimdienste.
Eichborn
Frankfurt am Main 2006
384 Seiten
22,90 Euro