Germantown, USA

Von Monika Köpcke · 06.10.2008
Ende des 17. Jahrhunderts gab es die erste Auswanderungswelle von Europa nach Nordamerika. Besonders Pennsylvania, damals noch eine britische Kolonie, wurde zur Zuflucht von religiösen Minderheiten, die dort ihre Ideen einer christlichen Gemeinschaft verwirklichen wollten. Die erste von Deutschen begründete Siedlung auf amerikanischem Boden hieß 'Germantown'.
"Die Ungezügeltheit und Sünden der europäischen Welt nehmen ständig in einer Weise zu, dass ein gerechtes Gottesurteil nicht mehr lange ausbleiben kann. So übergebe ich mich der besonderen Führung des Allerhöchsten, nach Pennsylvania zu reisen. Hier sollte es möglich sein, in neuem Land ein stilles und christliches Leben zu führen.'"
... schreibt Franz Daniel Pastorius im Juni 1683 in einem Abschiedsbrief an seinen Vater.
Pennsylvania - dieser Ort versprach, wonach sich die in Deutschland seit dem Westfälischen Frieden verbotenen religiösen Minderheiten so sehnten: ein gottgefälliges, friedliches Leben in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter.
Namensgeber von Pennsylvania war der Engländer William Penn. Er hatte von der englischen Regierung zum Ausgleich einer Schuldforderung seines Vaters ein großes Gebiet unterhalb des Eriesees erhalten. Penn, ein überzeugter Quäker, wollte dieses Gebiet zu einem Zufluchtsort für alle diejenigen machen, die wegen ihres Glaubens verfolgt wurden.
Über Werber, die in seinem Auftrag durch Europa reisten, erfuhr in Frankfurt am Main auch Franz-Daniel Pastorius von Pennsylvania. Im August 1683 kam er in seiner neuen Heimat an.
" Es ist alles nur Wald und Gestrüpp. Arbeitsleut' und Bauern sind hier ernstlich am nötigsten, und wünsche ich mir ein Dutzend starke Tiroler, die dicken Eichenbäume niederzuwerfen."
Pastorius war ein gebildeter Mann. Er beherrschte sieben Sprachen und war ein geachteter Rechtsgelehrter. Er kam nicht als Abenteurer nach Amerika, sondern als Gesandter einer radikal-pietistischen Gesellschaft aus Frankfurt, die von William Penn ein größeres Stück Land erworben hatte. Hier sollte Pastorius eine deutsche Siedlung ins Leben rufen, die sich auf christlicher Nächstenliebe gründet.

" Es wird geraten Butter und Käse mitzunehmen, auch Kleidungsstücke für zwei oder drei Jahre, Eisenmaterialien zum Bauen, Handwerkszeug, Stricke, Fischnetze und Flinten zur Jagd. Die mitreisenden Knechte und Mägde müssen tüchtig und fleißig sein."

Diese Empfehlungen erhielten alle 13 Familien, die zur ersten Auswanderergruppe gehörten, die sich auf den beschwerlichen Weg zu Pastorius nach Pennsylvania machte. Die Familien, 33 Personen insgesamt, stammten alle aus Krefeld. Hier hatte Pastorius auf seiner Reise nach Amerika Station gemacht und sie dabei für sein Projekt gewinnen können. Sie waren Mennoniten, die in Europa von Verfolgung bedroht waren, denn sie verweigerten die Taufe ihrer Kinder, jeglichen Eid und den Kriegsdienst.
Am 6. Oktober 1683, nach fast dreimonatiger Überfahrt, gingen die Krefelder Familien in Pennsylvania an Land. Dieser Tag wird bis heute als Erinnerungstag an die Einwanderung der Deutschen in Amerika gefeiert - und als Gründungstag von Germantown, wie Pastorius seine Siedlung fortan nannte.

" Etliche gaben ihr den Beinamen Armen-Town, zumal die mitgebrachten Vorräte vieler Siedler nicht einmal für wenige Wochen reichten. Einigen sank der Mut so weit, dass sie von hier wegziehen wollten, was nur durch beständigen Zuspruch verhindert werden konnte."

Es fehlten Bauern und Saatgut, Handwerker und Rodungsarbeiter, denn die Einwohner von Germantown waren fast ausschließlich Weber, die für ihre Erzeugnisse kaum Abnehmer fanden.
Doch mit den Jahren wuchs die Siedlung, und 1691 erteilte der englische König Germantown das Stadtrecht. Nun mussten die Siedler ihre Verwaltungsangelegenheiten in die eigenen Hände nehmen - und das führte zu ersten ernsthaften Spannungen. Denn außer Pastorius, der zugleich Bürgermeister, Richter und Lehrer von Germantown war, hielten sich die anderen nur allzu gern von weltlichen Ämtern fern. Man sollte sie gefälligst in Ruhe nach ihren religiösen Überzeugungen leben lassen - dafür waren sie schließlich hierher gekommen -, der Rest ging sie nichts an. Schließlich wusste Pastorius sich nicht anders zu helfen, als die Bürger unter Androhung hoher Geldstrafen zu verpflichten, sich für öffentlicher Ämter zur Verfügung zu stellen.
Fortan zeichnen die Gerichtsakten das Bild einer friedlich vor sich hinlebenden Stadt. Mal schaute einer zu tief ins Glas, mal zertrampelte Vieh ein nachbarschaftliches Feld. Die Bewohner von Germantown lebten so, wie jemand einmal Pastorius charakterisiert hatte:

" Nüchtern, rechtschaffen, weise und fromm, von allgemein geachtetem und unbescholtenen Namen."

Germantown gibt es heute noch immer - als 22. Bezirk der Metropole Philadelphia. Es ist ein armer Stadtteil, in dem vorwiegend Schwarze wohnen.