Generisches Femininum an der Universität Leipzig

Herr Professorin – was wurde draus?

Blick in die größtenteils aus Marmor gefertigte Treppenhalle der "Bibliotheca Albertina" der Universität in Leipzig
Universität in Leipzig: Laut Grundordnung werden an der Hochschule weibliche Berufsbezeichnungen gewählt, die die männliche Form mitmeinen. © picture-alliance/ ZB / Waltraud Grubitzsch
Von Bastian Brandau · 20.01.2016
Nicht Autor, sondern Autorin. Nicht Professor, sondern Professorin. An der Universität hat die weibliche Schreibweise – in der Grundordnung der Institution – den Vorrang. Diese Entscheidung von 2011 erhitzte die Gemüter.
Manchmal kann ein Artikel große Arbeit machen. Erlebt hat das im Juni 2013 der Gleichstellungsbeauftragte der Uni Leipzig, Georg Teichert. Teichert, typ smarter junger Macher im Anzug, erinnert sich an die zwei verrückten Wochen als Folgen eines Artikels bei "Spiegel Online".
"Guten Tag, Herr Professorin" war die Überschrift. Es fing an mit den Fernsehsendern, später kamen Radio-und Zeitungen weil es ja angeblich an der Uni Leipzig jetzt üblich sei, Professoren mit Professorin anzureden, was natürlich völliger Quatsch war.
Die Uni Leipzig hatte bei einer Neufassung ihrer Grundordnung beschlossen, die weibliche Form von Berufsbezeichnungen zu verwenden. Und anfangs in einer Fußnote klarzumachen, dass stets auch männliche Amtsinhaber gemeint seien. Eher ein Zufallsprodukt im erweiterten Senat, der erst auch beide Schreibweisen verwenden sollte.
"Und unsere Juristen, die fanden das zu umständlich, wir können klassisch doch zur Fußnote zurückkommen, die männliche Form gilt für die weibliche mit. Und dann nach 'ner Debatte gab es dann die nicht ganz ernst gemeinten Wortmeldung von einem Physikprofessor, man könnte das auch komplett im generischen Femininum machen, und das fand damals eine Mehrheit in diesem Gremium."
Medienanfragen aus Russland und Vietnam
Ende 2011 war das, damals berichteten nur lokale Medien über die neue Sprachregelung. Der Entschluss wurde trotz einiger Versuche, im Nachhinein daran zu rütteln, umgesetzt und 2013 vom sächsischen Wissenschaftsministerium bestätigt. Der "Spiegel"-Artikel führte dann zu weiteren Berichten und Medienanfragen etwa aus Russland und Vietnam. Schwierig sei es gewesen, die falschen oder falsch verstandenen Berichte richtigzustellen, sagt der Gleichstellungsbeauftragte Teichert. Aber zumindest uni-intern müsse er über gleichberechtigte Sprachregelungen nicht mehr diskutieren.
"Ich weiß nicht, ob da ein tiefgreifendes Verständnis für Gleichstellungsfragen entstanden ist, da würde ich eher kritisch sein, aber zumindest ist bei auch sehr vielen konservativen Einrichtungen ein Bewusstsein dafür entstanden, was man mit Sprache machen kann, dass Sprache auch Bewusstsein bildet. Weil, als die Männer mitgemeint waren, tat ihnen das doch mehr weh als früher, als dann die Frauen mitgemeint waren. Von daher, in der Retroperspektive, hat uns das in Gleichstellungsfragen überhaupt nicht geschadet."
Geschlechtsneutrale Sprache bleibt sensibles Thema
Allerdings waren es harte zwei Wochen, sagt Teichert. Zumal es auch heftigen Gegenwind innerhalb der Universität gab.
"Das war für mich fast noch viel schlimmer, als diese schwierigen Briefe von außen, um es mal so auszudrücken, dass da Professorinnen und Professoren unsere Universität nicht in der Lage waren die eigene Berichterstattung – wir haben das ja auch inneruniversitär mit Newsletter und so weiter kommuniziert, dass die das nicht gelesen haben, das fand ich erschreckend."
Ein Zeichen dafür, wie sensibel das Thema geschlechterneutrale Schreibweise immer noch ist. Die Überschrift und einen zumindest missverständlichen Vorspann setzte "Spiegel Online" damals übrigens über einen Artikel, der vorher im seriös-biederen Deutschen Universitätsmagazin erschienen war. Die Überschrift dort: Uni Leipzig verweiblicht ihre Grundordnung.
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