Gedicht von Esther Dischereit

"Flucht ist auch verboten"

Von Esther Dischereit  · 13.07.2015
"Wenn jemand die Bordklappe öffnen würde, fielen die Leute ins Meer, dahin, woher sie gekommen sind", schreibt die Schriftstellerin Esther Dischereit in ihrem Gedicht "National Trust". Die andauernde Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat sie dazu bewegt. Auf Deutschlandradio Kultur veröffentlicht sie das Gedicht.
National Trust Oh I do like to be beside the seaside
Der Innenmininister schreibt back to the seaside
Woher sie bzw. Sie gekommen sind
Das Gefängnis ist an Land
Der Transport per Luft
Wenn jemand die Bordklappe öffnen würde
fielen die Leute ins Meer
dahin woher sie gekommen sind
das ist verboten
Flucht ist auch verboten
Bleiben ist
Flucht nicht
Bleiben nicht
Auflösen
Einsperren oder Auflösen
Als sie geboren wurden
fragten ihre Mütter nicht nach Erlaubnis
es ist ein Makel, dass die Mütter nicht
nach Erlaubnis fragten
Sie sollen gehen
Tausende gehen
Das Gehen an sich
Wie will der Innenminister das Gehen einsperren
Will er Straßen hochziehen
Lüfte auf die Erde holen
Die Wasser zum Versiegen bringen
Gefängnisse für die, die immerzu gehen
Da muß man viele einsperren
Ganze Länder muß man einsperren
Ich glaube nicht, dass diese Länder
in unsere Gefängnisse passen
es gab Zeiten, da jubelten wir mit ihnen
mit denen die auf dem Tahrir-Platz standen
auf dem Tian'anmen-Platz
im Suk von Damaskus stapeln sich
Waffen statt Früchte
Der kommt aus dem Kongo
und der aus dem Irak
wenn ihre Knochen in der Erde ihrer Länder
keinen Platz mehr finden
willst du die sein, die ihre Asche in die Winde zerstreut
Geh lieber und kauf einem eine Hose, die neu ist
und gut sitzt oder ein
gebügeltes Hemd. Das wird gehen.
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