Fürst Lafontaine siegt

Von Jacqueline Boysen, Hauptstadtstudio · 15.01.2010
Wie ein Fürst beherrscht Oskar Lafontaine seine Partei - und der ausgebuffte Politprofi Gregor Gysi hat sich dem Machiavelli aus dem Saarland untergeordnet.
Stammt nicht Gysi aus der DDR, die am Machtmissbrauch zugrunde ging, und aus der SED, der Staatspartei, die an ihrer eigenen Hybris scheiterte?! Gysi hatte seinem langjährigen Weggefährten Dietmar Bartsch am Montag mit seinen öffentlichen Beschuldigungen den Rückzug nahegelegt - und sich damit zum Handlanger Lafontaines gemacht. Demjenigen, der als Bundesgeschäftsführer die vor zweieinhalb Jahren gegründete Linke auch gegen die eher anarchistischen und fundamentaloppositionellen Kräfte tapfer zusammenhielt, hat Gysi Vertrauensbruch vorgeworfen - in der Vorvorgängerpartei SED hätte das wohl parteischädigendes Verhalten geheißen. Die Konsequenz für Bartsch war naheliegend: Dem einstigen Wahlkampfmanager blieb kaum etwas anderes übrig, als auf eine erneute Kandidatur für das Amt des Bundesgeschäftsführers zu verzichten.

Lafontaine selbst hat sich die Hände bei der unappetitlichen Operation nicht schmutzig gemacht, Gysi hat ihm die Drecksarbeit abgenommen. Und doch sind es Lafontaine und seine Anhänger, die den Sieg in mehrfacher Hinsicht davongetragen haben. Lafontaines einflussreichster Kritiker Dietmar Bartsch ist unschädlich gemacht. Und an seinem Fall können die Realpolitiker unter den dunkelroten Genossen studieren, wie es jenen ergeht, die sich gegen den Parteichef stellen.
Wenn der Meisterrhetoriker Gregor Gysi betont, die Linke wolle - anders als die übrigen Parteien - keinen Beitritt der WASG zur PDS, sondern exerziere eine echte Vereinigung zwischen Ost und West vor, so macht der Fraktionschef sich und seinen Leuten etwas vor: Denn in der Linken werden keine Kompromisse zwischen den Pragmatikern aus dem Reformflügel der PDS und den enttäuschten Gewerkschaftern oder auch ehemaligen K-Gruppen-Anhängern gesucht, sondern selbstherrlich vom Saarland aus ein Kurs bestimmt. Und der ist auf eine einzige Person zugeschnitten: Oskar Lafontaine. Der Personenkult macht eine konstruktive Oppositionsarbeit, eine strategische Annäherung oder gar Kooperation mit der SPD unmöglich.

Der geopferte Dietmar Bartsch wohlgemerkt war im eigentlichen Sinne kein Abweichler. Vielmehr wagte er auszusprechen, was viele seiner Mitstreiter denken: Dass die Ausrichtung, die ihre Partei unter Oskar Lafontaine erfährt, falsch ist. Doch wer inhaltlich arbeiten will, wer der Partei ein verständliches, über den puren Protest hinausgehendes Profil verpassen will, der erregt im System Lafontaine Anstoß - und muss weichen. Damit der Demütigung nicht genug: Gregor Gysi ruft dem geschassten Kollegen auch noch hinterher, er wünsche ihn sich als Stellvertreter an der Spitze der Fraktion. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten. Auch Gysi trägt den Machiavelli in sich: Ein Fürst soll eher gefürchtet, denn geliebt werden, wenn er schon nicht beides zugleich erreichen kann.