Für kürzere Studiengänge, gegen Studiengebühren

Moderation: Hanns Ostermann · 13.09.2006
Vor dem Hintergrund des OECD-Bildungsberichts hat der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner für kürzere Studiengänge plädiert, um den Anteil der Hochqualifizierten in Deutschland zu erhöhen. Zudem bekräftigte der SPD-Politiker, dass sein Bundesland Studiengebühren weiterhin ablehne.
Hanns Ostermann: Ist das berühmte Glas nun halb voll oder halb leer? Gestern legte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD einen neuen Bildungsbericht vor. Ein Ergebnis dieser Studie "Bildung auf einen Blick", in Deutschland bleibt der Anteil der Hoch- und Fachschulabsolventen eines Altersjahrgangs weit hinter dem Durchschnitt der anderen Länder zurück, soweit die schlechte Nachricht; die gute, immerhin stieg der Anteil bei uns zwischen 2000 und 2004. Wir stagnieren also nicht, allerdings erzielen andere Länder noch schneller Fortschritte. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur Professor Dr. Jürgen Zöllner von der SPD. Er ist Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz und stellvertretender Vorsitzender der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Guten Morgen Herr Professor Zöllner!

Jürgen Zöllner: Einen schönen guten Morgen!

Ostermann: Was war denn für Sie neu an diesem Bericht?

Zöllner: Gut, um ehrlich zu sein, es gibt da keine überraschenden Ergebnisse. Sie haben den Kernpunkt schon genannt. Wir haben sicher einen unterdurchschnittlichen Anteil in diesem Bereich an Hochschulabsolventen, aber wir holen auf. Wobei ich, um mal bei Ihrem Bild zu bleiben, sagen würde, das Glas steigt kontinuierlich in der oberen Hälfte.

Ostermann: Die Frage ist doch aber generell, warum brauchen wir überhaupt für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft mehr Akademiker, als wir sie bisher haben?

Zöllner: Ja das ist aber eine schwere Frage, die natürlich prinzipieller Natur ist. Es gibt aber überhaupt keinen Zweifel, dass der Anteil der hoch qualifiziert Ausgebildeten für die Wettbewerbsfähigkeit international der zentrale Ansatzpunkt ist, weil wir natürlich immer spezialisiertere Dienstleistungen, egal wo wir beschäftigt sind, ob in der Produktion oder im Mensch-Mensch-Kontakt oder wie auch immer vollbringen müssen. Ich will allerdings noch eins sagen, dass die Zahlen, so sorgfältig sie auch erhoben sein mögen, natürlich nicht auf die Stelle hinter dem Komma vergleichbar sind. Die Struktur der Studiengänge, das heißt, was ist ein Absolvent mit einem hoch qualifiziertem Hochschulabschluss ist in den Ländern natürlich sehr unterschiedlich. Sie sehen es daran, dass zum Beispiel der Anteil der dreijährigen Ausbildung völlig unterschiedlich ist, Hochschulausbildung, zum Beispiel zwischen den Vereinigten Staaten oder der Bundesrepublik Deutschland. Aber nichts desto trotz, die Grundaussage, dass wir ohne Zweifel mehr brauchen, bleibt.

Ostermann: Die Frage ist, wie bekommen wir mehr? Wie reformieren wir möglicherweise die Studiengänge? Sind da die Hebel richtig angesetzt, wenn beispielsweise vergleichsweise kürzere Bachelor- und Master-Studiengänge angestrebt werden?

Zöllner: Ganz sicher, weil aus vielerlei Hinsicht. Einmal würde es natürlich ermöglichen, wenn eine größere Anzahl mit einem Bachelor-Abschluss ins Berufsleben geht, dass er dann zurückkommt mit seiner Kenntnis der Berufswelt und dann genau in dem Bereich, wo er sowohl Beschäftigungschancen findet, als auch die seinen Interessen entspricht, dann noch nachträglich zum Beispiel einen Master draufsetzten würde. Für viele Berufe brauchen wir auch nicht eine so genannte Ausbildung, die zum wissenschaftlichen Arbeiten selber befähigt, sondern nur ein Verständnis für die wissenschaftlichen Zusammenhänge, das heißt die Ausbildung muss wissenschaftlich qualifiziert sein, aber wir brauchen nicht ein Anteil von 40 Prozent Wissenschaftlern in der Republik. Das ist der eine Punkt, das heißt die Studienstruktur-Änderungen sind sicher Ziel führend. Das wird so weit ich das sehe von der OECD auch lobend anerkannt. Ein anderer ist, dass die Verantwortlichen, das heißt die staatliche Seite in Bund und Länder tatsächlich ernst machen müssen, dass sie die Studienmöglichkeiten ausbauen und da sage ich, haben wir im Grunde genommen das entscheidende Problem des Augenblicks, dass es Länder gibt, die in den vergangenen Jahren Studienplätze abgebaut haben und nur wenige und ich sage das mit einem gewissen Stolz, Rheinland-Pfalz zum Beispiel hat 20 Prozent erhöht. Und wir müssen einen Weg finden, dass die Last von zusätzlichen Ausbildungsplätzen, das kostet eine Menge Geld, nicht einige wenigen schultern und die anderen sich letztenendes darauf ausruhen.

Ostermann: Das ist so ein Punkt, denkt man auch an die Studiengebühren, die es so gibt, auch an die verschärften Aufnahmeprüfungen teilweise jedenfalls an den Universitäten. Sind das Gründe, weshalb möglicherweise das Reservoir bei uns nicht voll ausgeschöpft wird?

Zöllner: Wir glauben ganz sicher, das ist ja bekannt, dass Rheinland-Pfalz Studiengebühren weiterhin ablehnt. Ich sehe eine große Gefahr bei der Einführung von Studiengebühren. Es geht jetzt nicht darum, dass 30 Prozent weniger studieren werden. Allein zwei oder drei Prozent der Interessierten, die dadurch abgeschreckt werden müssen, sind zwei oder drei Prozent der Jugend, die unsere Zukunft bestimmt, die eben nicht die Ausbildung erhält, die sie haben möchten. Und die Bedingungen die immer genannt werden, wir brauchen ein gutes Stipendiensystem und mehr, sind ja gut und schön, nur sie sind eben nicht da und sie sind auch nicht in Sicht. So dass wir der Meinung sind, man sollte ohne Studiengebühren diese Studienplätze anbieten. Wir brauchen sicher Anreizstrukturen, damit man verantwortungsvoll mit dieser Möglichkeit umgeht, auch als Studierende, deswegen machen wir es über Studienkonten.

Ostermann: Professor Jürgen Zöllner von der SPD, der Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Ich danke Ihnen für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur.