Friedensvertrag in Kolumbien

Erlösung nach 52 Jahren Terror

Frauen und Kinder malen ein Wandbild mit einer Taube an der Straße nach Planadas in Kolumbien.
Freude über den Friedensprozess: Frauen und Kinder malen ein Wandbild mit einer Taube © AFP/ Guillermo Legaria
Tom Koenigs im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 26.09.2016
Nach über 50 Jahren Bürgerkrieg in Kolumbien wollen Regierung und Rebellen heute einen Friedensvertrag unterschreiben. Der vom deutschen Außenministerium entsandte Grünen-Politiker Tom Koenigs spricht von einem "historischen Moment" – die große Mehrzahl der Menschen im Land glaube, dass man nun nach vorn blicken müsse.
Heute um 17.00 Uhr Ortszeit (24.00 MESZ) ist es soweit: Regierung und marxistische Farc-Rebellen in Kolumbien wollen einen Friedensvertrag unterschreiben. Zahlreichen Staats- und Regierungschefs sowie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon werden dabei sein, wenn in Cartagena de Indias an der kolumbianischen Karibikküste ein 52 Jahre währender Bürgerkrieg beendet wird.
Das deutsche Außenministerium hat den Grünen-Politiker Tom Koenigs in das Land entsandt, als Beauftragten zur Unterstützung des Friedensprozesses. Im Deutschlandradio Kultur sprach Koenigs von einem "historischen Moment".
In rund einer Woche sollen die Kolumbianer dann in einem Referendum über den Vertrag abstimmen. Koenigs rechnet mit Zustimmung zu der Vereinbarung.
Die große Mehrzahl der Menschen im Land glaube, dass man nun nach vorn blicken müsse, sagte er. Im Mittelpunkt der Aufarbeitung soll Koenigs zufolge "die Wahrheit über das Geschehene" stehen. Die Täter sollten durch Geständnisse bei der Aufklärung mitarbeiten. Dies soll durch vergleichsweise milde Strafen erreicht werden. Das ist in Kolumbien umstritten.
Die Farc hat derzeit noch rund 8000 Kämpfer, die nun ihre Waffen abgeben sollen. In dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen der Regierung, rechten Paramilitärs und linken Guerillagruppen starben über 220.000 Menschen. (ahe)


Das Gespräch im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Heute wird – Sie haben es in den Nachrichten gehört – nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg in Kolumbien ein Friedensvertrag geschlossen, ein Friedensvertrag nach einem mehr als 50 Jahre dauernden bewaffneten Konflikt zwischen linken Rebellen, Paramilitärs, Drogenmafia und Armee, bei dem fast eine halbe Million Menschen getötet und sechs bis acht Millionen Kolumbianer vertrieben wurden. Ein Friedensabkommen also zwischen Rebellen und Regierung. Tom Koenigs von Bündnis 90/Die Grünen ist seit 2015 Beauftragter des Bundesaußenministers zur Unterstützung dieses Friedensprozesses in Kolumbien, und jetzt ist er in Cartagena am Telefon. Ich grüße Sie, schönen guten Abend!
Tom Koenigs: Guten Abend!
von Billerbeck: Heute wird ja der Friedensvertrag zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation Farc unterzeichnet. Das ist ein historischer Moment – sehen Sie das auch so?
Koenigs: Das ist zweifellos ein historischer Moment und ein wichtiger Moment für Kolumbien, denn das verspricht Frieden mindestens mit einer der bewaffneten Organisationen.
von Billerbeck: Nun geht das ja nicht allen so, dass die so glücklich sind über das Abkommen, zumindest gibt es Misstrauen – wir haben es eben auch in dem Beitrag gehört. Wie ist es denn bei Ihnen, trauen Sie dem Frieden?

Aufarbeitung und Versöhnung statt Strafe

Koenigs: Ich traue dem Frieden, insbesondere finde ich es gut, dass man eine Verhandlungslösung gefunden hat, bei der die Täter zwar bestraft werden, dennoch bei der Bestrafung die Nichtwiederholung im Vordergrund steht und nicht so sehr die Rache oder die Vergeltung.
von Billerbeck: Ist dieser Meinung auch in Kolumbien eine Mehrheit? Es gab ja da auch Stimmen, die sagen, da wird zu lasch mit den Tätern umgegangen.
Koenigs: Es gibt Kritik, und deshalb ist das Referendum in sieben Tagen ein wichtiger Punkt. Die Befürworter des Ja für den Frieden sagen ganz eindeutig, dass besser, billiger der Frieden nicht zu haben war, und das war teuer genug, und dass jetzt aufgehört werden muss mit der Auseinandersetzung mit Gewalt.
Tom Koenigs von Bündnis 90/Die Grünen
Tom Koenigs ist zur Zeit in Kolumbien und begleitet den dortigen Friedensprozess© dpa / Fredrik von Erichsen
Die Gegner wiederum sagen, es kann nicht sein, dass Leute, ohne dass sie ins Gefängnis kommen, schwerste Verbrechen verüben. Und darüber ist die Auseinandersetzung noch nicht zu Ende, das geht jetzt noch eine ganze Woche. Dennoch glaubt die ganze internationale Gemeinschaft, dass es richtig ist, wenn Kolumbien hier einen Schlussstrich unter die Gewalt zieht.
von Billerbeck: Die internationale Gemeinschaft ist das eine, Sie haben es erwähnt, über das Abkommen wird ja das Volk am 2. Oktober in einem Referendum entscheiden. Wird es da auch so eine eindeutige Zustimmung zu diesem Friedensabkommen geben?

Die große Mehrheit will nach vorn blicken

Koenigs: Ich weiß nicht, wie eindeutig die Zustimmung ist, ich glaube aber, es wird eine Zustimmung geben, denn die große Mehrzahl der Menschen glaubt doch, dass man nach vorne blicken muss und die Möglichkeiten der Reformen, die Möglichkeiten auch der Übergangsjustiz – denn es ist keineswegs Straflosigkeit, was hier auf die Täter zukommt – zu nutzen.
Es steht im Vordergrund die Wahrheit über das Geschehene und die Geständnisse, die Mitarbeit bei der Aufklärung durch die Täter selbst. Das ist ein sehr hohes Erfordernis, etwas, was zum Beispiel in den Nazi-Prozessen oder auch anderen Prozessen in Deutschland nie erreicht worden ist. Da hat nie ein Täter gestanden, sondern es ist immer geurteilt worden ohne eine Mitarbeit der Täter.
von Billerbeck: Nun sollen ja die Ex-Rebellen von der Farc jetzt politische Partei werden, wie schwierig wird das wohl werden, dieser Prozess?
Koenigs: Das ist schwierig für den einen und für den anderen. Für die Partei, die neue Partei, die früher Guerilla waren, ist es neu, sich auf die politische Landschaft einzustellen, für die existierenden Parteien ist es natürlich neu, Konkurrenz zu bekommen.
In einem schmalen Boot auf einem Fluss sitzen 12 männliche und weibliche Rebellen in Tarnanzügen und mit Maschinengewehren.
Farc-Rebellen auf Patrouillen-Fahrt im Dschungel© Fernando Vergara / AP / DPA
Es ist aber eigentlich der entscheidende Punkt, dass die politischen Ziele jetzt mit politischen - und nicht gewalttätigen - demokratischen Mitteln erreicht werden sollen, und in Amerika hat es ja verschiedentlich sich gezeigt, dass das geht, zum Beispiel in Uruguay, zum Beispiel auch in Bolivien. Und es hat sich auf der anderen Seite gezeigt, dass der Weg der Gewalt nur zu Leid und einer Vielzahl von Opfern führt, die ja hier gerade in Kolumbien besonders herb und zahlreich sind.
von Billerbeck: Tom Koenigs war das von Bündnis 90/Die Grünen, der Beauftragte des Bundesaußenministers zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien. Ich danke Ihnen für das Gespräch und bitte die schlechte Leitung zu entschuldigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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