Friedensforscher: Drohnen ethisch hochproblematisch

Moderation: Christine Watty · 13.05.2013
Ein Schreibtisch, ein Bildschirm, ein Knopfdruck: Drohnen senken die Hemmschwelle für gezieltes Töten, warnt der Hamburger Friedensforscher Michael Brzoska. Das sei ein gefährlicher Trend und erfordere Änderungen im Völkerrecht.
Christine Watty: Ein Schreibtisch, ein Bildschirm, ein Knopfdruck – das Setting eines modernen Kriegseinsatzes. Wenn bewaffnete Drohnen zum Einsatz kommen, dann wird der Soldat zum Computernerd, der, Tausende Kilometer entfernt vom Angriffsort, das Ziel auskundschaftet, schließlich seine Waffe programmiert und auf die womöglich tödliche Reise schickt. Der Vorteil des Einsatzes ist klar, mehr Sicherheit für die Soldaten selbst. Verteidigungsminister Thomas de Maizière hatte zwar vor Kurzem noch gesagt, es werde keine endgültige Kaufentscheidung solcher Drohnen für die Bundeswehr vor der Bundestagswahl geben. Interesse aber bekundet wurde an sogenannten Predator-Drohnen aus den USA.

Die USA verwenden diese Hightech-Waffen schon lange und wurden gerade dafür aus Pakistan mit einem eindeutigen Gerichtsurteil belegt: Der Drohneneinsatz der USA in den pakistanischen Gebieten sei ein Kriegsverbrechen. Michael Brzoska ist Friedensforscher und wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung uns Sicherheitspolitik der Uni Hamburg, und ihn begrüßen wir jetzt im Radiofeuilleton. Guten Tag!

Michael Brzoska: Guten Tag!

Watty: Kurz zum Urteil in Pakistan gegen die Drohnenangriffe, die zuvor ja auch schon von der UNO verurteilt wurden. Inwiefern hat dieses Urteil direkt etwas mit der Form des Einsatzes des modernen Kampfmittels, der Drohne, zu tun?

Brzoska: Es liegt vor allen Dingen daran, dass mit den Drohen es leichter geworden ist, sogenanntes gezieltes Töten durchzuführen, das heißt, Personen, die sich auch außerhalb eines eigentlichen Kriegsgebietes befinden, zu töten. Das ist in der Tat etwas, was dem Kriegsvölkerrecht widerspricht, und das Gericht hat insofern eigentlich nur das bestätigt, was die ganz überwiegende Mehrzahl der Völkerrechtler auch sagt. Natürlich kann man auch außerhalb des Schlachtfelds mit anderen Waffen töten, aber Drohnen machen es eben leichter, und insofern ist dieses Urteil, auch wenn es vielleicht in den USA nicht besonders ernst genommen wird, doch eine Bestätigung des neuen Charakters, den diese Drohnen jetzt dem Krieg aufdrücken.

Watty: Die USA sagen, mit den Drohnen können wir gezielt Terroristen jagen. Betroffene Länder wie Pakistan beklagen unzählige verletzte und getötete Zivilisten. Und Sie haben auch schon gesagt, das kann natürlich auch mit anderen Waffen passieren. Man könnte sagen, bis hierhin ist das noch eine normale Kriegsauseinandersetzung, die Angreifer und Angegriffene miteinander auch mit Worten führen, allerdings handelt es sich eben um den Einsatz von Drohnen. Und vielleicht können wir das an der Stelle noch einmal aufdröseln. Was ist das moralisch Problematische am Einsatz von Drohnen?

Brzoska: Also ich denke, dass der Unterschied zu anderen Waffensystemen vielleicht gar nicht so groß ist, allerdings die Drohnen dazu verführen, eine bestimmte Art von Kriegführung zu betreiben, die ihrerseits ethisch hochproblematisch ist. Wie gesagt, man kann auch Flugzeuge natürlich losschicken, bemannte Flugzeuge, Flugzeuge mit Personen drin, und die können dann auch Bomben abwerfen oder mit Lenkwaffen Menschen töten. Aber da ist eben ein Mensch mit drin, das heißt, der bringt sich dann auch in Gefahr. Es ist auch so, dass Drohnen in der Regel viel kleiner sind, das heißt, man kann sie sehr viel schlechter sehen. Dadurch ist es natürlich für denjenigen, der diese Angriffe befiehlt, in diesem Fall die USA, leichter, diese Art von Krieg zu führen. Und insofern wird eine Hemmschwelle gesenkt. Die Hemmschwelle, die dadurch entsteht, dass man sich selber in Gefahr bringt. Und das ist etwas, was natürlich im Krieg immer versucht wird – jede Streitkraft versucht, irgendwie ihre eigenen Leute zu schützen, das ist ja auch legitim. Es wird aber dann ein Problem, wenn diese Art von Selbstschutz es erleichtert, auch außerhalb dessen, was das Völkerrecht erlaubt, Krieg zu führen.

Watty: Das heißt, die Drohne als Waffe bringt natürlich jetzt schon das Kriegsrecht beziehungsweise das humanitäre Völkerrecht an seine Grenzen. Wie Sie sagen, die Drohne ist kein klassischer Kombattant, der Soldat ist nicht anwesend, zumindest sitzt er nicht da, sondern ist vielleicht an einem Schreibtisch, weit weg vor seinem Bildschirm. Sind die bisherigen Regelungen dann vollständig?

Brzoska: Ja, ich denke schon, dass es eigentlich ziemlich eindeutig ist, was das Völkerrecht sagt. Und das ist auch etwas, was in der Bundesregierung meiner Kenntnis nach auch vollständig so gesehen wird. Wir haben es hier eigentlich mit einem noch größeren Problem zu tun, und das ist das Problem, dass die USA erklärt haben, dass sie in einem Krieg gegen den Terrorismus sind, ja schon 2001, und dass dieser Krieg keine Grenzen kennt. Das heißt, die USA haben also den klassischen Kriegsbegriff völlig ausgedehnt, überdehnt. Denn klassischerweise hat man immer einen Krieg mit einem bestimmten Gebiet, einem Territorium verbunden, auch mit einer Zeit, dass man gesagt hat, irgendwann ist dieser Krieg auch wieder zu Ende.

Aber der Krieg gegen den Terror, der hat weder räumliche noch zeitliche Grenzen. Und damit haben die USA sich selber im Grunde genommen das Recht gegeben, überall in der Welt diejenigen, die sie als Terroristen bezeichnen, mit militärischen Mitteln zu bekämpfen. Und das ist etwas, was im Völkerrecht eigentlich verboten ist, was das Völkerrecht nicht abdeckt, und was durch diese Drohnen jetzt erleichtert wird. Insofern kommt hier eine grundsätzliche Veränderung der Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden, die die USA seit einiger Zeit versuchen umzusetzen, und eine neue Technik, nämlich die Drohne, zusammen, mit dem Ergebnis, dass wir jetzt häufig diese Art von targeted killing, von gezieltem Töten, erleben.

Watty: Das heißt aber, weil Sie gesagt haben, die Regelungen sind trotzdem immer noch eindeutig. Man muss das Völkerrecht, beziehungsweise in diesem Fall das Kriegsrecht, nicht umschreiben, weil gerade die kämpferischen Auseinandersetzungen auch ziemlich klar definiert sind, wann man jemanden angreifen kann, wann da jemand anderes sein muss, der ein Ziel sein könnte, und das vielleicht im Fall eines Drohneneinsatzes so gar nicht mehr gelten kann?

Brzoska: Ja, in der Tat. Eigentlich sind die Regeln relativ klar, das heißt, man darf nicht außerhalb von Kampfgebieten Nicht-Kombattanten oder Leute, von denen man nicht genau weiß, dass sie Kämpfer sind, militärisch angreifen. Und in Pakistan ist es ja so, dass es ein – außerhalb des Kampfgebietes, wenn die USA der Meinung wären, dass es Kampfgebiet wäre, dann müssten sie im Grunde genommen den Pakistanis den Krieg erklären, weil die Pakistanis nicht dagegen vorgehen, dass von pakistanischem Territorium aus die Amerikaner angegriffen werden.

Nun ist es natürlich so: Die pakistanische Regierung spielt hier ein doppeltes Spiel. Nach außen hin sagt sie, wir haben den Amerikanern gesagt, ihr dürft das nicht machen, wahrscheinlich haben sie intern gesagt, ihr könnt das machen. Das würde die Situation verändern, wenn die Pakistanis sich offen erklären würden als Verbündete der Amerikaner, dann wäre das völkerrechtlich etwas anderes. Aber so, wie jetzt offiziell die Position der pakistanischen Regierung ist, dürfen die Amerikaner auch nicht und tun das eben völkerrechtswidrig.

Watty: Michael Brzoska ist Friedensforscher und wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg, und es geht um völkerrechtliche und moralische Fragen bei Drohneneinsätzen. Wie steht es um die Definition des Tötungsbefehls bei einem Drohneneinsatz? Denn eine Drohne wird von einer Software gesteuert, und natürlich gibt es üble Zukunftsvisionen, dass womöglich dann auch irgendwann die Software quasi den Tötungsbefehl abgibt und damit diese gesamte Entscheidung in einem Kriegsmoment ausgelagert wird.

Brzoska: Ja, die Drohnen sind auch unter dem Aspekt problematisch, dass sie den Trend zur Automatisierung der Kriegsführung befördern. Die Drohnen, die jetzt momentan eingesetzt werden, auch die Predator, die Sie eingangs schon mal erwähnt haben, werden ferngelenkt. Das heißt, da sitzt ein Mensch irgendwo weit weg vor einem Bildschirm und sieht ziemlich genau, was vor Ort los ist und gibt auch den Einsatzbefehl. Das heißt, der Mensch ist auch verantwortlich dafür, dass dann ein anderer Mensch getötet wird. Das ist leider das, was im Krieg ja häufig der Fall ist, und insofern ändert sich da nichts. Anders wäre es jetzt, wenn nicht mehr ein Mensch irgendwo in der Befehlsschleife ist, sondern wirklich die Maschine eigenständig ihr Ziel sucht und eigenständig entscheidet, ob das Ziel, was vorher eingegeben worden ist in die Software, mit dem Ziel, was diese Maschine vor Ort sieht, übereinstimmt, und dann selber entscheidet, jetzt töte ich.

Das ist etwas, was völkerrechtlich nicht verboten ist. Völkerrechtlich ist dieser Fall einfach nicht vorgesehen, aber wir haben natürlich auch Bomben, die einfach abgeworfen werden, die auch Menschen unterschiedslos töten, wo auch der Mensch letztendlich das nicht mehr verhindern kann, wenn die Bombe erst mal losgeflogen ist. Aber es ist natürlich ethisch ein riesiges Problem, dass hier mehr oder weniger Entscheidungen über Leben und Tod auf Maschinen und Software übertragen werden. Vor allen Dingen ist es natürlich eine Frage der Verantwortung. Was ist eigentlich, wenn jetzt ein Falscher getroffen wird, wenn jemand getroffen wird, der nicht hätte getroffen werden dürfen, ein Zivilist? Ist das dann die Schuld der Maschine? Ist das die Schuld der Software? Ist es die Schuld desjenigen, der vor vielen Stunden, vielleicht Tagen, diese Maschine irgendwo zum Einsatz gebracht hat? Also das ist eine Frage, denke ich, wo in der Tat das Kriegsvölkerrecht erweitert werden muss, wo es aus meiner Sicht sinnvoll wäre, über ein Verbot von solchen vollautomatischen Waffen zu diskutieren, und wo in der Tat das Bewusstsein dafür, dass hier ein gefährlicher Trend in Gang gesetzt worden ist und durch die Drohnen befördert wird, dieses Bewusstsein sich doch ziemlich weltweit verbreitet.

Watty: Wir sind ja noch am Anfang des Drohneneinsatzes in Deutschland. Was muss Ihrer Meinung nach die Bundeswehr und auch der Gesetzgeber konkret tun, bevor die Drohnen eingesetzt werden?

Brzoska: Es ist ja in Deutschland so, dass jeder Einsatz durch den Bundestag genehmigt werden muss, und die Bundesregierung schreibt ja auch sehr klar in die Anträge im Bundestag, was sie machen will, und beschreibt auch, was für Waffensysteme sie wie einsetzen will. Und der Bundesverteidigungsminister, der ja sehr für den Kauf von bewaffneten Drohnen sich ausgesprochen hat, betont immer wieder, dass er so ein Mandat, wie es die USA jetzt machen, also das gezielte Töten außerhalb von Kampfgebieten, nie beantragen würde, und ich glaube ihm das auch.

Allerdings ist es so, dass wir natürlich trotzdem in der Bundesrepublik diesen Trend zur Automatisierung und diesen Trend, der eben eng verbunden ist mit diesem Krieg gegen den Terror, und dort diese neuen Technologien einzusetzen, die Drohnen, dass wir diesen Trend befördern. Es müsste aus meiner Sicht eigentlich eher unser Ziel sein, diesen Trend zu stoppen. Und insofern ist es eher eine politische, keine rechtliche Frage, ob nicht die Bundesregierung eher eine Initiative zum Verbot von jedenfalls automatisierten Drohnensystemen international befördern will, anstatt dass sie jetzt solche Systeme kauft und damit auch vor aller Welt zeigt, dass man eigentlich damit keine Probleme hat.

Watty: Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg zu ethischen und völkerrechtlichen Fragen beim Einsatz vom bewaffneten Drohnen. Vielen Dank für das Gespräch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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