Freistadt Christiania

Dänischer Hippie-Traum kommt in die Jahre

Von Tim Krohn · 22.01.2015
Am Rande der Legalität und doch überlebensfähig: Als Aussteiger Anfang der 1970er-Jahre leerstehende Kasernen in Kopenhagen besetzten, begann die Geschichte der selbsternannten Freistadt Christiania. Fast 20 Jahre lebten die Bewohner ohne Verträge. Heute sind viele um die 60 - und inzwischen selbst Miteigentümer.
"Ja, es wird auch Tivoli für Erwachsene genannt. Aber es ist auch gut für uns. Weil wir müssen ja auch leben. Lange wurde nur schlecht über uns gesprochen. Aber wenn so viele Leute hierher kommen, dann muss es ja etwas Gutes sein.“
Kirsten Larsen lebt schon seit 34 Jahren hier, in einem alten Schießpulver-Magazin gleich hinter dem Deich. Bald wird sie 60, so wie viele andere Urbewohner auch. Kirstens hennarote Haare sind dünn geworden, der Hippietraum wird alt, aber keineswegs leise.
"Das ist auch unser Stolz, dass wir das alles zusammen aufgebaut haben. Von fast nichts zu etwas Bekanntem in der ganzen Welt. Er hält uns zusammen, dieser Kampf. Das ist wie eine Familie."
Das alte Militärgelände Christiania wurde 1969 verlassen. Niemand wollte die Jahrhunderte alten Kasernen damals haben, da griffen die Hausbesetzer zu. Fast 20 Jahre lang gab es keine Verträge, keine Sicherheit. Kirsten und die anderen wurden ertragen, geduldet, mehr nicht.
"Es funktioniert. Ja. Heutzutage sind wir sehr wohl organisiert und unserer Ökonomie geht es auch gut. Das ist sehr wichtig, weil wir jetzt einen Teil von Christiania gekauft haben. Es gibt viel Arbeit hier heutzutage. Anfangs war da nichts, überhaupt nichts. Heutzutage ist es gut."
Heute guckt sogar der Kronprinz mal vorbeit
Gut, in Kirstens Augen, sind sogar die Drogen. Auf der Hauptachse des Geländes, der sogenannten Pusher Street, kauft sie ihre Joints wie auf dem Gemüsemarkt. Der Umgang damit ist typisch dänisch. Eigentlich ist das Kiffen illegal, aber man arrangiert sich halt.
"Und doch ist es eigentlich ganz normal, Haschisch zu rauchen."
Findet die Stadt übrigens auch. Kopenhagen würde das Kiffen am liebsten legalisieren, das dänische Parlament zieht aber nicht mit.
Manchmal muss die Polizei dann doch ausrücken zur Razzia. Kein Wunder. Denn die Drogen sind ein prima Geschäft, das auch weniger angenehme Menschen lockt. Die Alt-Hippies aus Christiania schauen genau hin ... und dann schnell wieder weg.
"Wir wissen ja, dass es im Hinterland auch kriminelle Gruppen wie die Rocker gibt, das wissen wir. Wir wissen, dass sie da sind. Es ist nicht leicht, das zu kontrollieren. Es ist ja was Kriminelles, deswegen kann man nicht alles wissen."
Früher, erzählt Kirsten, war hier nichts. Außer einer vagen Idee, wie man vielleicht zusammenleben könnte. Heute guckt sogar der Kronprinz mal vorbei. Und die Touristen sind eh schon da.
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